ZBW MediaTalk

von Claudia Sittner

Twitch, eigentlich Twitch.tv, ist eine Live-Streaming-Plattform. 2011 gegründet wird sie vorwiegend zum Streamen von Videospielen (Games) und E-Sports genutzt, aber auch Veranstaltungen können übertragen werden, und seit 2015 werden mit Twitch Creative andere Zielgruppen angesprochen. 2014 wurde Twitch von Amazon aufgekauft. Seit 2016 sind die Accounts mit dem Amazon-Prime-Programm verknüpfbar (Twitch-Prime).

So läuft das Streamen

Die Streamer:innen (Creator:innen) zeigen, wie sie ein Spiel spielen. Eine Kamera ist dabei in der Regel auf das Spiel gerichtet, eine zweite zeigt das Gesicht der:des Streamenden und damit unmittelbar deren Reaktionen während des Spiels (Face Cam). Nebenbei läuft ein Chat, in dem die Zuschauer:innen kommentieren. Die Gamer:innen können so mit ihnen interagieren, zum Beispiel Kommentare aufgreifen oder Fragen beantworten.

Sprunghafter Anstieg der Streamer:innen in der Pandemie

Während der Corona-Pandemie hat Twitch stark an Zuschauer:innen gewonnen. 2020 verdoppelten sich beispielsweise die Nutzer:innenzahlen; 2021 verzeichnete Twitch über 1 Milliarde Visits pro Monat. Über 8 Millionen Streamer:innen senden dort (September 2022).

Während des Lockdowns war die Plattform beliebt, um Vorträge zu streamen. So hat ein Lehrer aus den USA beispielsweise seinen Kurs über das Streaming regelmäßig über Twitch gestreamt.

Folgen, Abonnieren, Spenden, Chatten: so funktioniert Twitch

Auf Twitch kann man Streamer:innen folgen oder ihre Kanäle abonnieren. Folgen ist kostenlos möglich. Mit den kostenpflichtigen Abonnements können Zuschauer:innen den:die Streamer:in finanziell unterstützen. Auch Spenden ist möglich. Weitere Optionen für professionelle Streamer:innen, auf Twitch Geld zu verdienen, sind das Affiliate-Marketing, bei dem Zuschauer:innen über Provisionslinks Artikel direkt kaufen. Der Artikel „Twitch Marketing: Was kann Twitch außer Gaming?“ geht vertiefend darauf ein.

Streams lassen sich auch ohne eigenen Twitch-Account verfolgen. Sie werden auf der Plattform für 30 Tage gespeichert und dann automatisch gelöscht. Inzwischen ist eine Verknüpfung – und dadurch Konservierung – beispielsweise über YouTube möglich. Emoticons heißen auf Twitch „Emotes“. Streamer:innen können eigene freischalten. Auch durch das Abonnieren von Kanälen können Emotes hinzugewonnen werden.

Wer nutzt Twitch?

Das Durchschnittsalter der Zuschauer:innen auf Twitch beträgt 21 Jahre. Ansonsten sehen die Nutzenden bei Twitch so aus: 65 Prozent sind männlich, 41 Prozent digitale Natives der Generation Z und damit zwischen 16 und 24 Jahre alt. 32 Prozent der Nutzenden sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Ist man als Twitch-Nutzende:r älter, gilt man als Exot. Nutzer:innen kommen vor allem aus den USA, Frankreich und Großbritannien.

Bibliotheken, die überlegen, einen Kanal auf Twitch aufzubauen, sollten sich fragen, wie groß die Schnittmenge zwischen ihrer Zielgruppe und den Twitch-Nutzenden ist. Daneben kann man sich aber auch fragen: Was kann die Plattform für uns als Mitarbeiter:innen in Bibliotheken tun?

Exot:innen gesucht: Twitch Creative

2015 initiierte Twitch das Projekt „Twitch Creative“, um kreative Formate jenseits von Gaming und E-Sports zu fördern. Die Förderung besteht darin, dass die Kanäle kreativer Streamer:innen besser aufzufinden sind. Damit wurde Twitch zum Treffpunkt kunst- und kulturinteressierter Nutzer:innen. Bastler:innen, Zeichner:innen oder Programmierer:innen zeigen hier ihre Arbeitsprozesse live.

Im Fahrwasser von Twitch Creative sind einige außergewöhnliche Accounts groß geworden, zum Beispiel der der über 70-jährigen „Bacon Mom“, die seit Jahren an ihrer Minecraft-Welt bastelt und dazu Geschichten aus ihrem Leben erzählt. Mit den neuen Nischen in den Bereichen Kunst, Kultur und Literatur wäre Twitch Creative vermutlich auch der richtige Ort für ungewöhnliche Bibliotheks-, Open-Science- oder Infrastruktur-Streams. Sicherlich wären hier auch Programmierungs- oder Codingformate gut untergebracht. Die Einrichtungen könnten mit kreativen, unterhaltsamen oder besonders hilfreichen Formaten punkten.

Beispiel MarmeladenOma

Ein ganz reizendes Beispiel für einen ungewöhnlichen Account ist der der inzwischen über 90-jährigen Großmutter Helga Sofie Josefa. Mithilfe ihres Enkels Jannik streamt sie seit inzwischen mehr als fünf Jahren als MarmeladenOma. Auf ihrem Kanal nimmt sie die Zuschauer:innen regelmäßig mit auf ihre Märcheninseln und liest, zum Teil stundenlang, aus Büchern Geschichten vor. Was klein angefangen hat, gewann 2017 plötzlich an Dynamik, als YouTube-Star „Gronkh“ spontan und undercover mit ein paar tausend Fans bei der Live-Märchenstunde vorbeischaute und damit kurzzeitig fast Helga Sofie Josefas Server zum Abstürzen und die alte Dame zum Staunen brachte, weil die Zahl der eintrudelnden Kommentare sprungartig in die Höhe schoss.

Inzwischen hat der Account mehr als 70.000 Follower:innen. Die Fans mögen die authentische und liebevolle Art der MarmeladenOma. Sie erinnert sie an ihre Großmutter und an die Vorlesestunden aus ihrer Kindheit. Wenn die Videos nach 30 Tagen bei Twitch gelöscht werden, sind sie danach auf dem 240.000-Abonnent:innen-starken YouTube-Kanal der Streamerin zu finden. Inzwischen ist sie über die Szene hinaus eine echte Berühmtheit und war auf Branchenevents wie der Gamescom. Wer mehr über die MarmeladenOma erfahren möchte, dem:der empfehle ich diesen Artikel. Das Beispiel zeigt, dass auch mit einfachen Bordmitteln gute Ideen ungeahnt Fahrt aufnehmen und zu erfolgreichen und reichweitenstarken Kanälen führen können.

Bibliotheken auf Twitch

Bibliotheken sucht man auf Twitch bisher weitestgehend vergebens. “Die wenigen Bibliotheken, die Twitch derzeit nutzen, verwenden es für Spiele und E-Sport, Online-Workshops und andere Aktivitäten wie Kunst, Buchclubs und Gastredner:innen“, heißt es in einem Beitrag im American Libraries Magazine. Und weiter „dass Twitch bereits in einigen Bereichen der Hochschulbildung für das Erlernen von Sprachen, Vorlesungen, Programmierdemonstrationen und Sprechstunden verwendet wird“. Alles Ideen, die sich auch in Bibliotheken umsetzen ließen.

Im deutschen Sprachraum sind die Pfalzbibliothek oder das Projekt KLAR der Stadtteilbibliothek Klarenthal in Wiesbaden auf Twitch aktiv. Gestreamt werden vor allem Vorträge. Zielgruppen sind Jugendliche und ihre Eltern. Das KLAR-Projekt hat als Auftakt den Mikro-Influencer Koriwan eingespannt. Sicher auch für Bibliotheken eine gute Methode, um auf sich aufmerksam zu machen.

Bei Twitch durchstarten: Erforderliches Equipment

Laut einem Twitch-Guide für Anfänger:innen wird folgendes Equipment für den erfolgreichen Start benötigt:

  • ein PC mit guter Leistung, idealerweise kein Laptop, weil deren Grafikkarten oft nicht so leistungsstark sind,
  • mindestens vier USB-Anschlüsse für das Zubehör,
  • ein gutes Mikrofon,
  • eine Webcam,
  • ein Game-Capture-Device,
  • ein Streaming-Programm, zum Beispiel Streamlabs OBS (Open Broadcast Studio).

Mit letzterem lässt sich der eigene Twitch-Account mit Diensten wie Facebook, Prime oder YouTube verknüpfen. Außerdem stehen damit sogenannte Widgets zur Verfügung. Damit können dem Stream ein Chat oder Benachrichtigungen (Alerts) zu bestimmten Ereignissen hinzugefügt werden. Ereignisse können neue Follower:innen oder Abonnent:innen sein.

Fünf Erfolgsfaktoren für Twitch

Erfolg auf Twitch ist wie bei eigentlich allen Social-Media-Plattformen auch viel Glückssache und in jedem Fall ein Langstreckenlauf. Ein paar Dinge sind trotzdem hilfreich, um die Chancen auf eine wachsende Follower:innen- und Abonnent:innenzahl zu erhöhen:

  1. Immer authentisch bleiben und Spaß beim Streamen haben;
  2. Kreativ sein;
  3. Der eigenen Linie treu bleiben: Manchmal stellt sich Erfolg ein, wenn man eine bestimmte Sache einfach sehr lange durchzieht.
  4. Regelmäßig streamen: Das schafft Verlässlichkeit und stärkt die Bindung zu den Zuschauer:innen.
  5. Wiederkehrende Elemente einbauen, das schafft eine Marke und einen Wiedererkennungswert.

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Über die Autor:in

Claudia Sittner studierte Journalistik und Sprachen in Hamburg und London. Sie war lange Zeit Referentin beim von der ZBW herausgegebenen Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik und ist heute Redakteurin des Blogs ZBW MediaTalk. Außerdem ist sie freiberufliche Reise-Bloggerin. Sie ist auch auf LinkedIn, Twitter und Xing zu finden.
Porträt: Claudia Sittner©

Claudia Sittner studierte Journalistik und Sprachen in Hamburg und London. Sie war lange Zeit Referentin beim von der ZBW herausgegebenen Wirtschaftsdienst – Zeitschrift für Wirtschaftspolitik und ist heute Redakteurin des Blogs ZBW MediaTalk. Außerdem ist sie freiberufliche Reise-Bloggerin. (Porträt: Claudia Sittner©)

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