ZBW MediaTalk

Livestreaming, wie wir es vergangene Woche anhand von Diensten wie Periscope und Meerkat vorgestellt haben, birgt einen unbestreitbaren Vorteil: es ist live. Das, was sich da auf dem Bildschirm abspielt, passiert gerade jetzt in diesem Moment. Eine nicht zu unterschätzende Faszination für informationshungrige Nutzer. Aber was ist, wenn dieser unterwegs ist? Wenn er keine Zeit hat, die Netzverbindung streikt oder er den Stream als Mitschnitt sammeln möchte? Dann kommen Podcasts ins Spiel…

Aus der heutigen Perspektive betrachtet, zählen Podcasts bereits zur Ur-Ingredienz des Internets, dabei tauchten die ersten abonnierbaren Mediendateien (Wikipedia) erst vor rund fünfzehn Jahren auf – nicht zuletzt dank Apple und seinem iPod, der per iTunes in ein simples Abonnier-mich-Verfahren eingebettet ist. Es war der Anfang des On-Demand-Siegeszugs: digitale Inhalte konsumieren, wie und wo ich will.

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Seitdem hat sich ein florierendes Ökosystem aus Video- und Audiokanälen gebildet und glaubt man den jüngsten GfK Enigma-Zahlen, nimmt die Zahl der aktiven Zuhörer und -schauer weiterhin zu.

Die Vorreiter der Szene

Im angelsächsischem Raum gehören unternehmens- und institutseigene Podcasts nicht nur zum guten Ton – für viele sind sie eine Selbstverständlichkeit. Universitäten bieten Vorlesungen als audiovisuelle Mitschnitte an, Veranstaltungen werden aufgenommen und besprochen, für Studienanfänger gibt es Audio-Tutorien, sie sie sich einfach auf ihre Geräte ziehen können. Für das US-bibliothekarische Umfeld bietet LibSuccess ein Verzeichnis an, das alle aktuellen Angebote auflistet. Die bekanntesten Beispiele sind etwa die Library of Congress Podcast-Sektion, das Podcast-Verzeichnis der National Library of Australia oder der SoundCloud-Account der British Library, die an dieser Stelle Audioguides, Literaturreports und wissenschaftliche Besprechungen anbietet.

Vor allem in den Vereinigten Staaten, mit seiner sehr lebendigen Bib-Szene, gibt es unzählige Bibliotheken und Bibliotheksangestellte, die ihrer Profession im Netz audiovisuell Ausdruck verleihen. Da wäre zum Beispiel Circulation Ideas, bei dem regelmäßig Gäste aus dem Bereich der Infrastrukturdienstleister interviewt werden. Oder This Week in Libraries, wo sich Bibliotheks-CEOs und -Professoren das Mikro schnappen. Bei T is for Training stehen Fortbildungen und Trends im Mittelpunkt oder das grandiose LibPunk, bei dem die Zuhörer lernen, wie Bibliotheksleute am besten mit der Spezies des EDVlers kommunizieren können. Auch möchten wir Allis und Sams Podcast S.S. Librarianship gerne empfehlen: Die beiden Freunde kennen sich seit der Bibliothekarsausbildung und lieben es bis heute, sich im Studio über ihre Arbeit auszutauschen.

Good old Germany

Wenden wir den Blick nach Deutschland, wirkt die institutionelle Podcaster-Szene ein wenig… nunja… übersichtlicher. Während sich Universitäten und Fachhochschulen wacker schlagen, sieht es bei Bibliotheken eher mau aus. Tatsächlich herrscht hier offenbar selbst bei der Begrifflichkeit Unklarheit, denn nicht selten werden von diesen bereits singuläre Mitschnitte (ein Video oder eine Audiodatei) gerne als “Podcast” deklariert, was das Zurechtfinden für die Nutzer erschweren kann.

Wir haben uns auf die Suche nach wirklich nennenswerten Beispielen gemacht und sind tatsächlich fündig geworden:

  • Der Podcast ZugehOERt gibt Bibliotheken einige Tipps, wie sie sich der Idee der Open Educational Resources (OER) annähern können.
  • Die Stadtbibliothek Stuttgart bietet regelmäßig Mitschnitte von In-House-Veranstaltungen an.
  • Ebenso lobenswert – wie kaum verwunderlich: Die Deutsche Zentralbibliothek für Blinde (DZB) bereitet für die Nutzer ihre Inhalte in Form eines regelmäßigen Podcasts zum Anhören auf: “Lesen mit anderen Sinnen” – ein geniales Motto!
  • Bei der Deutschen Nationalbibliothek findet man RDA-Schulungsmaterial in Form abonnierbarer Audio-Files.

[Weitere Vorschläge nehmen wir in den Kommentaren gerne entgegen]

Sollen wir podcasten?

Gute Frage! Die Antwort hängt von zwei Faktoren ab: Haben Sie etwas zu erzählen und wer könnte zuhören? Vor allem öffentliche Bibliotheken könnten mit eigenen Formaten punkten. Warum nicht Neuzugänge im kurzen, öffentlichen Gespräch diskutieren? Warum nicht gelungene Veranstaltungsabende, wie Lesungen oder Konzerte, für alle Zeiten konservieren? Warum nicht Lesetipps für die Urlaubs-, Fußball- oder Weihnachtssaison als Audiobeitrag zusammenstellen?

Grafik-im-Text-1024x546Bevor man sich an die Arbeit macht (und, ja: ein Podcast macht durchaus ein wenig Arbeit) sollte zudem geklärt sein, ob man die Kapazitäten für ein regelmäßiges Format reservieren kann. Dabei ist es zweitrangig, ob der Podcast wöchentlich oder monatlich erscheint – die Verlässlichkeit ist entscheidend!

Bevor es dann richtig ans Eingemachte geht, empfiehlt es sich, sich zunächst ausreichend mit Abos einzudecken und lauschend und sehend die etablierten Formate zu verfolgen. Man merkt schnell, was funktioniert und was nicht. Was in der Länge einen Hänger hat und an welchen Stellen die Aufnahmetechnik versagt hat.

Der tatsächliche finanzielle Aufwand einer Produktion ist hingegen überschaubar, zumal man zunächst mit einer reinen Audioreihe beginnen kann. Benötigt wird dazu ein Mikro (alles über 30 Euro ist geeignet) sowie ein Audioschnittprogramm, das sich im Netz an jeder Ecke als Open Source-Variante finden lässt. Wie genau man von hier verfährt, lässt sich ebenfalls online nachlesen. Eine erste Anleitung (PDF) für die Erstellung findet man dank Christian Spließ beim Berufsverband Information Bibliothek (BiB). Weitere gute und anfängergeeignete Dokumentation finden sich bei Podcast.de und WikiHow.

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