ZBW MediaTalk

von Birgit Fingerle

Der Reuters Institute Digital News Report 2019 wurde vom Reuters Institute for the Study of Journalism in Auftrag gegeben mit dem Ziel zu verstehen, wie Nachrichten konsumiert werden. Er wurde im Juni 2019 veröffentlicht. Die Befragung wurde von YouGov Ende Januar/Anfang Februar 2019 in 38 Ländern durchgeführt. Neben dem globalen Report wurden für einige Länder auch umfassende separate Länderberichte in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht. Der Digital News Report deckt ein breites Themenspektrum ab. Wir haben uns einige von ihnen genauer angesehen.

Das Smartphone ist am bequemsten für den Nachrichtenkonsum

Obwohl die Menschen immer noch Computer und Tablets für den Nachrichtenkonsum verwenden, setzt sich das Smartphone offenbar als bevorzugtes Gerät durch. Zwei Drittel (66%) der Befragten nutzen inzwischen wöchentlich das Smartphone, um Nachrichten abzurufen (+4 Prozentpunkte). Gleichzeitig sinkt die Zahl der Menschen, die täglich mit Radio, Fernsehen oder Print in den Tag starten, zum Beispiel in den USA und Großbritannien, während mehr Menschen Online-Nachrichten (meist auf dem Smartphone) lesen. In Großbritannien lag das Smartphone vor dem Fernsehen (27%) als wichtigster erster Einstiegspunkt zu Nachrichten (28%).

Die Entwicklungen in der Mediennutzung spiegeln gesellschaftliche Entwicklungen wider. Einige Probleme, die die Befragten sehen, werden im Bericht behandelt. Unter ihnen: Das Vertrauen in Nachrichten, die über Suchmaschinen (33%) und Social Media (23%) gefunden werden, ist extrem gering, bleibt aber stabil. Die Auswirkungen der Informationsflut sind ein weiteres Problem: 28% der Befragten gaben an, dass es heutzutage zu viele Nachrichten gibt, ein Gefühl, das zum Teil durch ständige Nachrichtenaktualisierungen verursacht wird und durch den Eindruck, mit mehreren Versionen derselben Nachrichtengeschichte bombardiert zu werden.

Immer noch begrenzte Zahlungsbereitschaft für Nachrichten

Die Zahl derjenigen, die bereit sind, für Online-Nachrichten zu bezahlen, ist nur geringfügig gestiegen, und das Wachstum beschränkt sich auf einige nordische Länder (Norwegen 34%, Schweden 27%). Die Zahlungsmodelle umfassen: Abonnement, Mitgliedschaft oder Spende. Die überwiegende Mehrheit der zahlungswilligen Personen bezahlt ausschließlich für ein einziges Online-Abonnement. Daher scheint eine „der Gewinner bekommt alles“- Dynamik vorzuliegen.

Aufgrund begrenzter Budgets konkurrieren Nachrichtenabonnements, die sich meist auf einzelne Titel beziehen, mit den Ausgaben zu Unterhaltungszwecken (Netflix/Spotify). Die Befragten unter 45 Jahren antworteten auf die Frage, welche Online-Medienabonnements sie wählen würden, wenn sie nur eines haben könnten, folgendermaßen:

  • 37% Online-Video (etwa Netflix, Amazon Prime)
  • 15% Online-Musik (etwa Spotify, Apple Music)
  • 7% Online-Nachrichten (etwa New York Times, Le Monde)

Die Bezahlung von Nachrichteninhalten auf der Grundlage von Spendenmodellen macht immer noch nur einen kleinen Teil des Marktes aus. Eine weitere Alternative stellen Bündelung und Aggregation dar; so ist zum Beispiel die Washington Post in Verbindung mit Amazon Prime günstiger erhältlich.

Trotz eines nur geringen Anstiegs der Anzahl an Zahlungen für Online-Nachrichten wird als positiv vermerkt, dass die meisten Zahlungen jetzt “laufende” Zahlungen sind, während die Anzahl der Einzelzahlungen stagniert hat, trotz der Einführung von Mikrozahlungsplattformen wie Blendle.

Wachsende Rolle von Nachrichtenaggregatoren

Eine signifikante, aber relativ bescheidene Verlagerung hin zur Nutzung mobiler Nachrichtenaggregatoren, wie Apple News und Upday, News Republic und Flipboard, ist zu beobachten. Mobile Nachrichtenaggregation wird bereits von der Mehrheit in vielen Teilen Asiens genutzt. In den USA erreichen Apple News inzwischen mehr iPhone-Nutzer (27%) als die Washington Post (23%). Es sei darauf hingewiesen, dass diese Nachrichtenaggregatoren unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen: Während Upday, Google News und Flipboard auf der einen Seite den Traffic direkt an Publisher weiterleiten, zielen auf der anderen Seite Apple News und Yahoo! News darauf ab, selbst zum Ziel zu werden und ganze Stories gegen einen Teil der Einnahmen neu zu veröffentlichen. Da Apple News+ beispielsweise ein Abonnement für mehrere Premium-Titel zum Preis eines Einzeltitels für 9,99 $ anbietet, werden wahrscheinlich auch weitere Premium-News-Publisher darüber nachdenken, bald den Zugang zu mehreren Marken zu einem kostengünstigen Preis anzubieten.

Nutzung von sozialen Netzwerken und Messengern

Auch die Nutzung sozialer Netzwerke verändert sich. Obwohl Facebook nach wie vor mit Abstand das wichtigste soziale Netzwerk für Nachrichten ist, verbringen die Menschen in vielen Ländern weniger Zeit damit. Stattdessen verbringen sie mehr Zeit mit WhatsApp, dem Facebook Messenger und neueren sozialen Netzwerken wie Instagram, die auch Private-Messaging-Funktionen anbieten. WhatsApp, der Facebook Messenger und andere Messaging-Anwendungen, wie Viber, Telegram und WeChat, werden von 75% der Befragten für jeden Zweck und von 31% für den Nachrichtenkonsum verwendet. Dies ist ein Anstieg von 8 Prozentpunkten gegenüber der Erhebung vor zwei Jahren und zeigt, dass die soziale Kommunikation rund um Nachrichtenthemen immer privater wird.

Während WhatsApp-Gruppen eher für den privaten Austausch mit Freunden, Familie und Kolleginnen genutzt werden, geht es bei Facebook-Gruppen im Allgemeinen mehr um den Austausch mit weniger gut bekannten Menschen. Aber die Nutzung von WhatsApp ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. In Ländern wie Brasilien (53%), Malaysia (50%) und Südafrika (49%) hat sich WhatsApp zum wichtigsten Netzwerk für die Diskussion und den Austausch von Nachrichten entwickelt (während dies lediglich bei 9% in Großbritannien, 6% in Australien und nur 4% der Befragten in den USA der Fall ist). In diesen Ländern sind weitaus mehr Menschen Teil großer WhatsApp-Gruppen mit unbekannten Personen – ein Trend, der die Verbreitung von Fehlinformationen fördern könnte. Sowohl öffentliche als auch private Facebook-Gruppen, die über Nachrichten und Politik diskutieren, sind in der Türkei (29%) und Brasilien (22%) besonders beliebt, werden aber in Ländern wie Kanada (7%) kaum genutzt.

Podcasts erreichen eine kritische Masse

Aufgrund der zunehmenden Nutzung von Smartphones, besserer Inhalte und einer einfacheren Distribution nehmen die Nutzungszahlen von Podcasts immer noch stark zu und beginnen, eine kritische Masse zu erreichen. Die Popularität von Podcasts ist bei jungen Menschen besonders hoch. Unter den Teilnehmenden hatte ein Drittel (36%) im letzten Monat einen Podcast gehört (50% in Bezug auf die unter 35jährigen), und fast jeder Sechste (15%) hatte einen über Nachrichten, Politik oder internationale Nachrichten gehört. Im vergangenen Jahr haben beispielsweise der Guardian, die Washington Post, Politiken, AftenPosten, der Economist und die Financial Times tägliche Podcasts gestartet, nachdem der tägliche Podcast der New York Times ein sehr großer Erfolg geworden war.

Smartphones sind das am häufigsten verwendete Gerät (55%) für das Abspielen von Podcasts. Zu den Hauptgründen für das Hören von Podcasts gehören das Wissen über Themen des persönlichen Interesses aktuell zu halten (46%) und das Lernen von etwas Neuem (39%).

Mit dem zunehmenden kommerziellen Interesse an Podcasts wird die Werbung immer aufdringlicher und Plattformen wie Spotify bezahlen vermehrt für exklusive Premium-Inhalte. Dies wirft einige Befürchtungen auf, dass Podcasts ihren ursprünglichen Charakter und ihre Authentizität verlieren könnten.

Sprachassistenten halten Ausschau nach weiteren Nachrichteninhalten

Die Reichweite von Sprachassistenten wie dem Amazon Echo und Google Home für den Einsatz für beliebige Zwecke ist im letzten Jahr in Großbritannien von 7% auf 14% und in den USA von 9% auf 12% gestiegen. Dennoch sinkt der Anteil der Nutzerinnen und Nutzer, die intelligente Lautsprecher für den Nachrichtenkonsum nutzen.

Sowohl Google als auch Amazon haben im vergangenen Jahr viele neue Märkte erschlossen, darunter Indien, Spanien, Mexiko und einige nordische Länder. Während Amazon in den USA, Großbritannien und Deutschland eine marktbeherrschende Stellung einnimmt, ist Google beispielsweise in Australien und Kanada führend, wo es als erster Anbieter gestartet ist.

Für die Verlage wird die Frage nach der Macht der Plattformen im nächsten Jahr wahrscheinlich immer wichtiger werden. Dennoch zögern viele, einen Beitrag zur Wertschöpfung für die Plattformen Google oder Amazon zu leisten, indem sie aggregierte Nachrichtendienste per Sprache bereitstellen, weil sie darin keinen Weg zur Gewinnschöpfung für ihr eigenes Unternehmen erkennen.

Videonachrichten

Videonachrichten werden hauptsächlich auf Facebook (32%) und YouTube (26%) konsumiert. Während Facebook im letzten Jahr für Nachrichtenvideos etwas an Bedeutung verloren hat, haben andere Plattformen, wie Twitter, Instagram und Snapchat, etwas an Bedeutung gewonnen.

Nichtsdestotrotz nutzt mehr als ein Drittel (35%) der gesamten Stichprobe des Reports gar keine Online-Nachrichtenvideos regelmäßig, in Großbritannien und Deutschland sogar 54% nicht. In der Türkei, wo 83% der städtischen Stichprobe des Reports angaben, dass sie Nachrichten über externe Plattformen konsumiert haben, bilden Plattformen wie YouTube ein wichtiges Zentrum für oppositionelle Medien. Über alle Länder hinweg sagt eine überwältigende Mehrheit der Befragten (68%), dass sie Nachrichten im Textformat gegenüber Videos bevorzugen. Nur bei den Befragten unter 35 Jahren gibt eine signifikante Minderheit von 13% an, dass sie Videonachrichten bevorzugt.

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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