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Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler tauschen Publikationen über ResearchGate und Mendeley oder bitten über Twitter um zugangsbeschränkte PDFs. Ihr Wunsch: Eine schnelle und unkomplizierte Lieferung von Publikationen. Bibliotheken sind gefordert: Wie können sie möglichst schnell und einfach liefern?

Dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untereinander Publikationen tauschen, hat es wohl schon immer gegeben. Was früher über persönliche Kontakte, telefonisch oder per E-Mail angebahnt wurde, ist heute durch soziale Netzwerke einfacher und damit in einem größeren Stile anwendbar geworden. Publikationen können über spezielle Wissenschaftsplattformen wie ResearchGate oder Mendeley getauscht werden. Oder über Twitter.

PDF-Sharing über Twitter: Symptom für Nutzerwünsche

Der Microblogging-Dienst ist zwar kein spezielles S2.0-Tool, wird aber von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf vielfältige Weise für ihre Arbeit eingesetzt. Etwa, um darüber direkt Zugang zu Publikationen zu bekommen, an die sie sonst nicht so einfach herankommen würden, da sie hinter Paywalls liegen beziehungsweise bei ihrer Bibliothek ausschließlich per Fernleihe bezogen werden könnten. Dafür werden einfach Tweets mit dem Hashtag #icanhazPDF abgesetzt. In einem englischsprachigen Aufsatz (PDF) vom März 2015 gibt es hierzu eine kleine Analyse. Auch wenn Twitter nicht speziell dafür konzipiert ist, macht es in dieser Handhabung den Bibliotheken Konkurrenz.



Ähnlich wie das Peer-to-Peer Sharing vorbei an der Musikindustrie, kann dies mit dem Urheberrecht kollidieren und umgeht zugleich die Fernleihe von Bibliotheken. Bibliotheken sollten #icanhazPDF als Wettbewerber betrachten und das Phänomen nicht ignorieren. Wenn Nutzerinnen und Nutzer diesen Weg wählen, zeigen sie, dass sie eine schnelle und unkomplizierte Lieferung wünschen. Da Bibliotheken sich an das Urheberrecht halten müssen, sind sie hier im Nachteil. Einerseits sollten sie Open Access und fairere Verlagsmodelle nach Möglichkeit fördern und aushandeln. Andererseits könnten sie überlegen, ob es weitere Optionen gibt. Könnten zum Beispiel neue Logistik-Lösungen den eigenen Ausleih-Service beschleunigen?

Alternative Anlieferorte

Eine zuverlässige Zustellung bei Abwesenheit verkürzt den Zeitraum, bis das Bestellte verfügbar ist. Zu den bereits seit längerem in Betrieb befindlichen DHL-Paketboxen gesellen sich nun mehr Paketkästen in Mehrfamilienhäusern oder Paketkästen, die sich jede Person in den Vorgarten stellen kann. Sie sollen den Empfang von Paketen in Zukunft so einfach machen wie den von Briefen.

Auch die Kofferraumzulieferung soll zukünftig verstärkt Anwendung finden. In Deutschland testen dies DHL mit Amazon und Audi  sowie Hermes gemeinsam mit BMW.

Produktions- und Versandzeitpunkt neu denken

Wer sagt, dass Waren vor ihrer Auslieferung fertig sein müssen oder dass nur bestellte Waren losgeschickt werden dürfen?

Print-on-demand einmal neu gedacht bedeutet: Fahrende 3D-Drucker, die Waren während der Auslieferung auf LKWs produzieren, sind in Zukunft vorstellbar sobald die Technologie so ausgereift ist, dass sie mit den Erschütterungen bei der Fahrt zurechtkommt. Amazon hat sich dies bereits patentieren lassen.

Erst die Ware losschicken, dann erfolgt schon noch die Bestellung. Auf diesem Motto fußt das Anticipatory Shipping: Ohne konkrete Bestellung werden Waren auf LKW verladen und in die Region gestellt, in der sie vermutlich bald benötigt werden. Eine Art fahrendes Lager also. Auch hier ist Amazon wieder einmal treibende Kraft. Big Data-Auswertungen machen es möglich. Eine Analyse des bisherigen Kauf- und des Klickverhaltens könnte es Amazon tatsächlich ermöglichen, Waren passgenau noch vor der Bestellung zu versenden.

Pipeline

In der Luft und unter der Erde: Drohnen & Pipelines

Die Amazon Prime Air-Drohne soll eine Belieferung innerhalb von maximal 30 Minuten gewährleisten. DHL experimentiert im Rahmen seines Paketkopter-Projekts ebenfalls mit dem Einsatz von Drohnen. Bis ein breiter Einsatz möglich ist, sind noch einige Herausforderungen zu klären: Wie kann die Batterietechnik weiterentwickelt werden? Verlagert sich der Stau von der Straße in den Himmel? Wie steht es mit der Luftsicherheit?

Angesichts dessen könnten unterirdische Paket-Pipelines eine interessante Alternative darstellen. Mit diesen experimentiert die Firma Mole Solutions in Großbritannien.

Social Delivery in der Shareconomy-Logistik

Warum nicht die Prinzipien der Shareconomy auf die Auslieferungslogistik übertragen?

Und auch hier mischt Amazon wieder mit: On My Way heißt die App, an der der Online-Handel- und Logistik-Riese arbeitet. Dabei sollen auch lokale Händler eingebunden werden.

Nimber ist eine Shareconomy-Logistik-Plattform, die Personen, die etwas versenden möchten, mit solchen zusammenbringt, die sowieso den gleichen Reiseweg haben und daher etwas mitnehmen könnten. Der Social Delivery Service möchte damit auch einen Beitrag zur Verringerung der Umweltverschmutzung liefern. Ähnliche Matching Services bieten Stuff2Send, My Ways sowie CheckRobin.com, das sich als „erste Mitfahrgelegenheit für Pakete“ bezeichnet.

Logistik-Innovationen: Mehr als eine Anregung für Bibliotheken?

Die genannten Beispiele zeigen nur einen Ausschnitt interessanter Innovationen der Logistik-Branche auf. Der Trendradar von DHL enthält weitere interessante Beispiele, die die Logistik-Branche revolutionieren könnten. Welche Umwälzungen könnten etwa Roboter, Indoor-Positioning-Systeme und Internet of Things mittelfristig bedeuten?

Einige von den genannten Innovationen sind bereits im Einsatz, vieles ist derzeit aber noch Grundlagenforschung. Dennoch ist eine Beschäftigung damit für Bibliotheken sinnvoll: Vielleicht kann manches dazu beitragen, die eigene Auslieferung zu beschleunigen. Sich inspirieren lassen und am Puls der Zeit zu bleiben, zahlt sich aus. Denn selbst, wenn sich nicht alle Logistik-Innovationen unmittelbar für den Einsatz eignen, so zeigen sie zumindest auf, in welche Richtung es geht und gehen könnte. Und dies wirkt sich auch auf die Erwartungen aus, mit denen Nutzerinnen und Nutzer Bibliotheken gegenübertreten.

Weiterführende Informationen:

Lommer, Ingrid; Begegnung der dritten Art (S. 8 ff.) in Internet World Business 12/15 (PDF)

Logistik-Trendforschung von DHL

 

Autorin: Birgit Fingerle (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Stabsstelle Innovationsmanagement)

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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