ZBW MediaTalk

von Kristin Biesenbender, Ralf Flohr, Monika Linne, Olaf Siegert

Vom 24. – 26.09.2018 fanden in Graz an der Technischen Universität die 12. Open-Access-Tage unter dem Motto „Vielfalt von Open Access“ statt. Im ersten Teil unseres Konferenzberichts haben wir den Schwerpunkt auf Transformationsstrategien hin zu Open Access und Open Science auf nationaler Ebene gelegt. Im zweiten Teil unseres Berichts geht es vorrangig um die Entwicklung von Open Access im Rahmen einzelner Projekte sowie in einzelnen Fachbereichen.

Open Access in den Geisteswissenschaften

In Session 5 (OA in den Geisteswissenschaften) stellte Anna Severin von der Swiss National Science Foundation & Universität Bern eine Übersichtsstudie zur Wahrnehmung von OA in Geistes- und Sozialwissenschaften vor. Es zeigt sich, dass das Wissen über OA niedriger ausgeprägt ist als in den MINT-Fächern. Bei der Auswahl eines Journals spielt die Verbreitung und damit auch OA eine wichtige Rolle, aber die Reputation bleibt das relevanteste Kriterium. In Bezug auf die Qualität des Peer Review bei OA gibt es weiterhin Vorbehalte. Anschließend präsentierten Lena Dreher und Anja Oberländer von der Universität Konstanz das BMBF-geförderte Projekt OLH-DE (Open Library of Humanities Deutschland).

Dies hat zum Ziel, konsortiale Modelle für die Förderung von Open Access insbesondere in den Geisteswissenschaften im deutschsprachigen Raum bekannter zu machen. Im Vorwege wurden Experten nach relevanten Aspekten beim Umstieg auf OA befragt. Besonders wichtig sind ein professionelles Auftreten, Peer Review und durchaus auch, dass die Zeitschrift bei einem Verlag erscheint. Bei einem Umstieg auf das OLH-Modell signalisieren 33,9% der Befragten „eher schon“ und 33,2% „eher nicht“. Letztere ist die Gruppe, die sich mit Aufklärung überzeugen lässt. Anschließend stellte Maria Aglaia Bianchi von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur einen Ansatz vor, der in den Geschichtswissenschaften die Etablierung eines Fachrepositoriums mit einem wissenschaftlichen Blog verbinden soll: Archivum Medii Aevi Digitale (AMAD): Wenn die Mediävistik auf Open Access trifft. Dabei übernimmt das Repositorium den strukturierenden Speicher, während der wissenschaftliche Blog die Beiträge verbreiten und den Austausch darüber anregen soll.

Preprints und der Wandel der Publikationskultur

In der Session 7 („The Rise of Preprints – Veränderte Publikationskulturen als Unterstützung von Open Access“) ging es um wissenschaftliche Texte, die noch kein Begutachtungsverfahren (Peer Review) durchlaufen haben, in einigen Fachdisziplinen aber dennoch bereits veröffentlicht werden. Diese sogenannten „Preprints“ werden zumeist über fachliche Repositorien verbreitet und sind in der Regel im Open Access zugänglich. Die drei Vorträge der Session beleuchteten die Situation von Preprints in drei verschiedenen Fachdisziplinen. Dabei gab zunächst Alexander Wagner vom Helmholtz-Zentrum DESY in Hamburg einen chronologischen Überblick zur Entwicklung von ArXiv, dem ersten Preprint-Server weltweit, der für die Physik und die Mathematik eine zentrale Rolle einnimmt.

Danach beleuchtete Bernd Pulverer (Chief Editor des Biologie-Journals EMBO) die Rolle von Preprints in der Biologie und insbesondere das schnelle Wachstum des erst 2013 gestarteten Preprint-Servers BiorXiv. Der sehr informative Vortrag arbeitete gut heraus, dass sich die Publikationskultur eines Faches in wenigen Jahren verändern und zum Beispiel Preprints als Teil der Publikationskultur integrieren kann. Im dritten Vortrag der Session stellte Korinna Werner-Schwarz (Institut für Weltwirtschaft, Kiel) das Open-Access-Journal Economics vor, das als einziges Journal in den Wirtschaftswissenschaften über ein Open-Peer-Review-Verfahren verfügt. Dabei spielt die akzeptierte Preprintkultur eine wichtige Rolle, wonach die eingereichten Manuskripte noch vor dem Peer Review als Discussion Papers veröffentlicht werden. Das Beispiel zeigt sehr schön, welche innovativen Publikationsmodelle sich im Sinne einer offenen Wissenschaft auf Basis einer vorhandenen Preprintkultur entwickeln können.

Open-Access-Transformation und ihre Finanzierung

Die Session 15 beschäftigte sich mit Aspekten der Transformation und Finanzierung von Open Access. Jens Lazarus und Ralf Flohr von der ZBW stellten einen Offsetting-Vertrag vor, mit dem für ein Konsortium von 12 Leibniz-Einrichtungen sowohl der Zugang zu einem Zeitschriftenpaket als auch das Publizieren in einer Vielzahl von hybriden Zeitschriften vereinbart wurde. Offsetting-Verträge schließen insbesondere in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine Lücke für das Publizieren im Open Access, da hybride Zeitschriften bislang von der Förderung durch Publikationsfonds ausgeschlossen sind und nur wenige renommierte OA-Gold-Zeitschriften existieren.

Im zweiten Vortrag der Session präsentierte Georg Fessler von der Wirtschaftsuniversität Wien eine Studie des österreichischen Projekts „Austrian Transition to Open Access“, in der Kostenschätzungen und Budgetauswirkungen der OA-Transformation ermittelt wurden. In der Studie wurde das Publikationsaufkommen von Universitäten ermittelt und mögliche Ausbaustufen von Publikationsfonds sowie Szenarien für den Abschluss von konsortialen Offsetting-Verträgen beziehungsweise Big Deals in die Analyse einbezogen. Die Prognose der APC-Kosten erfolgte mit Durchschnittswerten für die verschiedenen Disziplinen. Die Studie bietet eine umfassende Datengrundlage für die Budgetplanung im Rahmen der OA-Transformation in Österreich im Zeitraum von 2019-2021. Die Gesamtplanungen werden derzeit in lokale Berichte für die beteiligten Hochschuleinrichtungen überführt.

Im dritten Vortrag in der Session beschrieb Angela Holzer die aktuelle Situation von Open Access sowie forschungspolitische Erwägungen und strategische Herausforderungen im Zuge der Open-Access-Transformation aus Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Als wesentliche Handlungsfelder der DFG bei der Publikationsförderung benannte Angela Holzer die Bereiche Finanzierung, Monitoring, Evaluation und Policy-Entwicklung. Herausforderungen aus Sicht der DFG für die jeweiligen Handlungsfelder können in rollenbezogene, systematische und strukturelle Aspekte unterteilt und analysiert werden. Die Open-Access-Transformation hat zu einer veränderten Rollenwahrnehmung bei der DFG mit zum Teil neuen Funktionen geführt, wie beispielsweise der Umlenkung von Mitteln statt Zufinanzierung.

Toolmarktplatz und lebhafte Diskussionskultur

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass das Motto der Tagung „Vielfalt von Open Access“ durch die inhaltliche Breite der Vorträge und der in Posterpräsentationen und auf dem sogenannten Toolmarktplatz dargestellten Projekte und Services klar bestätigt wurde. Besonders hervorzuheben ist die lebendige Diskussionskultur der Tagung, die sich sowohl in den Sessions zeigte als auch in den zahlreichen Kommentaren in Twitter widerspiegelte.

Autorinnen, Autoren: Kristin Biesenbender, Wissenschaftliche Redakteurin Wirtschaftsdienst; Doktorandin an der Universität Hamburg im Bereich Soziologie, insbesondere Wissenschaftsforschung | Monika Linne, Deutschland-Referentin der GO-FAIR-Initiative | Olaf Siegert, Leiter der Abteilung Publikationsdienste und Open-Access-Beauftragter der ZBW | Ralf Flohr, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Publikationsdienste und Content Manager von EconStor.
(ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft)

Fehlende deutsche Übersetzung

Next Post