Open Science als Wicked Problem: Wie Bibliotheken die Transformation beschleunigen können

von Birgit Fingerle

Mitte November veröffentlichte innOsci – das vor zwei Jahren gegründete Forum für offene Innovationskultur im Stifterverband – das Werkheft „Die Öffnung der Wissenschaft / Werkheft zur Gestaltung der Transformation“ (PDF).

Öffnung von Wissenschaft als Wicked Problem

Die Öffnung von Wissenschaft wird im Werkheft als Wicked Problem beschrieben, also als eine sehr komplexe Problemlage. Charakteristisch für diese ist, dass sie die Fähigkeit einer einzelnen Organisation, sie zu verstehen und darauf zu reagieren, übersteigen und oft Uneinigkeit über die Ursachen der Probleme und den besten Weg, sie zu lösen, besteht. Schließlich kann keine Hochschule allein einen Systemwechsel hin zu Open Science erreichen. Vielmehr ist Zusammenarbeit über Organisations- und Branchengrenzen hinweg erforderlich, um das Ziel zu erreichen. Das Konzept der Wicked Problems bietet wichtige Ansatzpunkte für ein besseres Verständnis der Herausforderungen und eine Gestaltung von Lösungsoptionen. Damit Wicked Problems gelöst werden können, sind Verhaltensänderungen von Menschen wichtig, insbesondere da offene Ansätze gewohnte Arbeitspraktiken und -kulturen hinterfragen.

Innovator:innen im Wissenschaftssystem unterstützen

Für das Werkheft wurden mit einer Reihe von Personen aus dem Wissenschaftssystem Interviews geführt. Aus deren Perspektiven wurden vier Personas mit ihren jeweils wahrgenommenen Hürden und Unterstützungswünschen in Bezug auf Open Science abgeleitet, etwa die einer:eines Open-Science-Beauftragten.

Das Werkheft listet eine Vielfalt an kleinen und großen Schritten auf, mit denen Open Science auf allen Ebenen gefördert werden kann. Zu den Schritten, die Forschende unterstützen, die als Innovator:innen im Wissenschaftssystem Open Science praktizieren wollen, gehören:

  1. Die Schaffung von Anreiz- und Unterstützungsstrukturen für Open Practices, wozu insbesondere Finanzierungsmöglichkeiten und Supportstellen gehören;
  2. Verpflichtung zur Veröffentlichung von Forschungsdaten und Methoden;
  3. Open-Practice-Expertise und gesellschaftlichen Impact der Forschung bei Berufungsverfahren berücksichtigen;
  4. Open-Science-Weiterbildungs- und Qualifikationsangebote.

Anreiz- und Unterstützungsstrukturen für Open Practices schaffen

Zur Schaffung von Anreiz- und Unterstützungsstrukturen für Open Practices können Bibliotheken insbesondere beitragen, indem sie Supportstellen einrichten oder auf Unterstützungsmöglichkeiten durch andere Organisationen verweisen. Dazu gehören beispielsweise die an vielen Bibliotheken bereits etablierten Open-Access-Beauftragten oder die Einrichtung von Helpdesks sowie Online-Informationsangeboten und –Austauschforen.

Wenn sie selbst keine entsprechenden Angebote haben, so können Bibliotheken zumindest auf die Angebote anderer verweisen. Beispiele für entsprechende Online-Informationsangebote sind das open-access.network, forschungsdaten.info oder der Open Economics Guide der ZBW. Supportstellen für Open Science und Open Access sind im Open Economics Guide aufgelistet.

Open-Science-Weiterbildungs- und Qualifikationsangebote

Analog dazu können Bibliotheken einerseits selbst Trainingsmöglichkeiten für Open Science anbieten und andererseits auf Trainingsmöglichkeiten anderer verweisen. Die möglichen Trainingsformate sind vielfältig. Sie reichen von Vor-Ort-Schulungen und MOOCs über „Challenges“, wie etwa die Open Education Challenge Series, und E-Mail-Kurse bis zu Open Science Coffee Lectures, die beispielsweise von der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn und dem Hochschulrechenzentrum angeboten werden.

Im Open Economics Guide sind vielfältige Trainingsmöglichkeiten für Open Science, Open Access beziehungsweise Open Data aufgeführt.

Bei sich selbst beginnen: eine kollaborative Arbeitskultur fördern

Eine Reihe der Maßnahmen im Werkheft dient dem „Räume öffnen und Austausch fördern“. Bei sich selbst zu beginnen, wenn man andere von Vorteilen überzeugen möchte, ist auch in Bezug auf offene Arbeitspraktiken sinnvoll. Bibliotheken sollten daher selbst eine kollaborative Arbeitskultur (vor-)leben, wenn sie Forschende von deren Vorteilen überzeugen wollen. Die oft vorhandenen Silos, aus denen viele Beschäftigte in Wissenschaft und Verwaltung eh raus wollen, die Informationsflüssen, Kreativität und Innovation im Wege stehen, werden so aufgelöst und viele Beschäftigte würden eine kollaborative Arbeitskultur genießen. Entsprechende Maßnahmen beginnen oft im Kleinen, etwa mit Zufallsbegegnungen über Teeküchen, Sofa-Ecken und eine erleichterte Schreibtisch-Rotation. Kollaborative Software und Working Out Loud Circles können Austausch und Zusammenarbeit fördern, ebenso wie innovative Veranstaltungsformate wie Open-Space-Konferenzen, Barcamps, Hackathons und Lunch Talks oder die Anwendung von kreativitäts- und innovationsfördernden Arbeitsmethoden, zu denen Design Thinking, Business Model Canvas oder Crowdsourcing gehören.

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Über die Autorin:

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem “Open Economics Guide”.
Porträt, Fotograf: Northerncards©

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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