
Promptathons: Potenzial für Bibliotheken – und für Open Science?
Promptathons sind ein relativ neues Veranstaltungsformat, das von Bibliotheken sowohl intern als auch unter Einbeziehung externer Personen eingesetzt werden kann. Im Blogpost geht es um Ideen und Chancen für die Arbeit in Bibliotheken, um die Ausgestaltung des Formats sowie die Frage nach einem eventuellen Zusammenhang mit Open Science.
von Birgit Fingerle
Promptathons setzen das Veranstaltungsformat von Hackathons für die kollaborative Beschäftigung mit generativer künstlicher Intelligenz ein. Daher sind sie ein relativ neues Phänomen. Den weltweit ersten „Prompt-a-thon“ (PDF) gab es wohl im Februar 2023 an der Universität Hamburg.
Was ist ein Promptathon?
Während eines Promptathons wird die intensive und zeitlich begrenzte Arbeitsweise eines Hackathons mit der Herausforderung kombiniert, kreative und effektive Prompts für generative KI-Systeme zu entwickeln und zu optimieren. Ein Prompt ist eine Anweisung für die künstliche Intelligenz, insbesondere für große Sprachmodelle (LLMs). Prompts durch gezielte Eingaben zu lenken und ihre Antworten so zu optimieren, dass sie die gewünschten Ergebnisse erzielen, wird als Prompt-Engineering bezeichnet.
Prompt-Engineering erfordert sowohl technisches Verständnis für die Funktionsweise von KI-Modellen und sprachliche Fähigkeiten als auch kreativen Ausdruck, um die Eingabeaufforderungen zu verfeinern. Damit sollen komplexe Aufgaben für die KI optimal bearbeitbar formuliert werden und die gewünschten Ergebnisse liefern. Um die Möglichkeiten großer Sprachmodelle für die Lösung vorgegebener Problemstellungen auszuschöpfen, arbeiten die Teilnehmenden oftmals in interdisziplinären Teams zusammen.
Ein Promptathon umfasst meist mehrere Stunden bis hin zu einem ganzen Tag. Je nach Hintergrund und Ausrichtung der Veranstaltenden wird ein spezifisches Ziel oder Thema vorgegeben, das die Aufgaben („Challenges“) und damit den Fokus der Prompts bestimmt.
Vielfältige Einsatzgebiete in Bibliotheken
Für Bibliotheken und andere Infrastruktur- und Wissenschaftseinrichtungen bieten Promptathons mehrere Vorteile. Dazu gehören die Arbeit an konkreten Anwendungen oder Forschungsfragen mit den neuesten KI-Technologien und der gleichzeitige Aufbau methodischer Kompetenzen.
Promptathons könnten gezielt für interne Zwecke eingesetzt werden, beispielsweise um Kompetenzen auf- und auszubauen oder um Arbeitsabläufe damit zu optimieren. Auch der Austausch zwischen verschiedenen Abteilungen und Berufsgruppen in Bibliotheken lässt sich dadurch anregen.
Bibliothekssysteme optimieren
Im Rahmen von Promptathons lassen sich bibliothekseigene (KI)-Systeme optimieren oder neu entwickeln. Ein Beispiel wären der Test und die Verbesserung von konversationellen Auskunftssystemen innerhalb eines Promptathons. Ziel eines Promptathons könnte es also sein, einen bestehenden Chatbot umfassend zu testen und Verbesserungsbedarf zu identifizieren.
Präsenz und Rolle als Informationsvermittlerin ausweiten
Thematisch, beispielsweise auf Fachbereiche, fokussierte Promptathons können dazu beitragen, die Präsenz von Bibliotheken als innovative Partnerinnen in der lokalen Wissenschafts- und Bildungslandschaft zu stärken. Sie repositionieren die Bibliothek als Ort, an dem auch neue Formen des Umgangs mit Informationen erprobt werden.
Denkbar sind regelmäßige thematische Veranstaltungen, die sich an unterschiedliche Zielgruppen richten: an die breite Öffentlichkeit, an Erstsemesterstudierende bis hin zu spezialisierten Workshops für Doktorand:innen und andere Forschende.
Durch Promptathons können Bibliotheken ihre Rolle als Vermittlerinnen von Informationskompetenz auf den Umgang mit KI (AI-Literacy) erweitern. Bibliotheksmitarbeitende werden dabei quasi zu Coaches für den Umgang mit KI-gestützten Recherche- und Analysetools. Sie helfen, die Qualität von KI-generierten Inhalten zu bewerten und vermitteln kritische Medienkompetenzen in Hinblick auf KI.
Potenzial für Open Science
Besonders interessant sind Promptathons auch für die Wissenschaftskommunikation und Citizen-Science-Projekte. Sie können helfen, komplexe Forschungsergebnisse für die Öffentlichkeit zugänglicher zu machen oder neue Formate der Wissensvermittlung zu entwickeln.
Promptathons können aber auch eingesetzt werden, um Herausforderungen im Zusammenhang mit Open Science gezielt zu bearbeiten. Im Rahmen von Citizen Science könnten Bürger:innen beispielsweise testen, wie sie für sich selbst und andere wissenschaftliche Ergebnisse verständlicher aufbereiten können. Oder in Promptathons kann erarbeitet werden, wie sich lästige Arbeiten, die mit Open Science einhergehen, mittels KI am besten erledigen lassen. Dazu gehört die Unterstützung bei der Reproduktion von Forschungsergebnissen (wenn der Methodenteil nicht sauber dokumentiert ist, oder um Fehler im Code zu finden) oder dabei, Daten FAIR zu machen (zum Beispiel bei der Generierung von Metadaten).
Herausforderungen bei der Durchführung
Die Organisation von Promptathons stellt Bibliotheken vor gewisse Herausforderungen. So muss die technische Infrastruktur leistungsfähig genug sein, um mehreren Teams gleichzeitig den Zugang zu KI-Tools zu ermöglichen. Auch gewinnen Datenschutz- und Urheberrechtsfragen an Komplexität, falls externe Teilnehmende mit bibliothekseigenen Datenbeständen arbeiten.
Ebenso ist die Qualifikation der eigenen Mitarbeitenden entscheidend: Ein Teil von ihnen muss genügend Wissen über Prompt-Engineering haben, um bei Promptathons sinnvoll in beratender Rolle bereitstehen zu können. Dafür sind kontinuierliche Weiterbildung und eine Bereitschaft, sich auf experimentelle Lernprozesse einzulassen, erforderlich.
Ethische Qualitätsaspekte spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Etwa die Frage, wie Bias und Verzerrungen in den entwickelten Prompts vermieden werden können. Oder der Wunsch, sicherzustellen, dass die Ergebnisse den Standards wissenschaftlicher Redlichkeit entsprechen. Bibliotheken tragen hier als vertrauenswürdige Institutionen eine besondere Verantwortung.
Promptathons als Sinnbild für den Wandel?
Wird mit diesen Herausforderungen passend umgegangen, könnten Promptathons ein Beispiel für den Wandel der Rolle von Bibliotheken als Informations(kompetenz)vermittlerinnen und innovative Lernorte darstellen, der nicht nur technische, sondern vor allem kreative und soziale Innovationen erfordert.
Auch könnte die Vernetzung zwischen Bibliotheken oder auch mit anderen Organisationen durch gemeinsame Promptathons, eventuell auch in hybrider Form über mehrere Standorte, gestärkt werden.
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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem “Open Economics Guide”. Birgit Fingerle ist auch auf LinkedIn zu finden.
Porträt, Fotograf: Northerncards©
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