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im Interview mit Kristin Hirschmann

Vor gut zehn Jahren startete das erste Barcamp speziell zu Open Educational Resources (OER) in Deutschland. Zur Jubiläumsveranstaltung im Oktober 2022 gab es 446 Anmeldungen, 19 Workshops, 56 Barcamp-Sessions, 235 Minuten Video, Keynotes und Podcasts live von Neuseeland bis Österreich.

Im Interview berichtet Kristin Hirschmann, Projektleiterin der OERcamps, veranstaltet durch die Bildungsagentur J&K – Jöran und Konsorten, über die Entwicklung der Barcamps und weiterer OERcamp-Formate.

Im Herbst 2022 fand das Jubiläums-OERcamp in Hamburg statt. Welches Thema hat die Community besonders beschäftigt?

Beim OERcamp im Oktober 2022 stand die im Sommer von Jens Brandenburg (Parlamentarischer Staatssekretär im BMBF) vorgestellte OER-Strategie der Bundesregierung im Vordergrund. Der dritte Tag des OERcamps war somit auch ganz der Strategie gewidmet: Akteur:innen der OER-Community diskutierten und besprachen die verschiedenen Handlungsfelder der Strategie. Hierbei ermöglichten wir es auch Mitgliedern der OER-Community, die nicht beim OERcamp dabei sein konnten, die auf der Veranstaltung erarbeiteten Ergebnisse zu kommentieren. Diese Kommentierungsphase fand bis zwei Wochen nach der Veranstaltung über ein kollaboratives Dokument statt, 100 Beiträge wurden noch ergänzt.

Von Agentur J&K – Jöran und Konsorten für das OERcamp 2022 unter CC BY 4.0

Darüber hinaus wurde dem Zusammentreffen der Community vor Ort nach fast 3 Jahren ohne Präsenz-Veranstaltungen ein hoher Stellenwert beigemessen. Diese Rückmeldung bekam ich von vielen Teilnehmenden: so war die persönliche Vernetzung und der Austausch noch wichtiger.

 

Was waren die Meilensteine in zehn Jahren OERcamp?

Das erste OERcamp fand 2012 an der Universität Bremen statt. Seitdem hat sich das Format des OERcamps je nach aktuellem Bedarf weiterentwickelt: Bis 2016 fand jedes Jahr ein OERcamp in Berlin statt. 2017 gab es dann gleich zwei Neuerungen: das OERcamp erstreckte sich das erste Mal in vier Veranstaltungen von Norden, Osten, Westen bis in den Süden. Zudem wurden in Berlin mit dem OER-Award die besten offenen Bildungsmaterialien im deutschsprachigen Raum gekürt. 2018 bestand das Prinzip mit je einem OERcamp in jeder der vier Himmelsrichtungen der Bundesrepublik weiter. 2019–2020 gab es eine Schärfung der OERcamp-Formate, sodass die 5 Ziele des OERcamps (Qualifizierung von OER, OER Mainstreaming, Vernetzung und Austausch, die konkrete Materialerstellung sowie das Erlebbarmachen der Kultur des Teilens) noch besser umgesetzt werden konnten. Das heißt, neben dem partizipativen Format des Barcamps gab es nun unter anderem OERcamp-Werkstätten mit Fokus auf der Erstellung sowie Veröffentlichung von OER als auch kleine kompakte OERcamps, die an andere Veranstaltungen angeschlossen waren.

Von Agentur J&K – Jöran und Konsorten für das OERcamp 2022 unter CC BY 4.0

Aufgrund der Corona-Pandemie verschoben sich die OERcamps 2020 in den virtuellen Raum. Mit Online-Formaten wie den OERcamp Webtalks oder der OERcamp-SummOERschool konnten wir an dringende Bedarfe von Lehrenden anknüpfen, digitale Lehr-Lern-Materialien schnell zu finden, zu nutzen und selbst zu erstellen.

Weitere Meilensteine, über die wir uns sehr gefreut haben, waren die Verleihung des „Open Innovation Award 2020“ vom OE Awards Committee der “Open Education Global” an das OERcamp 2020, die Anerkennung der Arbeit der OERcamps durch den 2020 EDUCAUSE Horizon Report und das erste internationale OERcamp im Dezember 2021, das OERcamp.global. Dies war zudem das erste 48-Stunden Festival zu OER und hatte 1063 Anmeldungen aus 87 Ländern.

Was macht das OERcamp für euch so einzigartig?

Was mir bei den OERcamps immer wieder auffällt, sind die überdurchschnittlich engagierten Teilnehmenden. Einerseits kommt das natürlich durch das partizipative Format des Barcamps. Auf der anderen Seite sind die Formate des OERcamps, etwa die OERcamp-Werkstatt, sehr bedarfs-orientiert und bieten damit auch viel mehr Angebote an, als die Teilnehmenden nutzen können: die Teilnehmenden brauchen somit den Mut und die Offenheit, sich aus der Fülle der Angebote zu entscheiden, was sie auf ihrem persönlichen OER-Weg brauchen.

Von Agentur J&K – Jöran und Konsorten für das OERcamp 2022 unter CC BY 4.0

Auch gefällt mir die tolle Mischung aus Menschen, jene, die das erste Mal beim OERcamp sind mit den OER-Fortgeschrittenen und -Profis. Erfahrungsgemäß stellen die erstgenannten ungefähr die Hälfte der Teilnehmenden auf den Veranstaltungen. Der Austausch, der dadurch stattfindet, ist sehr fruchtbar und dient auch dem Ziel, OER einer größeren Masse zugänglich zu machen.

Bei dem Format der OERcamp-Werkstatt ist die OER-Erstellung und auch gleichzeitig die OER-Veröffentlichung ein großer Fokus. Das geht vom Konzept auf, weil OER-Neulinge durch das konkrete Anwenden einen niedrigschwelligen Einstieg in die Beschäftigung mit OER finden. Dieses ganz konkrete Learning-by-doing macht somit die Kultur des Teilens erlebbar. Gerade dieses Erleben finde ich sehr wichtig, um sich weiterhin mit OER beschäftigen zu können und damit auch die Potentiale der OER-Community nutzen zu können. Dass wir mit den Formaten des OERcamps diese aktive Beschäftigung mit OER fördern, finde ich besonders.

Die Mitglieder der OER-Community sind bei einem OERcamp zudem nicht nur Teilnehmende, die einseitig konsumieren, sondern der zentrale Bestandteil, der Inputs gibt, der für Austausch und Vernetzung sorgt und somit auch für eine Weiterentwicklung von OER und deren Verbreitung.

Gibt es vergleichbare Veranstaltungen auf internationaler Ebene?

International gesehen hat OER sogar eine größere Relevanz als im deutschsprachigen Raum. Der CC Summit von Creative Commons, die Open Education Global Conference mit der Open Education Week, das Open Education Policy Forum, die OER22 Conference, die Open Science Conference sowie die OpenEd sind nur einige Veranstaltungen, die OER als Fokus haben. An den Veranstaltungen wird auch deutlich, dass OER auf allen Kontinenten eine Rolle spielt. Hier wird noch viel mehr Wert auf OER als richtigen Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit und vor allem Gleichheit und sozialer Teilhabe gelegt.

Was sind eure Tipps für Mitarbeitende in Bibliotheken, die gerne mit OER starten möchten?

Es gibt bereits eine Vielzahl an Materialien für den generellen Einstieg in OER. So gibt es die #OERklärt-Videoreihe, die Grundannahmen zu OER erklärt. Veröffentlicht wurde diese über OERinfo, der Informationsstelle Open Educational Resources. Auf der Plattform iRights.info gibt es einen Schwerpunkt zu OER aus rechtlicher Perspektive. Und die OERcamps selbst haben diverse Materialien veröffentlicht, die sogar weiter genutzt werden können. Der Campus der OERcamps bietet z.B. 12 Onlinekurse mit Know-How rund um OER. Mit dabei sind u.a. „100 tolle Quellen für OER“, „Videos und Audios als OER“ oder „Online-Kurse mit und als OER“.

Spezifisch für Bibliothekar:innen empfehle ich die Fachstelle Öffentliche Bibliotheken NRW – die aus dem „oebib“-Blog hervorgegangen ist, der schon seit 2015 sehr aktiv ist.

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Wir sprachen mit:
Kristin Hirschmann ist Kultur- und Bildungswissenschaftlerin. Sie arbeitet als Projektleitung bei der Bildungsagentur J&K – Jöran und Konsorten – ein „Think-and-Do-Tank“ für zeitgemäße Bildung. In diesem Rahmen konzipiert und organisiert sie Bildungsveranstaltungen für alle Bildungsbereiche und arbeitet inhaltlich zum Thema Open Education/offene Bildung.
Porträt: Kristin Hirschmann©

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