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Booksharing, Carsharing, Mitfahrzentralen, Mitwohnzentralen, Kleidertauschzirkel, Spielzeugtauschkreisel oder das Teilen überzähliger Lebensmittel: die Shareconomy scheint zu boomen. Warum aber werden Bibliotheken in diesem Zusammenhang selten genannt? Und welche Rolle könnte der „Sharing“-Trend für Bibliotheken spielen?

Zum Teil aus finanzieller Not getrieben, zum Teil durch den Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und einem anderen Wirtschaftssystem geprägt; Shareconomy bezeichnet den gesellschaftlichen Trend, Gegenstände zu teilen bzw. auszuleihen, im weiteren Sinne auch das Verschenken oder Verkaufen gebrauchter Gegenstände. Dank Web 2.0-Technologien ist diese „Collaborative Consumption“, der gemeinsame Konsum, heute relativ einfach auch überregional möglich. So findet oft auch das ausgefallenste Kleidungsstück oder das Buch zu einem Nischenthema einen neuen Abnehmer. Ein Merkmal der Shareconomy ist die dezentrale Organisation zwischen individuellen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, allerdings in der Regel organisiert über mehr oder minder zentrale Plattformen. Die gemeinsame Nutzung von Gegenständen trifft angesichts eines von Social Media, Communities, Online Collaboration, Crowdsourcing und Open Innovation geprägten Zeitgeistes auf fruchtbaren Boden in der Shareconomy.

Chance und Risiko für Bibliotheken

In der Medienberichterstattung wird das Thema „Shareconomy“ immer mal wieder aufgegriffen. Dabei fällt auf, dass Bibliotheken nur selten auftauchen, wohl aber privat(-wirtschaftlich) betriebene Web-Plattformen zum Teilen von Büchern, CDs und DVDs beschrieben werden. „Dass Bibliotheken ein Teil der Shareconomy sind, sei im öffentlichen Bewusstsein jedoch eher rudimentär präsent“, heißt es im Themendienst 15 „Geteilte Freud“. Dabei scheint das Trendthema für Bibliotheken wie geschaffen zu sein, spiegelt es doch teilweise wider, was Bibliotheken ohnehin schon lange verkörpern. Werden Bibliotheken nicht als Teil der Shareconomy gesehen, so beinhaltet dies ein Gefahrenpotential.

In dem Wikipedia-Eintrag zum Thema Booksharing ist zu lesen: „Booksharing wird neu definiert als erweiterter Bibliotheksbegriff und als Nachfolgemodell der flächendeckend sterbenden Kultur der Stadtbibliotheken in Deutschland.Vor allem in ländlichen Regionen bilden Booksharing-Plattformen wie Bookelo eine neue Mischform aus digitaler Bibliothek und privat organisierten realen Leihbüchereien auf Zeit als soziale Netzwerke. Damit steht Bookelo neben Anbietern für Tausch und Verschenken sowie Auswildern von Büchern als innovative Leihbücherei für einen zweiten eigenständigen Weg im Booksharing.“ Auch wenn dieser Beitrag ganz offenbar nicht neutral formuliert wurde, so stößt er doch eine beunruhigende Frage an: Könnte der Sharing-Trend dazu beitragen, dass Bibliotheken überflüssig werden?

Hier spielt die Musik – ohne Bibliotheken

Beispiele für Booksharing-Plattformen abseits von Bibliotheken gibt es zu Hauf:

Bookelo: Ein kostenloses Netzwerk zum Tauschen, Verleihen und Verschenken von Büchern. „Bookelo ist für mich die Bibliothek 3.0.“ schreibt eine Kundin dort.

Tauschothek: Kostenlose Tausch- und Verkaufsbörse für gebrauchte Bücher, Filme, Musik-CDs / -Vinyls und Videospiele.

LeihEinBuch: Eine Online-Plattform, die sich als „Online Bücherei“ bezeichnet.

Bookmooch: Kostenloser Buchtausch auf Basis eines Punktesystems.

Besteht die Gefahr, dass eines Tages behauptet wird, Bibliotheken würden nicht mehr gebraucht werden, weil der Tausch von Büchern und anderen Medien dezentral, an ihnen vorbei, geschieht? Oder könnte der Sharing-Trend andererseits dazu beitragen, Bibliotheken mehr in den Mittelpunkt des Interesses und der Nutzung durch die Sharing-Community zu rücken?

Analogien zu anderen Branchen?

Beispiele aus dem Einzelhandel machen es vor: Bei H&M können Kundinnen und Kunden mittlerweile gebrauchte Kleidung im Laden gegen einen Gutschein eintauschen und bei IKEA gebrauchte Möbel zeitlich unbegrenzt umtauschen. Sollten Bibliotheken als Service im Sinne der Kundenbindung und -gewinnung anbieten, nicht mehr benötigte Bücher entgegenzunehmen, um sie weiter zu verleihen oder gegen eine Spende verkaufen?

Sollten Bibliotheken sich generell mehr als „Plattformen“ begreifen und Individuen dabei unterstützen, das Sharing von Büchern komfortabel und sicher abzuwickeln? Könnten Bibliotheken Tauschplattformen mit ihren Bibliothekssystemen verknüpfen und so nahtlos einen Zugang zum „Verleihgeschäft“ der Bibliotheken ermöglichen?

Aktiv oder passiv? Sollten Bibliotheken handeln?

Wie sehen Sie den Sharing-Trend und seine Auswirkungen auf Bibliotheken? Wie könnten sich Bibliotheken positionieren, um von dem Trend zu profitieren? Sollten Bibliotheken aktiv werden – und wenn ja, wie?

 

Autorin: Birgit Fingerle (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Stabsstelle Innovationsmanagement)

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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