24/7-Öffnung von Universitätsbibliotheken: Neue Flexibilität für konzentriertes Arbeiten beschert Rekordstart

im Interview mit Elena Stöhr und Jessica Ullmann (Universitätsbibliotheken der TU Berlin und der UdK Berlin)

Seit Mai 2025 sind die Universitätsbibliotheken der TU Berlin und der UdK Berlin am gemeinsamen Standort rund um die Uhr geöffnet. Den Studierenden aller Berliner Hochschulen stehen im sechsstöckigen Bibliotheksgebäude über 1.200 Arbeitsplätze sowie die Bestände beider Universitäten zur Verfügung. Sie decken alle Fachrichtungen von Natur- und Ingenieurwissenschaften über Geistes- und Sozialwissenschaften bis zu den Künsten ab. Elena Stöhr, Leitung Öffentlichkeitsarbeit, und Jessica Ullmann, Stabsstelle Innovationsmanagement und Kund:innenmonitoring, von der Universitätsbibliothek der TU Berlin berichten über die Einführung der neuen Öffnungszeiten und die Erfahrungen der ersten Monate.

Was hat den Anstoß gegeben, die 24/7-Öffnung in diesem Jahr umzusetzen?

Der Anstoß für die Einführung der 24/7-Öffnung der Universitätsbibliotheken der TU und UdK Berlin kam direkt von unseren Nutzer:innen. Über verschiedene Umfragen und Feedback-Kanäle haben wir immer wieder den Wunsch nach erweiterten Öffnungszeiten erhalten – besonders für die frühen Morgenstunden und den Sonntag. Dieses deutliche Interesse hat uns gezeigt, dass ein kontinuierlich zugängliches Angebot einen realen Bedarf deckt. Dank der Förderung durch die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege konnten wir diesen Wunsch im Rahmen eines Modellprojekts umsetzen und erproben, wie ein 24/7-Betrieb in der Praxis funktioniert.

Welche Themen mussten alle adressiert werden, um die 24/7-Öffnung zu organisieren? Wie wurde dieser Prozess gestaltet?

Die Einführung der 24/7-Öffnung war ein Großprojekt. Auch wenn die Universitätsbibliotheken der TU und UdK Berlin am gemeinsamen Standort vorher von Montag bis Samstag bereits bis Mitternacht geöffnet waren, mussten für den durchgehenden Betrieb viele zusätzliche Punkte geklärt werden – besonders für die Nachtstunden und den Sonntag, wenn kein Bibliothekspersonal vor Ort ist.

Zentral war die Frage des sicheren Zugangs: Wer darf wann ins Gebäude, und wie stellen wir sicher, dass sich nur registrierte Nutzer:innen in der Bibliothek aufhalten? Dazu kamen viele praktische Themen – von der Betreuung durch den Sicherheitsdienst über Notfall-Abläufe bis hin zu Schließfächern, Snack- und Getränke-Automaten, Reinigung und Beleuchtung. Selbst Alltägliches wie das Aufräumen am Morgen oder das Nachfüllen von Papier in den Kopiergeräten musste neu organisiert werden.

Wir haben den Prozess in enger Abstimmung mit allen beteiligten Bereichen gestaltet – von der Sicherheitsfirma über die Reinigungsteams bis hin zur IT und unseren Kolleg:innen von der Bibliothek der UdK Berlin, mit denen wir das Haus gemeinsam betreiben. Vieles wurde in Testläufen ausprobiert, angepasst und dokumentiert, sodass Schritt für Schritt eine Struktur entstand, die nachts und am Sonntag ohne Bibliothekspersonal zuverlässig funktioniert.

Inwiefern mussten Teile des Services oder der Infrastruktur vor der Umsetzung der 24/7-Öffnung digitalisiert bzw. automatisiert werden?

Zwischen 22 Uhr und 8 Uhr können alle Personen mit einem gültigen Bibliotheksausweis der TU oder UdK Berlin die Bibliothek nutzen. Im Foyer beim Sicherheitsdienst wird der Ausweis an einer Station gescannt. Das System prüft automatisch, dass der Ausweis gültig und nicht gesperrt ist. Das System haben wir selbst programmiert und genau auf unsere Abläufe abgestimmt (demnächst soll der Code zur Nachnutzung auf GitHub veröffentlicht werden). Ausleihe und Rückgabe waren bereits zuvor über Automaten möglich.

Welche Hürden gab es?

Nicht alles lief von Anfang an reibungslos. Eine der größten Herausforderungen war es, alle Abläufe so anzupassen, dass sie auch ohne Bibliothekspersonal funktionieren – vom Zugang über die Sicherheit bis hin zur Reinigung. Besonders das neue Reinigungskonzept für die Nächte und Sonntage musste rechtzeitig stehen.

Zudem galt es viele kleine, aber entscheidende Details zu klären: Wie funktioniert der Nachtzugang? Wie gehen wir mit der Nutzung der Schließfächer um? Zu welchen Zeiten werden die Arbeitsplätze kontrolliert? Wer reagiert bei technischen Störungen? Hinzu kam, dass im Haus ansässige Café als externer Betreiber nun ebenfalls sonntags öffnet – auch dies erforderte eine Abstimmung und Anpassung der Abläufe.

Welche Erkenntnisse habt ihr gewonnen, die für andere Bibliotheken hilfreich sein könnten?

Eine der wichtigsten Erkenntnisse ist, dass gerade für wissenschaftliche Bibliotheken die Sonntagsöffnung ein riesiges Potenzial hat. Viele Studierende nutzen diese Zeiten intensiv – die Bibliothek ist am Wochenende oft voller als an Wochentagen. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass längere Aufenthaltszeiten neue Herausforderungen mit sich bringen, zum Beispiel beim Thema Sauberkeit. Nachts und sonntags gibt es in der Umgebung kaum Essensangebote, sodass mehr Verpflegung mitgebracht wird – und damit auch mehr Müll entsteht.

Besonders spannend war die enorme Nachfrage nach Bibliotheksausweisen: Zwischen Mai und Juli wurden über 4.000 neue Ausweise ausgestellt – ein Anstieg um mehr als 500 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Anfangs war das eine große logistische Herausforderung, denn jeder Ausweis musste freigeschaltet, geprüft und korrekt zugeordnet werden. Mittlerweile werden die Daten der Nutzer:innen automatisch vom Antragsformular auf unserer Website in das Bibliothekssystem eingespielt, was viel Zeit spart und den Prozess deutlich vereinfacht.

Erweiterte Öffnungszeiten können für Bibliotheken ein echter Gewinn sein – wenn sie gut geplant, technisch umgesetzt und organisatorisch begleitet werden.

Welche Erfahrungen habt ihr bislang mit der 24/7-Öffnung gemacht? Welches Feedback gab es?

Die Erfahrungen mit der 24/7-Öffnung sind durchweg positiv. Besonders Studierende schätzen die neue Flexibilität – viele erzählen uns, dass sie endlich dann kommen können, wenn sie wirklich konzentriert arbeiten möchten – egal ob frühmorgens oder mitten in der Nacht.

Das zeigen auch die Zahlen: Seit Mai verzeichnen wir so viele Besuche wie noch nie. An einzelnen Tagen waren es mehr als 6.000. Der Juli 2025 war mit fast 37Prozent mehr Besucher:innen als im Vorjahr der bislang stärkste Monat in der Bibliotheksgeschichte.

Unsere Fragen wurden von Elena Stöhr und Jessica Ullmann beantwortet.

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Über die Autorinnen:

Jessica Ullmann verantwortet an der Universitätsbibliothek der TU Berlin das Innovationsmanagement und Kund:innenmonitoring. Sie ist außerdem stellvertretende Benutzungsleitung und leitet kommissarisch das Team „Lernen und User Experience“.
Porträt: UB TU Berlin, Benjamin Mossop©

Elena Stöhr leitet an der Universitätsbibliothek der TU Berlin das Querschnittsreferat Öffentlichkeitsarbeit.
Porträt: UB TU Berlin, Christina Giakoumelou©

Innenansicht Bibliothek: UB TU Berlin©

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