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Im Interview mit Maria Frantzi, Athanasia Salamoura und Giannis Tsakonas

Die repräsentative landesweite Umfrage zu Open Access in Griechenland fand im März und April 2021 statt. Dabei wurden 500 Autor:innen aus sieben Fachbereichen befragt. Die Fachbereiche waren: Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften, Informatik und Ingenieurwissenschaften Gesundheitswissenschaften, Wirtschaft und Verwaltung, Sozialwissenschaften sowie Umweltwissenschaften.

Die befragten Forschenden waren dabei unterschiedlich alt und befanden sich auf unterschiedlichen Karrierestufen, wobei rund 80% der Befragten sehr viel akademische Berufserfahrung (16 und mehr Jahre) mitbrachten. Bei der Umfrage wurden den Teilnehmenden Fragen zu ihrer Meinung zu und ihren Erfahrungen mit unterschiedlichen Aspekten von Open Access und dessen Implementierungsmethoden gestellt.

Mitarbeiter:innen des Referats „Wissenschaftliche Kommunikation“ (EESC) vom Hellenic Academic Libraries Link (HEAL-Link) haben die Umfrage konzipiert und ausgewertet. HEAL-Link ist das nationale Konsortium der wissenschaftlichen Bibliotheken in Griechenland.

Im Interview beantwortet das Team des EESC, namentlich Maria Frantzi, Athanasia Salamoura und Giannis Tsakonas, unsere Fragen zu den Hintergründen, Ergebnissen und Folgen der Erhebung.

Wie steht es um Open Access in Griechenland?

Maria: In Griechenland gibt es keine nationale Verpflichtung zu Open Access, obwohl es zwei Gesetze gibt (4310/2014 und 4485/2017), die sich auf die Bedingungen von Open Access für öffentlich finanzierte Forschung und Ressourcen in Bildung, Forschung, Technologie und Kultur beziehen. Es gibt keine griechische Forschungsförderorganisation, die Plan S unterzeichnet hat, und mit Ausnahme von HEAL-Link gibt es keine anderen zentralisierten Fonds für Open-Access-Publikationen, sondern nur eine Handvoll institutioneller Fonds. Der ausgeprägte Schwerpunkt auf den Sozial- und Geisteswissenschaften und der Griechischen Sprache haben dazu geführt, dass einige wenige Plattformen für Diamond-Open-Access-Zeitschriften aufgebaut wurden.

Ausgehend von einer Erklärung zu Open Access, die vom Ministerium für Bildung, Forschung und religiöse Angelegenheiten im Mai 2018 unterstützt wurde, hat HEAL-Link, das Konsortium der griechischen wissenschaftlichen Bibliotheken, viele Maßnahmen zur Förderung von Open Access ergriffen. Dazu gehören Vereinbarungen mit den meisten der kooperierenden Verlage, die ein Open-Access-Element enthalten, sowie von der Community getragene Initiativen wie das Sponsoring-Konsortium für Open-Access-Publikationen in der Teilchenphysik (Sponsoring Consortium for Open Access Publishing in Particle Physics – SCOAP³) und die Offene Bibliothek für die Geisteswissenschaften (Open Library for the Humanities – OLH). Im März 2019 empfahl der Rektoratsrat auf Vorschlag von HEAL-Link den Universitätsräten nachdrücklich eine Verpflichtung für Lehrkräfte und Forscher:innen, ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen selbst zu archivieren. Das wurde jedoch von der Mehrheit der Universitäten noch nicht umgesetzt. Derzeit haben alle institutionellen Repositorien, mit Ausnahme von zwei oder drei Universitäten, eine obligatorische Hinterlegungspolitik für Dissertationen und Diplomarbeiten und eine Empfehlung für die Veröffentlichungen von Forschenden und Dozent:innen. Infolgedessen scheint nur ein Drittel des griechischen Outputs im Open Access veröffentlicht zu werden, wobei HEAL-Link die einzige koordinierte Initiative ist.

Was waren für euch die überraschendsten Erkenntnisse der Umfrage?

Athanasia: Auch wenn die von Maria erwähnte Evidenz nicht sehr positiv ist, so ist es doch ermutigend zu wissen, dass die meisten Forscher:innen mindestens einen Open-Access-Weg kennen und dass nur ein sehr kleiner Prozentsatz eine negative Meinung über Open Access hat.

Interessant ist auch, dass nur wenige von ihnen im Open-Access-Modus publizieren, weil dies durch ihr Förderprogramm vorgeschrieben ist. Wenn sie über die entsprechenden Mittel verfügen, ziehen sie die Entscheidung für Open Access aber durchaus in Betracht. Ein negativ überraschender Befund ist, dass fast ein Drittel der Befragten angab, das Repositorium der eigenen Einrichtung nicht zu kennen, obwohl die institutionellen Repositorien (IRs) seit mehr als zehn Jahren eingeführt sind.

Schließlich waren wir überrascht, als wir in den Interviews im Anschluss an die Umfrage feststellten, dass einige Forscher:innen neben Open-Access-Publikationen auch andere Aspekte der Offenheit, wie z. B. Open Educational Resources, Open Source usw., in Betracht ziehen.

Wie stark ist das Bewusstsein von wissenschaftlichen Autor:innen für Open Access in Griechenland? Auf der anderen Seite: Inwiefern hat sich diese Publikationsart praktisch schon durchgesetzt?

Giannis: Unter den griechischen Forscher:innen ist das Bewusstsein für Open Access im Allgemeinen groß. Aus ihren Antworten geht jedoch hervor, dass sich diese Art der Veröffentlichung in der Praxis nur teilweise durchgesetzt hat. Fast zwei Drittel der Forscher:innen gaben an, dass sie in einer Open-Access-Zeitschrift veröffentlicht haben, aber weniger als ein Viertel hat in einem Repositorium publiziert.

Dieses Muster scheint in allen Disziplinen gleich zu sein. Zusammen mit den Erkenntnissen über das Wachstum von Open Access in Griechenland ergibt sich ein Zustand der Fragmentierung, der durch einen beträchtlichen Prozentsatz von Forscher:innen, die andere, gewinnorientierte Plattformen für die Selbstarchivierung ihrer Publikationen bevorzugen, noch verstärkt wird.

Warum entscheiden sich wissenschaftliche Autor:innen in Griechenland gegen eine Veröffentlichung im Open Access? Was sind die häufigsten Gründe?

Maria: Hauptsächlich sind es die Publikationskosten für Autor:innen (APCs). In unserer Umfrage gaben 42,6 % der Befragten an, dass sie die APCs für sehr hoch halten. Es scheint zwei weitere Hauptgründe zu geben, die Forscher:innen in Griechenland davon abhalten, im Open Access zu veröffentlichen. Ein besorgniserregender Prozentsatz von etwas mehr als 12 % der Befragten gibt an, dass sie aufgrund der fragwürdigen Qualität von Open-Access-Publikationen zögern, d. h. sie halten sie für minderwertig. Ein ähnlicher Prozentsatz, fast 14 %, gab an, dass sie nicht richtig über das Open-Access-Publizieren informiert worden seien.

Mehr als 70% der Befragten haben eine (eher) positive Meinung über Open Access. Tatsächlich verfolgen aber nur knapp 37% das Ziel, im Open Access zu veröffentlichen. Wie erklärt ihr euch diese Differenz?

Maria: Wir denken, dass es eine Frage der Kosten, der Qualität und der ausreichenden Anzahl von Open-Access-Zeitschriften in ihrem Bereich ist. Die meisten von ihnen würden Open Access publizieren, wenn die oben genannten Kriterien erfüllt wären. Es ist auch erwähnenswert, dass eine gewisse Anzahl von Befragten Open Access nur für eine Möglichkeit des Zugangs zu wissenschaftlichen Inhalten und nicht als Publikationsort hält.

Nur 22% der Forschenden haben ihre Arbeiten schon mal in einem Repositorium veröffentlicht. Woran liegt das, dass es so wenige sind?

Athanasia: Abgesehen von der Tatsache, dass fast ein Drittel der Befragten angab, das Repositorium ihrer Einrichtung nicht zu kennen, und ein Viertel von ihnen es vorzieht, ihre Arbeiten auf anderen Plattformen und Diensten zu veröffentlichen und/oder einzustellen, haben wir vor allem dank der Interviews herausgefunden, dass Open Access wahrscheinlich als eine Möglichkeit angesehen wird, an wissenschaftliche Inhalte heranzukommen und auf sie zuzugreifen, und nicht als Publikationsmöglichkeit. Bis zu einem gewissen Grad assoziieren die Forscher:innen Repositorien auch in erster Linie mit der Veröffentlichung von Dissertationen und Diplomarbeiten.

Open Access in Greece: Perceptions in Academic Institutions von Athanasia Salamoura, Maria Frantzi, Giannis Tsakonas / Scholarly Communication Unit, HEAL-Link

Was müsste sich ändern, damit sich Open Access in Griechenland flächendeckend durchsetzt?

Maria: Das dringlichste Problem ist die Bereitstellung von mehr Informationen über und Schulungen zu Open Access und Open Science für alle Forscher:innen in Griechenland, insbesondere für die Nachwuchswissenschaftler:innen, durch eine institutionalisierte Vorgehensweise. Darüber hinaus wäre eine nationale Politik, die eine Verpflichtung zur Open-Access-Publikation vorsieht, eine große Hilfe.

Parallel dazu sollten die Universitäten und Institutionen die Open-Access-Empfehlungen von HEAL-Link übernehmen, die sowohl den grünen als auch den goldenen Open-Access-Weg zusätzlich zu anderen Open-Access-Modellen auf effektive und nachhaltige Weise ermöglichen werden. In Ländern wie Griechenland würde eine Vielzahl von Optionen komplementär wirken, um das breite Spektrum an Publikationen abzudecken, das sich in verschiedenen Sprachen, Formaten und disziplinären Kulturen unterscheidet. Zu diesem Zweck sollte ein neuer Ansatz für die Forschungsbewertung eingeführt werden, wobei es wichtig ist, alle Interessengruppen in alles, was mit Open Access in Griechenland zu tun hat, einzubeziehen und zu beteiligen.

Welche Handlungen und welche Priorisierung ergibt sich für euch aus der Umfrage?

Athanasia: Eine Priorität wäre eine langfristige Informationskampagne und intensive Schulungen zu Open Access und Open Science, um die Forschendengemeinschaft von deren Vorteilen zu überzeugen. Es ist wichtig, Forscher:innen nicht nur für die verschiedenen Formen des Open Access zu sensibilisieren, sondern auch für alle Entwicklungen, die die wissenschaftliche Kommunikation produktiv verändern, wie z. B. Open Peer Review. Darüber hinaus sollten die Forscher:innen über alle von HEAL-Link unterstützten Vereinbarungen und Open-Access-Initiativen informiert werden und sich mit ihrem institutionellen Repositorium vertraut machen.

Alles in allem: Was meint ihr – welche Ergebnisse lassen sich auch auf andere Länder übertragen und was ist speziell in Griechenland so? Warum?

Giannis: Bemühungen müssen besser koordiniert werden. Bibliotheken können mit Open Access nicht allein vorankommen, es sei denn, sie tun sich mit anderen Akteur:innen zusammen, um das Bewusstsein zu schärfen und die Forscher:innen zu informieren und zu schulen. In Ländern wie Griechenland ist das Hauptproblem die fehlende Kultur der Zusammenarbeit. Das kann sich nur ändern, wenn alle Beteiligte, einschließlich der Universitätsverwaltung, von den Vorteilen von Open Access überzeugt und bereit sind, sich von etablierten Formen zu lösen.

Wir freuen uns, dass wir nach der Umfrage einige Verbündete gefunden haben, die unsere Arbeit unterstützen, und wir sind gespannt, wie dies Open Access in Griechenland helfen wird. Schließlich hat der finanzielle Aspekt von Open Access einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf Länder mit sich entwickelnden Volkswirtschaften, um nachhaltig Fuß zu fassen. Der Übergang zu Open Access ist nach wie vor kostspielig, und obwohl man argumentieren kann, dass es im Vergleich zum kostenpflichtigen Publizieren Einsparungen gibt, bleiben die Härten für Forscher:innen, die sich die Kosten nicht leisten können, bestehen. Wenn dies der Fall ist, wird es bei den guten Absichten bleiben, und Open Access wird sein Potenzial als weiteres Paradigma für die wissenschaftliche Kommunikation nicht ausschöpfen.

Zum Weiterlesen für Open-Access-Enthusiast:innen:

Wir sprachen mit:

Athanasia Salamoura ist Absolventin der Fakultät für Archive, Bibliothekswissenschaft und Museologie der Ionischen Universität, Griechenland. Derzeit ist sie Mitglied des Referats für wissenschaftliche Kommunikation von HEAL-Link und überwacht die Open-Access-Vereinbarungen von HEAL-Link mit verschiedenen Verlagen. Sie ist auch auf ORCID und Twitter zu finden.
Porträt: Athanasia Salamoura©

Maria Frantzi ist Absolventin der Fakultät für Archive, Bibliothekswissenschaft und Museologie der Ionischen Universität, Griechenland, und hat einen Master in byzantinischer Philologie von der Universität Patras. Derzeit ist sie Bibliothekarin für elektronische Ressourcen am Bibliotheks- und Informationszentrum der Universität Patras, Mitglied des Lenkungsausschusses für elektronische Ressourcen von HEAL-Link und Mitglied der Abteilung für wissenschaftliche Kommunikation von HEAL-Link. Sie kann auch auf ORCID gefunden werden.
Porträt: Maria Frantzi©

Dr. Giannis Tsakonas ist der amtierende Direktor des Bibliotheks- und Informationszentrums der Universität Patras, Griechenland. Er ist außerdem Mitglied des Vorstands von LIBER und Leiter des Lenkungsausschusses für innovative wissenschaftliche Kommunikation sowie Mitglied des Vorstands von Hellenic Academic Libraries Link. Er koordiniert auch die Arbeit der Abteilung für wissenschaftliche Kommunikation von HEAL-Link. Er ist auch auf ORCID und Twitter zu finden.
Porträt: Dr. Giannis Tsakonas©

Featured Image: Das Gebäude des Bibliotheks- und Informationszentrums der Universität von Patras, in dem die Abteilung für wissenschaftliche Kommunikation untergebracht ist [CC-BY], Fotograf: ID Studio

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