ZBW MediaTalk

von Karoline Kahmann und Stephan Schwering

Dieser Beitrag ist das Update eines 2018 veröffentlichen Blogartikels. Da dieser Artikel auf großes Interesse gestoßen ist und sich im Bereich Social Media und Bibliotheken seit 2018 einiges getan hat, haben sich die Autor:innen nochmal mit dem Thema befasst und einige aktuelle Aspekte ergänzt.

1. Bekanntheitsgrad und Sichtbarkeit der Bibliothek erhöhen

Immer wieder ist erstaunlich, wie wenig Bibliotheken von vielen Teilen der Bevölkerung wahrgenommen werden. Mit Social Media haben Bibliotheken die Möglichkeit, sehr einfach in der digitalen Welt Reichweite zu erzielen – auch außerhalb der üblichen Bibliotheksklientel. Allein die Nutzungszahlen der sozialen Medien in Deutschland zeigen, wie groß das Potenzial für Bibliotheken ist. Das einzige, was benötigt wird, ist entsprechend geschultes Personal und Personalressourcen. Insbesondere auch kleinere Bibliotheken haben hier sehr große Chancen. Und für die größeren Bibliotheken ist die Präsenz mittlerweile obligatorisch. Besonders in der Corona-Krise und der zeitweiligen Schließung von Bibliotheken war Social Media fast die einzige Möglichkeit, mit den Nutzer:innen im Austausch und in aktiver Kommunikation zu bleiben. Hier erwies sich eine starke Präsenz in den sozialen Medien als Resilienzfaktor für Bibliotheksarbeit im Lockdown.

Die Einbindung der Bibliothek in die öffentliche Verwaltung oder andere Trägerschaft erfordert zusätzliche Abstimmungen. Denn Öffentlichkeitsarbeit, Pressearbeit und auch Social Media unterliegen oft städtischen Geschäfts- oder Dienstanweisungen. Häufig haben z.B. Kommunen strenge Vorgaben, was die Nutzung von Social Media angeht. Die Bibliothek ist da manchmal ein bisschen ein Exot und braucht unbedingt die Möglichkeit, frei agieren zu können. Damit tun sich Presseämter manchmal schwer. Hier hilft nur eine enge Kommunikation, z. B. mit der Presseabteilung, und Transparenz. Und technisch sind manchmal im städtischen Netz nicht alle Plattformen erlaubt, da heißt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. In Düsseldorf klappt das durch enge Kommunikation ganz gut.

2. Die Bibliothek als eine moderne, offene und zukunftsorientierte Einrichtung darstellen

Bibliotheken können sich in den sozialen Netzwerken als eine sympathische und moderne Einrichtung darstellen. Sie wollen nicht nur als Bücherverleihstelle wahrgenommen, sondern mit ihren ganzen Angeboten als Ort sichtbar werden. Nur Büchertische und Büchertipps zu posten, reicht dabei nicht. Obwohl auch das gut ist, wenn es pfiffig gemacht ist. Diese Posts erreichen sicher auch eine gewünschte Zielgruppe, die Buch- und Literaturliebhaber:innen, die insbesondere bei Twitter sehr präsent sind. In den Social Media kann eine Bibliothek die Menschen den Bibliotheksalltag durch ein Schlüsselloch sehen lassen. Sie kann sich witzig und emotional präsentieren.

3. Direkte Kommunikation mit den Nutzerinnen und Nutzern ermöglichen

Nie war es leichter, mit den Nutzer:innen der Bibliothek so direkt außerhalb der Bibliothek zu kommunizieren. Viele in Bibliotheken schrecken noch vor den sozialen Medien zurück, doch im Grunde ist es dieselbe Kommunikation wie in der Bibliothek selbst und darüber hinaus. Insbesondere direktes Feedback zu bekommen, bietet große Chancen.

4. Als Anbieter digitaler Dienstleistungen glaubwürdig sein

Bibliotheken bieten immer mehr digitale Dienstleistungen an. Ob Onleihe, PressReader, Datenbanken, Streaming-Dienste und vieles mehr. Nichts macht dabei die Bibliothek, die digitale Dienstleistungen anbietet, unattraktiver und unglaubwürdiger, als wenn sie selbst mit dem kommunikativen Herzstück der digitalen Welt, den sozialen Medien, hadert und diese doch zur Vermittlung der digitalen Dienstleistungen nutzen will. Es ist wichtig, dass sich Bibliotheken mit Social Media auskennen, wenn sie digitale Dienstleistungen an Interessierte vermitteln wollen. Hier ist Professionalität gefragt. Dafür muss man die Social-Media-Kanäle auch technisch beherrschen.

Entscheidend für den Erfolg von Social Media ist letztlich das Know-How: Wirksame Personalentwicklung im schnelllebigen Social-Media-Bereich ist deshalb besonders wichtig. Die (inhaltlichen) Konzepte der einzelnen Netzwerke haben sich immer wieder geändert, und sie werden sich weiter ändern. Außerdem kommen neue Plattformen hinzu. Der stete Wandel und die stetigen Veränderungen der Plattformen stellen hohe Anforderungen an die Flexibilität und die Expertise des Social-Media-Teams, das immer auf dem neuesten Stand sein muss. Bei den Stadtbüchereien Düsseldorf wird das Social-Media-Team in regelmäßigen individuellen Fortbildungen und durch ein jährliches Coaching des gesamten Teams mit externer Unterstützung geschult, um das eigene Handeln stets zu reflektieren und zu verbessern.

5. Künftiges Fachpersonal gewinnen, positiven Imagetransfer erzeugen

Man ist jung, begeisterungsfähig, lebt auch in Social Media und hat dennoch eine gewisse professionelle Distanz und möchte sich bei einer Bibliothek auf eine interessante Stelle bewerben. Dann recherchiert man über die Bibliothek und findet ihre Website und ein paar ihrer Nachrichten über Google News. Social-Media-Plattformen? Mäßig, nicht gepflegt oder gar nicht vorhanden. Man fragt sich unweigerlich: “Die Bibliothek will digitale Inhalte anbieten, vermitteln und an die Nutzer:innen bringen und ist nicht da, wo sich das digitale Leben abspielt?“

Alle reden vom Imagewandel in Bibliotheken. Wenn man als Bibliothek Informationsspezialist:innen von morgen einstellen will, muss man heute auch dort präsent sein. Dabei müssen sich auch die Bewerber:innen bewusst sein, dass die Anforderungen moderner Bibliotheksarbeit eine Menge digitaler Kompetenz beinhaltet.

6. Vernetzung mit Communities in der eigenen Stadt und der Aufbau einer eigenen Community

Bibliotheken bringen die Menschen zusammen, bauen Netzwerke mit Bürger:innen und stellen dafür die Plattform zur Verfügung. Bibliotheken werden zunehmend Orte des Wissens[aus]tausches und des informellen Lernens der Nutzer:innen untereinander. Bibliothekslabore und Makerspaces entstehen in vielen Bibliotheken. Will man die digitale Community erreichen und eine eigene Community aufbauen, ist eine professionelle Präsenz in den sozialen Medien unerlässlich. Hier sind die Player:innen und hier sind die Multiplikator:innen für die Bibliothek zu finden.

Einen großen Mehrwert erzielen die Aktivitäten von Bibliotheken in Social Media dann, wenn sie mit dem analogen „dritten Ort“ der Bibliothek verbunden werden. Im Grunde entfalten sie dann erst ihre ganze Wirksamkeit und der sogenannte ROI (Return Of Investment) ist besonders hoch.

In neuen Veranstaltungsformaten kann man die digitale Kommunikation und Community mit Veranstaltungen in der Bibliothek begleiten. Damit steigt nicht nur die virtuelle Sichtbarkeit in dieser Zielgruppe, sondern auch die nachhaltige Vernetzung. Bei den Stadtbüchereien Düsseldorf ist seit 2016 das #blogsofa ein Beispiel dafür. Das Veranstaltungsformat eröffnet den Düsseldorfer Blogger:innen regelmäßig eine Bühne im Analogen und schafft eine Schnittstelle zwischen Social Media und Face-to-face-Erfahrungen mit den Mitmenschen. Zu einem Thema (z.B. Reiseblogs oder Foodblogs) werden Blogger:innen eingeladen, um von Social-Web-Rangerin Wibke Ladwig auf dem Sofa interviewt zu werden. Die Blogger:innen lernen ihre Leser:innen kennen und vernetzen sich mit anderen Blogger:innen aus der Region. Seit Beginn der Veranstaltungsreihe wurde diese live gestreamt und so direkt in die digitale Community gebracht. Die Rückkoppelungen zwischen digital und analog ergeben interessante Effekte: So kam beispielsweise eine Do-It-Yourself-Bloggerin wiederum zurück ins LibraryLab der Zentralbibliothek und bot dort einen Workshop für die Nutzer:innen an. In der digitalen Community ist das #blogsofa mittlerweile ein Begriff, da während der Veranstaltung von den Zuschauer:innen vor Ort getwittert wird und das #blogsofa so für Nicht-Teilnehmende digital erfahrbar wird.

Alle räumlichen Angebote in der Bibliothek, die in irgendeiner Form an die digitale Community adressiert sind, benötigen eine Einbettung in die digitale Kommunikation. Ein Angebot wie das LibraryLab in der Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf kann deshalb auch außerhalb der Bibliothek glaubwürdig auftreten und zur Vernetzung mit der Community vor Ort dienen, weil die Kommunikation durch die sozialen Medien flankiert wird.

7. Vertrauenswürdiger Partner im Netz sein – eine neue Herausforderung und eine riesige Chance

Im Netz kursieren viele Gerüchte und Falschmeldungen. Das war schon immer so, hat aber durch die ganze Fakenews-Debatte eine neue Dimension erreicht. Viele benötigen Orientierung, insbesondere in den sozialen Medien. Bibliotheken sind präsent, doch sie könnten noch viel präsenter sein und viel aktiver für die fundierte Information und Recherche zur Verfügung stehen. Bibliotheken können die vertrauenswürdigen Ankerpunkte im Netz sein.

Mit dem Anspruch, nah an den Lebenswirklichkeiten der Menschen zu agieren, ergibt sich für die Öffentlichen Bibliotheken nicht nur eine Notwendigkeit, in Social Media präsent zu sein und die digitale Kommunikation für die Bibliothek strategisch zu konzipieren. Durch die jüngsten Entwicklungen ergibt sich darüber hinaus auch der Auftrag, unsere freiheitliche Grundordnung im Netz zu verteidigen und für gegenseitigen Respekt, Meinungsfreiheit und eine pluralistische Gesellschaft einzutreten – den „lauten Meinungsmachern“ und „Hatespeech“ etwas entgegenzusetzen. Anfang der 20er Jahre des 21. Jahrhunderts ergibt sich damit ein herausforderndes Spannungsfeld für Bibliotheken in Bezug auf Social Media.

Hintergrund: Social Media der Stadtbüchereien Düsseldorf

Seit einigen Jahren sind die Stadtbüchereien Düsseldorf mittlerweile sehr erfolgreich in den sozialen Netzwerken präsent. Man findet die Stadtbüchereien bei Facebook, Instagram, Twitter und demnächst für die neue Jugendbibliothek der Zentralbibliothek bei TikTok. Der eigene Blog heißt„Buchstabensuppe“. Der YouTube-Kanal wird derzeit hauptsächlich als „Container“ für Videoproduktionen zur Verlinkung genutzt, hat durch Corona aber eine deutliche Aufwertung erfahren.

Stephan Schwering und Karoline Kahmann. Copyright: Andreas Bretz©

Dieser Beitrag ist ein Update des 2018 veröffentlichen Blogartikels „Warum moderne Bibliotheken in Social Media aktiv sein müssen: Sieben “glorreiche“ Gründe”.

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Über die Autor:innen:

Karoline Kahmann arbeitet im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie bei der Online- und Socialmedia-Redaktion bei den Stadtbüchereien Düsseldorf. Sie war vorher lange, wunderbare und lehrreiche Jahre in der IT bei den Stadtbüchereien und ist studierte Bibliothekarin. Privat hat sie kleine Schwächen für Italien, gutes Essen, Wein und für’s Lesen – was sich alles wunderbar kombinieren lässt. Sie ist auch auf Facebook, Instagram, LinkedIn und Twitter zu finden.
Portrait: Karoline Kahmann©

Stephan Schwering leitet seit 2014 die Zentralbibliothek der Stadtbüchereien Düsseldorf und ist mitverantwortlich für den internen Zukunftsprozess und das Konzept der neuen Zentralbibliothek im KAP1, die im Herbst 2021 in neuen Räumlichkeiten eröffnet wird. Er hält Social Media in Bibliotheken für eine Führungsaufgabe, beschäftigt sich stark persönlich mit Community Building und digital-analogen Bibliothekskonzepten. Er ist Mitbegründer des Twitterchats „BIBChatDE“ beim Kurznachrichtendienst Twitter. Er ist auch auf Facebook, Instagram, LinkedIn und Twitter zu finden.
Porträt: Stephen Schwering©

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