ZBW MediaTalk

von Birgit Fingerle

Wie lassen sich die durch die Pandemie und technologische Entwicklungen verursachten Lücken schließen? Einige digitale Trends könnten sich eignen, um neue Brücken zu bauen. Brücken werden beispielsweise benötigt zwischen den Vorteilen der Autonomie im Home Office und einer sinnvollen Rückkehr ins Büro, damit eine erfolgreiche Zusammenarbeit erreicht wird, zwischen menschlicher Kreativität und künstlicher Intelligenz, die in die täglichen Arbeitsprozesse eingebettet ist, zwischen Informationsüberfluss, Einsamkeit und anderen psychischen Problemen sowie wachsendem Fachkräftemangel. Die für diesen Blogbeitrag ausgewählten digitalen Trends adressieren diese Lücken und könnten für Bibliotheken und andere digitale Infrastruktureinrichtungen sowie im Kontext von Open Science interessant sein.

Überall eingebettete KI

Nach jahrzehntelanger Weiterentwicklung wird künstliche Intelligenz (KI) zunehmend in den Alltag integriert. Begünstigt durch Entwicklungen wie dem zunehmenden Fachkräftemangel und KI ohne Programmierung (basierend auf einfachen Drag-and-Drop-Schnittstellen) wird erwartet, dass künstliche Intelligenz viele Arbeitsplätze in verschiedenen Branchen mit neuen Tools bereichern wird. Auf diese Weise wird die KI zu einem neuen Teammitglied, das Ideen und Entwürfe beisteuert, oder einem:r Co-Pilot:in für die Kreativität von Menschen. Unternehmen und andere Organisationen müssen diese Entwicklungen im Auge behalten, da Fragen zu Ethik und Urheberrecht noch unbeantwortet sind und da sich Menschen weiterbilden müssen, um die neuen Werkzeuge zu nutzen und die Qualität der Ergebnisse sicherzustellen. Einerseits sollten Organisationen darüber nachdenken, wie sie mit den Massen an KI-generierten Inhalten umgehen können, andererseits sollten sie prüfen, ob und wie KI ihre Arbeitsprozesse bereichern könnte.

Autonomie im Home Office versus Rückkehr ins Büro

Es ist noch viel Arbeit nötig, um die Rückkehr ins Büro zu einem Erfolg zu machen. Gegenwärtig haben viele Menschen das Gefühl, dass sie eine Reihe von Kompromissen eingehen müssen, die sich beispielsweise auf Innovation, Kultur und Integration auswirken, da manche nicht greifbaren Vorteile des Büros, wie Zufallsbegegnungen und der Spaß im persönlichen Kontakt, verblasst sind. Um das Spannungsverhältnis zwischen denjenigen, die die Autonomie des Home Offices genießen, und denjenigen, die das Zusammensein bevorzugen, zu überbrücken, sollten die Unternehmen das Bestehende nicht weiter verbessern. Stattdessen sollten sie Arbeit völlig neu erfinden.

Gleichzeitig ist asynchrone Arbeit nicht mehr wegzudenken. Die Pandemie hat gezeigt, dass nicht-lineares Arbeiten zu unterschiedlichen Zeiten genauso gute oder sogar bessere Ergebnisse liefern kann als der traditionelle Nine-to-Five-Arbeitstag. Neue Plattformen und Apps helfen dabei, die Nachteile asynchroner Arbeit zu überwinden und gleichzeitig ihre Vorteile auszubauen. Bestehende Plattformen wie Slack und Microsoft erweitern ihr Angebot, indem sie zum Beispiel das Versenden kurzer Videoclip-Nachrichten direkt in ihre Produkte integrieren.

Einige Unternehmen werten ihre Arbeitsplätze auf, indem sie Ideen aus dem Gastgewerbe übernehmen, um Fünf-Sterne-Büros zu schaffen, die ihre Mitarbeitenden wieder ins Büro locken.

Um Talente anzuziehen und zu halten, setzen einige Unternehmen auch auf Workplace Wellness, die über allgemeine Wellness-Programme hinausgeht und die psychische Gesundheit in den Mittelpunkt stellt. Da viele Unternehmen bereits Standardprogramme für psychisches Wohlbefinden anbieten, sind Angebote für das psychische Wohlbefinden zu einer Standarderwartung geworden. Die Arbeitgeber müssen also das Angebot neu schreiben, um Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten. Was haben Bibliotheken und andere digitale Infrastruktureinrichtungen hier zu bieten?

Metaverse Bildung und Service

Im Gegensatz zu ihrer Vorstufe, die von Websites und dem nicht enden wollendem Scrollen in sozialen Medien dominiert wurde, verschmelzen in der nächsten Online-Evolution die physische und die digitale Welt immer mehr. Es wird davon ausgegangen, dass sich das Metaversum in 2023 weiter ausbreiten wird. Damit verbunden ist der Anstieg von Bildungsprogrammen, die mehr Immersion als bisheriges Online-Lernen bieten. Metaverse Education bezeichnet den Trend, dass Unternehmen mehr und mehr Räume schaffen, um Kund:innen zu bilden. Diese Angebote reichen von Fachausbildungen über Bildungsprogramme bis hin zu Spielen. Durch virtuelles Lernen wird der Zugang zur Bildung über geografische oder kostenbezogene Barrieren hinweg erleichtert. Die Übertragung in das Metaversum hilft den Verbraucher:innen, noch hilfreichere immersive Online-Lernprogramme zu finden.

Bibliotheken sollten das Wachstum von Metaverse Education sowie einen anderen damit verbundenen Trend, den Metaverse Support, im Auge behalten. Das Metaverse trägt dazu bei, die Erfahrung des Kundenservices immersiver zu machen und somit wertvollere Support-Erfahrungen schaffen zu können. Dies kann zu einer besseren und effizienteren Interaktion mit Kund:innen führen.

Kampf gegen Einsamkeit und Erweiterung des Kundenservice vor Ort

Trotz aller Plattformen, die digitale Begegnungen ermöglichen, fühlen sich immer mehr Menschen auf der ganzen Welt einsam und isoliert. Daher werden die Kund:innen im Jahr 2023 Organisationen schätzen, die ihnen helfen, Verbindungen und Joyning zu fördern. Dies passt auch zu dem Trend State of Place. Er bezeichnet das Bedürfnis von Kund:innen, ihre Orte zurückzugewinnen, und ihre besondere Vorliebe für Marken, die sich dafür einsetzen, diese Räume nachhaltiger und gerechter zu gestalten. Ein Beispiel dafür sind gemeinsam genutzte Räume, die das zunehmende Gefühl der sozialen Isolation bekämpfen.

Die Weiterentwicklung von Robotern und anderen Technologien bietet eine wertvolle Grundlage für Innovationen für den Kundenservice vor Ort. Der Trend Retail Bot beschreibt Roboter, die mit mehr sozialen Merkmalen und Funktionen ausgestattet sind, die mit dem traditionellen Einkauf im Laden verbunden sind. Sie helfen Kund:innen, die soziale Interaktionen vermissen, während intelligente Einzelhandelslösungen immer üblicher werden. Beispiele hierfür sind Roboter, die Kund:innen beim Einkaufen Süßigkeiten anbieten, sie an Vorschriften erinnern oder mittels Gesichtserkennung personalisiert begrüßen. Darüber hinaus können gestengesteuerte Schnittstellen (Gesture Kiosks) auch nach der Pandemie noch gefühlte Gesundheitsrisiken reduzieren und das Benutzungserlebnis verbessern. Die berührungslose Bildschirmnavigation arbeitet mit einer Technologie zur Erfassung von Handbewegungen. Wie könnten Bibliotheken von diesen Technologien und von der Rückgewinnung ihrer Standorte durch die Kund:innen profitieren?

Kuratierung für dich und Update für digitalen Detox

Obwohl die Nachfrage nach Kuratierung durch mit Informationen überflutete Kund:innen nicht neu ist, bieten neue Tools und Technologien nun die Chance, eine Art von Kuratierung zu entwickeln, die die Einzigartigkeit der Individuen durch das Angebot von Relevanz als Service stärkt: For You. Digitale Infrastruktureinrichtungen sollten sich fragen, wie sie ihren Kund:innen maßgeschneiderte Empfehlungen bringen können.

Digital Detoxing erhält 2023 ebenfalls ein Update. Einige Verbraucher, die mit negativen Online-Inhalten überflutet werden, sehen eine zunehmende Notwendigkeit, der digitalen Entgiftung Priorität einzuräumen. Obwohl die Instrumente für den digitalen Detox dieselben bleiben, wächst der Bedarf, da psychische Probleme an Gewicht gewinnen.

Neue Eigentumsformen und In-House Erfindungen

Im Jahr 2023 werden noch mehr Menschen zu Unternehmer:innen werden, indem sie beispielsweise Inhalte erstellen oder Waren verkaufen. Dieser Trend, der als Creator Inc. bezeichnet wird, wird einerseits durch den Wunsch angetrieben, Arbeit und Sinn zu verbinden, und andererseits durch neue Kreativitätswerkzeuge und Medienplattformen. Unternehmen sollten ein Auge auf ihre internen Erfinder:innen haben und die kreativen Fähigkeiten ihrer Mitarbeitenden nutzen. So hat beispielsweise das Metropolitan Museum of Art im Jahr 2022 seine jährliche Ausstellung von Kunstwerken von Mitarbeitenden zum ersten Mal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Es wird erwartet, dass mit der Entwicklung hin zu einem Web3 die Nutzenden zunehmend Miteigentümer:innen ihrer Inhalte und nicht mehr nur Mitautor:innen sein werden. Derzeit sind soziale Netzwerke wie Instagram automatisch Eigentümer:innen der von Nutzenden erstellten Inhalte, die in ihrem sozialen Netzwerk veröffentlicht werden. Neue Plattformen geben den Menschen die Kontrolle zurück, indem sie ihnen das Eigentum und die Übertragbarkeit ihrer Daten und Inhalte belassen.

Auch NFTs (Non-Fungible Tokens) spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Die digitalen Eigentumsnachweise tragen auch dazu bei, die Interaktion der Nutzenden mit digitalen Medien zu verändern. Während das bisherige Web das Geschäftsmodell für Nachrichten kaputtgemacht hat, führen NFTs zu neuen Geschäftsmodellen. Die Dezentralisierung demokratisiert die digitalen Plattformen. Dieser Paradigmenwechsel wird die Art und Weise revolutionieren, wie Unternehmen und Verbraucher:innen mit digitalen Waren, Dienstleistungen und Inhalten interagieren. Wie wird sich dies auf die Open-Science-Bewegung auswirken?

Weitere Informationen zu Trends und Technologien für 2023:

Über die Autorin:

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem “Open Economics Guide”.Birgit Fingerle ist auch auf Twitter zu finden.
Porträt, Fotograf: Northerncards©

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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