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im Interview mit Christine Burblies

Im anglo-amerikanischen Raum hat ein ausgeklügeltes System für digitale Badges bereits einen festen Platz, um besondere Leistungen und lebenslanges Lernen nachzuweisen. In Deutschland sucht man die digitalen Badges bislang oft vergebens. Dabei bieten die Digital oder Open Badges, auch Microcredentials genannt, viele Möglichkeiten, zu motivieren oder verborgene Leistungen und Eigeninitiative sichtbar zu machen. Gemeinsam mit Tamara Pianos (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft) und Nicole Krüger (ZHAW Hochschulbibliothek) hat sich Christine Burblies von der TIB Hannover intensiv mit den digitalen Badges beschäftigt und einen Workshop dazu angeboten.

Was sind digitale Badges?

Digitale Badges, Open Badges oder auch Microcredentials sind digitale Zertifikate oder Lernabzeichen. Sie bieten eine Möglichkeit, bestimmte Fähigkeiten, Kenntnisse oder Erfahrungen zu dokumentieren – wie ein Seepferdchen-Schwimmabzeichen an der Badehose, nur eben digital.

In das Badge eingebettet sind Informationen zur eindeutigen Zuordnung der ausstellenden Institution (zum Beispiel Hochschule, Weiterbildungsanbieter), die die erworbenen Kenntnisse vermittelt und das Badge vergeben hat. Diese “Abzeichen” stellen eine besondere Form der digitalen Zertifizierung dar, die eine Ergänzung zu klassischen Scheinen und Zeugnissen bilden. Auf diese Weise können Kompetenzen sichtbar gemacht werden, die bisher in formalen Zeugnissen nicht berücksichtigt wurden oder außerhalb der formalen Bildungskontexte erworben wurden. Zudem können sie für kleine Module erworben und akkumuliert werden.

Wozu braucht man Badges? Welchen Mehrwert bieten sie?

Badges erhöhen die Sichtbarkeit von Kompetenzen, auch für Leistungen, die außerhalb der curricularen Studienleistung erbracht werden. Viele Angebote von Bibliotheken, die der Unterstützung von Informationskompetenz dienen, vermitteln unterschiedlichste Schlüsselkompetenzen. In einem üblichen BA- oder MA-Zertifikat werden diese aber kaum treffend abgebildet. Das könnte sich durch Badges für einzelne Fertigkeiten ändern.

Überdies fördern digitale Badges die Lernmotivation und stellen Eigeninitiative und die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen unter Beweis. Durch die hinterlegten Metadaten werden die zugrunde- gelegten Bewertungskriterien sichtbar. Ein großer Vorteil gegenüber klassischen Zeugnissen.

So können zukünftige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber beispielsweise auf den Profilen in beruflichen Netzwerken wie XING oder LinkedIn erkennen, welche speziellen Kenntnisse erworben wurden. Mit diesen Zertifikaten ist es möglich, flexibel auf die sich wandelnden Erwartungen am Arbeitsmarkt zu reagieren. Sollte der eigene Studienabschluss auch Jahrzehnte zurückliegen, so kann durch ein Badge signalisiert werden, dass man sich kürzlich zu einem speziellen Thema fortgebildet hat.

Wer bietet digitale Badges bereits an?

Derzeit werden Open Badges im Wesentlichen im anglo-amerikanischen Raum eingesetzt. Die Khan Academy bietet beispielsweise ein sehr elaboriertes System mit Kursen und dafür erhältlichen Badges an. Die Penn State University vergibt sie speziell für erworbene Fertigkeiten im Bereich Informationskompetenz.

Das hierarchische Badges-Modell der Penn State erlaubt den Erwerb einzelner Basis-Badges. Darüber hinaus können einzelne Badges zum Erwerb von Meta-Badges und schließlich zu einem “Über Badge” führen. Personen, die ein “Über Badge” verliehen bekommen haben, sollten also über umfassende Kenntnisse und Fertigkeiten zu verschiedenen Bereichen der Informationskompetenz verfügen.

In Deutschland vergibt zum Beispiel die Haufe Akademie Open Badges für betriebswirtschaftliche Qualifikationen. In der Beuth Hochschule für Technik Berlin werden seit 2013 in einem Projekt sogenannte BeuthBadges für Sprachkompetenzen, Teamplay, Leadership, Management, Social Media und interkulturelle Kompetenzen vergeben.

In deutschen Bibliotheken sind die digitalen Badges bisher selten zu finden. Einige Lernmanagement-Systeme der Hochschulen bieten eigene Badge-Vergabe-Module zum Beispiel für Massive Open Online Courses (MOOCs) an.

Wohin geht der Weg für die digitalen Badges?

Viele Details müssen noch geklärt werden, damit Badges allgemein als legitime Indikatoren für Ausbildung, Fähigkeiten oder Erfahrungen akzeptiert werden.

Die Blockchain-Technologie wird zukünftig in die Entwicklung und Verbreitung von digitalen Badges mit einzubeziehen sein, um sichere, dezentrale Speicherorte für Zertifikate zu schaffen. Die Verwendung von Blockchain ermöglicht eine Art “notarieller Beglaubigung” von Zertifikaten und Zeugnissen für Universitäten, die jede Art von Fälschung ausschließt.

Durch die Digitalisierung ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten, unterschiedliche Kompetenzen durch Angebote von MOOCs oder Online-Seminaren zu erwerben. Auch die Darstellung von Kompetenznachweisen wird sich vermutlich zukünftig rasant ändern.

Es ist sicher noch zu früh, um zu sagen, ob Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zukünftig Badges als vertrauenswürdige Referenzen anerkennen werden. Die Akzeptanz wird auch vom Grad der Qualitätskontrolle dieser Zertifikate abhängen und davon, wie Hochschulen und Bildungsträger zum einen miteinander aber auch mit den Stakeholdern am Arbeitsmarkt kooperieren.

Für eine breite Akzeptanz von Badges braucht es Interoperabilität und Standards. Es müsste möglich sein, Badges verschiedener Anbieter auf einer Plattform oder in einem Profil zu sammeln. Außerdem müssen aus den mit den Badges verknüpften Metadaten relevante Qualitätsindikatoren ersichtlich sein: Welche Institution hat das Badge erstellt? Was war nötig, um das Badge zu erwerben? Ein mehrwöchiger Kurs oder eine kurze Veranstaltung? Musste eine Prüfung abgelegt werden? Und so weiter. Vorstellbar ist, dass in naher Zukunft Badges als ein Gesprächsanlass in Vorstellungsgesprächen dienen könnten, um über Softskills und Interessen zu sprechen, die sich sonst im Gespräch vielleicht nicht ergeben würden.

Was auch immer die Zukunft für die Badges bringen mag, in jedem Fall bieten sie eine Gelegenheit, Informationen aus Abschlusszeugnissen, die schnell veralten, zu ergänzen und ansonsten verborgene Leistungen sichtbar zu machen.

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Wir haben mit Christine Burblies gesprochen.

Christine Burblies (M.A.) leitet seit August 2014 das Referat Informationskompetenz an der TIB in Hannover. Sie studierte Germanistik, Anglistik und Publizistik an der Universität Göttingen. Danach war sie in einem Verlag tätig und arbeitete als selbstständige Trainerin im Bereich Buchhandel und Verlagswesen.

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