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Überall im Netz liest man von „Social Streaming“ und “Vertical Viewing”. Apps wie Periscope, Meerkat und YouNow boomen. Gibt es auch spannende Anwendungsbereiche des Live-Streamings für Bibliotheken?

Live Streaming-Apps wie Periscope, Meerkat oder YouNow sind kostenlos, können einfach im jeweiligen App-Store runtergeladen werden und lassen sich für verschiedenste Anwendungsszenarien einsetzen. Sie erfreuen sich großer Beliebtheit – gerade unter jungen Nutzerinnen und Nutzern – und haben das Potential, diese stärker an Unternehmen oder Produkte zu binden.

Was ist “Vertical Viewing”?

Der Begriff “Vertical Viewing” leitet sich ab von der Smartphone- beziehungsweise Display-Nutzung. Wohl auch dank mittlerweile leistungsstarker Smartphones macht Vertical Viewing 2015 bereits 30% der Medien-Nutzung aus.

Beim Social Streaming werden Video-Liveübertragungen per Smartphone durchgeführt. Im Prinzip funktioniert dies wie eine kleine Fernsehstation, nur dass die Zuschauer während des „Vertical Viewing“ interagieren können, indem sie live chatten und den Stream liken und teilen können. Je kommunikativer ein Stream, desto spannender ist er für die Zuschauerinnen und dabei darf man die Nachfolgeeffekte in anderen Netzwerken nicht unterschätzen.

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Was benötigt man dafür?

Nicht viel: nur ein Smartphone, die entsprechende App und eine gute Internetverbindung. Und das wichtigste natürlich: ein Konzept!
Es gibt wahrscheinlich nichts Langweiligeres, als sich den Inhalt eines fremden Kühlschranks zeigen zu lassen. Bei Periscope ein richtiges Meme: Wenn man auf den Streaming-Plattformen nichts zu zeigen hat, dann macht man seinen Kühlschrank auf und zeigt den Inhalt. Eine gute Vorbereitung ist also das A & O.

Doch welche App sollte man einsetzen? Nachfolgend geht es um die drei wichtigsten Apps:

Periscope

Periscope, der neue Live Streaming-Dienst aus dem Hause Twitter, hat bereits eine Million registrierte Nutzer. Einen aktuellen Stand möchte Twitter allerdings nicht kommunizieren. Periscope wird von Twitter gehyped und hat einen eher journalistischen Fokus.

Sie ist die wohl erwachsenste App der Streaming Dienste. Das Design ist geradlinig aufgebaut und lädt in gefälligem Blau/Grau zum Benutzen ein. Im Gegensatz zu Meerkat und YouNow wirkt die App sehr übersichtlich und klar. Die Anmeldung ist kinderleicht. Jede Person mit einem Twitter-Account kann mitmachen, selber streamen oder zuschauen.

Es wird angezeigt, wer von den eigenen Twitter-Followern “live” ist (Fernseher-Symbol) oder wer gerade global online ist und live streamt (Weltkugel-Symbol). Es gibt auch gesponserte User. Diese werden als “featured” angezeigt. Die teilnehmenden Zuschauer und Zuschauerinnen eines Streams werden rechts eingeblendet, links befindet sich der Chatverlauf.

Wer zuschaut kann einem Livestream durch das Verteilen von Herzchen Anerkennung zollen. Im Chat kann man sich am Stream aktiv beteiligen und somit das Geschehen unter Umständen sogar mitgestalten. Ähnlich wie bei Twitter können Nutzer bei Periscope ebenfalls Usern folgen und erhalten Benachrichtigungen über neue geteilte Inhalte.

Periscope hat eine besondere Einstellung, die es beispielsweise von Meerkat unterscheidet: es gibt die Option, zwischen dem „Private“- und dem „Public“-Modus zu wählen. Wenn man nur einer bestimmten Person etwas streamt, dann wählt man diese aus und nur sie sieht dann das Video. Im „Public“-Modus lässt sich zusätzlich bestimmen, ob der Stream bei Twitter gepostet werden soll, ob nur die eigene Community den Stream verfolgen kann oder ob via Ortungsdienst auch unbekannte Leute aus der eigenen Umgebung den Stream sehen dürfen.

Meerkat

Meerkat wurde am 27. Februar 2015 von einem 10-köpfigen Start-Up veröffentlicht und hat mittlerweile eine halbe Million registrierte Nutzerinnen und Nutzer.

Auch Meerkat lässt sich nur mit einem Twitter-Account betreiben. Zur Aktivierung ist eine Registrierungs-Nummer erforderlich, die man durch Angabe einer Telefonnummer erhält. Der Bildschirm erstrahlt in Gelb und Schwarz und wirkt beim Benutzen der App etwas überfüllt. Zuschauerinnen und Zuschauer können live kommentieren, neue Kommentare tauchen laufend im Chat auf.

Des weiteren werden Twitter-Follower-Zahlen, die aktuellen Zuschauer, Kontaktdaten und das Stream-Thema eingeblendet. Dazu gibt es den „Home“-Button, um den Stream zu verlassen, ein Herz, um den Stream zu liken und einen Restream-Button, um den Stream neu zu starten. Die 100 aktivsten Streamer werden auf dem sogenannten Leaderboard angezeigt. Die Anzahl der Twitter-Follower, die sich mit Meerkat verbunden haben, werden in Scores gemessen.

YouNow

Die Plattform YouNow existiert bereits seit 2011 in den USA; in Deutschland seit 2014. Ursprünglich war YouNow dafür gedacht, YouTube-Künstlern und -Künstlerinnen eine Plattform zu bieten, auf der sie live Konzerte zeigen und gleichzeitig mit den Followern interagieren können.
YouNow wird, weil es einfach zu bedienen ist, überwiegend von Kindern und Jugendlichen benutzt, mit den entsprechenden verbundenen Gefahren.

Blogpost_Periscope-YouNow

Was ist beim Live-Streaming zu beachten?

Wichtig für erfolgreiches Live-Streaming sind relevante und authentische Inhalte.
Eine gute Strategie könnte wie folgt aussehen:

→ 1. Schritt: Sich andere Streams anschauen und sich inspirieren lassen: Was läuft gut, wo gibt es viele Interaktionen und was kommt besonders gut an? Es gibt immer einen Stream, von dem man sich etwas abgucken kann. Wenn man sich einen Stream anschaut, sollte man aktiv mitmachen, Fragen stellen und den Stream (wenn es angemessen ist) auch liken.
Durch Interaktion wird zudem Aufmerksamkeit für den eigenen Account erreicht, weil er im Chat gelesen und gesehen wird.

→ 2. Schritt: Das Format ist zu berücksichtigen: Es wird immer im Hochformat gestreamt, da sonst der Platz für Chat-Nachrichten fehlen würde.

→ 3. Schritt: Einen Zeitplan und einen Redaktionsplan festlegen: Wann wird was gestreamt und thematisiert?
Bei der Planung der Inhalte sind auch rechtliche Aspekte zu berücksichtigen. Urheberrechte – etwa bei der Verwendung von Musik oder dem Abfilmen von Filmen – und Persönlichkeitsrechte sind hier die wesentlichen Punkte, die es zu nennen gilt.

→ 4. Schritt: Für mehr Reichweite sollte der Stream mindestens einen Tag vorher in den Sozialen Netzwerken bekannt gemacht werden und gegebenenfalls beworben werden.

Generell ist zu beachten: Startet man den eigenen Live-Stream, ist es von Vorteil, eine Person zu haben, die gerne mit anderen Menschen interagiert und gut frei sprechen kann. Es kommt auch auf Spontanität an: je souveräner man auf Fragen oder Wünsche des Live-Publikums eingeht, umso hochwertiger wird ein Stream.

Dabei darf man ruhig seinen eigenen Stil entwickeln und eine Art Wiedererkennungswert aufbauen. Ein Live-Stream darf gerne ein paar Minuten dauern, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten und ist somit eher ungeeignet für mehrstündige Übertragungen.

Da es nach dem Live-Streaming keine Nachbereitung gibt, ist die Arbeit damit im Prinzip getan. Die Möglichkeit der Archivierung gibt es nicht oder nur bedingt. Nur Periscope lässt das Video 24 Stunden nach dem Streamen abrufbar. Danach steht es auch hier nicht mehr zur Verfügung.

Allerdings sollte man aus dem letzten Stream die Anregungen und Wünsche der Zuschauerinnen und Zuschauer mitnehmen und so gut es geht im nächsten Stream umsetzen. Eine Feedback-Runde wäre eine Möglichkeit, den eigenen Stream immer besser zu machen. Damit zeigt man der Community, dass man relevanten Content aufbaut.

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Was könnten Bibliotheken streamen?

Bibliotheken könnten beispielsweise von Veranstaltungen streamen und so die Reichweite der Veranstaltungsinhalte erhöhen oder Live-Interviews zu bestimmten Themen mit den entsprechenden Fachleuten zeigen. Live-Events mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Durchführung von Schulungen oder Arbeitsplatz-Vorstellungen (Was macht eigentlich ein Programmierer in einer Bibliothek?) könnten dazu beitragen, einen Blick hinter die Kulissen zu geben und den Blick auf Bibliotheken persönlicher zu gestalten.

Der klassische Haus-Rundgang, eine Schreibtisch-Tour oder ein „Follow me around“ am jeweiligen Standort dürfte für neue oder überregionale Nutzerinnen und Nutzer interessant sein. Ein kurzes Wetter-Update vor Ort kann etwas Auflockerung in den Alltag bringen. Spannend könnten auch kurze Live-Schaltungen in Abteilungen sein, wo etwas „fürs Auge“ passiert: zm Beispiel gewährt man in der hauseigenen Buchbinderei einen kurzen Einblick in die Handwerkskunst des Bücherbindens.

Nutzt man eine Social Streaming-App als Feedback-Kanal, ermöglicht man den Zuschauern, ihre Meinung zur Bibliothek und deren Angeboten äußern. So lassen sich die Apps durchaus auch im Kundenservice und für Innovationszwecke einsetzen.
Also einfach loslegen und vielleicht die erste Bibliothek sein, die mit einem Live-Stream durchstartet!

Autorinnen: Birte Sindt (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Buchbinderei), Birgit Fingerle (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Stabsstelle Innovationsmanagement)

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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