ZBW MediaTalk

von Ralf Flohr, Stefanie Richter und Olaf Siegert

Hintergrund Open-Access-Monografien

Im Zuge der Open-Access-Transformation des Publikationssystems spielen Open-Access-Monografien eine immer größere Rolle: Fachverlage haben auf diese Entwicklung reagiert und neue Geschäftsmodelle für die Veröffentlichung von Büchern im Open Access (OA) entwickelt. Forschungsfördernde sowie Forschungseinrichtungen haben Publikationsfonds eingerichtet und stellen zur Finanzierung von Open-Access-Publikationen Mittel bereit. Bibliotheken archivieren Open-Access-Publikationen auf hauseigenen Publikationsservern, machen sie der Öffentlichkeit zugänglich und sorgen für ihre Sichtbarkeit sowie die langfristige Verfügbarkeit.

Nutzung der Creative-Commons-Lizenz

Für die Frage, wer eine Open-Access-Publikation wie nutzen darf, wird in der Regel mit jedem Dokument eine Creative-Commons-Lizenz (CC-Lizenz) verknüpft. Diese eröffnet beispielsweise – je nach Ausgestaltung – das Recht, die Publikation unter bestimmten Bedingungen zu kopieren, zu speichern, zu archivieren, weiter zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, ohne dass die jeweiligen Rechteinhaber:innen um Zustimmung gebeten werden müssen. So nutzen auch Bibliotheken die CC-Lizenzen, um Open-Access-Publikationen in ihren Bestand aufzunehmen und weiterzuverbreiten. Mit den Creative-Commons-Lizenzen wird also ein barrierefreier Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen überhaupt erst möglich gemacht.

Probleme bei OA-Monografien mit Drittmaterialien

Insbesondere im Bereich der Open-Access-Monografien gibt es hier allerdings Probleme bei der Ausgestaltung. Schwierig wird es vor allem, wenn Drittmaterialien verwendet werden, die einer anderen Lizenz unterliegen. Bei solchen Drittmaterialien kann es sich zum Beispiel um Abbildungen, Fotografien, Grafiken, Tabellen und andere Schaubilder handeln.

Sofern sich die Autor:innen nicht auf das Zitatrecht berufen können, müssen sie für die Aufnahme von diesen Materialien in die Monografie die Zustimmung der Rechteinhaber:innen einholen. In vielen Fällen unterliegen die Drittmaterialien nicht der für die Monografie geltenden Creative-Commons-Lizenz. Vielmehr verwenden Autor:innen die Drittmaterialien auf der Basis einer anderen Lizenz, die nicht die gleichen Nutzungsmöglichkeiten eröffnet, wie die CC-Lizenz. Meist gilt für diese Materialien, dass alle Rechte vorbehalten sind. Ausführliche Hinweise zum Umgang mit Materialien von Dritten finden sich auch im OA Books Toolkit von Open Access Publishing in European Networks (OAPEN).
In den vom Nationalen Open-Access-Kontaktpunkt OA2020-DE veröffentlichten “Qualitätsstandards für den Einstieg in die Open-Access-Stellung von Büchern” heißt es zur Aufnahme von Drittmaterialien unter dem Punkt Rechte und Lizenzen:

“Die Rechte an Abbildungen und weiteren Fremdmaterialen in den Büchern sind geklärt, klar ausgewiesen und behindern nicht die Zurverfügungstellung des Gesamtwerks unter einer Creative-Commons-Lizenz.“

Die Praxis sieht dabei leider oft anders aus, denn einige Wissenschaftsverlage versehen die Creative-Commons-Lizenzen von Open-Access-Monografien mit Einschränkungen für Drittmaterialien. Hier zwei Beispiele:

Beispiel 1

Schettler, Leon Valentin: Socializing Development, transcript Verlag, Bielefeld, 2020.

Beispiel 2

Teske, Sven (ed.): Achieving the Paris Climate Agreement Goals, Springer Nature, Cham, 2020.

Pauschale Absicherung von Verlagen

Tatsächlich wird die Open-Access-Nutzung des Gesamtwerks durch die Aufnahme von Fremdmaterialien aber in der Praxis behindert, wenn diese nicht ebenfalls der Creative-Commons-Lizenz unterliegen. Die Verlage weisen in ihren Impressumsangaben häufig standardmäßig darauf hin, dass für die Wiederverwendung dieser Materialen gegebenenfalls weitere Nutzungsrechte von den jeweiligen Rechteinhaber:innen eingeholt werden müssen, selbst wenn sich in den Monografien keine dafür infrage kommenden Drittmaterialien befinden. Diese Einschränkung gilt auch für Nutzungshandlungen, die an sich durch die Creative-Common-Lizenz abgedeckt wären, wie zum Beispiel die Weiterverbreitung. Mit den pauschalen Einschränkungen in den Impressumsangaben sichern sich die Verlage ab, falls es bei der weiteren Nutzung der Publikationen zu Konflikten mit den Rechteinhaber:innen kommen sollte. Die Möglichkeiten, die sich eigentlich aus der CC-Lizenz ergeben, werden dadurch stark eingeschränkt, und diejenigen, die die Werke im Sinne von Creative Commons gern weiterverwenden würden, stehen vor großen Herausforderungen.

Schwierige Open-Access-Nutzung in der Praxis

Für die Weiterverbreitung von Open-Access-Publikationen, insbesondere Monografien, ist diese Praxis der pauschalen Einschränkungen problematisch. Die Einholung von weiteren Nutzungsgenehmigungen, zum Beispiel durch Betreiber:innen von Repositorien, ist in vielen Fällen schwierig und stellt eine Hürde für die freie Weiterverbreitung dar. Die Monografien können also nicht umfassend im Sinne von Open Access genutzt werden. Mögliche Nutzungsszenarien, wie die Bereitstellung in wissenschaftlichen und sozialen Netzwerken wie Researchgate und Academia.edu sowie die Verwendung als Open Educational Resources werden ebenfalls erschwert.

Andererseits wäre es aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll, die Monografien ohne die enthaltenen Drittmaterialien weiterzuverbreiten. Streng genommen können solche Monografien daher nicht mehr als Open-Access-Publikationen im Sinne der Berliner Erklärung bezeichnet werden. Es handelt sich vielmehr um eine Form von Gratis-Open-Access, die im Wesentlichen den lesenden Zugriff ermöglicht. Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn diese Dokumente mit maschinenlesbaren Daten als Creative-Commons-Publikationen deklariert und in entsprechenden Suchmaschinen nachgewiesen werden, aber dann nicht umfassend als solche genutzt werden können.

Handlungsempfehlungen für Stakeholder:innen

Aufgrund der genannten Aspekte sind wir der Auffassung, dass sich diese Praxis der eingeschränkten CC-Lizenzen nachteilig auf die Entwicklung von Open Access auswirkt.
Die Frage ist, wie man zukünftig diese Praxis verhindern beziehungsweise darauf hinwirken kann, dass Open-Access-Publikationen mit uneingeschränkten CC-Lizenzen versehen werden. Dazu haben wir einige Empfehlungen für die unterschiedlichen Stakeholder:innen zusammengestellt.

Was Autor:innen und Verlage tun können:

  • Die Rechte von Drittmaterialien bereits vorab so zu klären, dass eine umfassende Nutzung im Sinne von Open Access ermöglicht wird. Drittmaterialien sollten im Rahmen des Zitatrechts in das Werk eingebunden werden.
  • Falls dies nicht möglich ist, sollten Drittmaterialien verwendet werden, die ebenfalls einer freien Lizenz unterliegen oder für die mit den Rechteinhaber:innen eine kompatible Creative-Commons-Lizenz vereinbart werden kann.
  • Die Verlage sollten auf pauschale Einschränkungen verzichten, wenn in dem Werk gar keine Drittmaterialien verwendet werden.

Was Open-Access-Beauftragte, Bibliotheken und Förderfonds tun können:

  • Entscheidend ist die Aufklärung und Beratung der Autor:innen über die rechtlichen Folgen einer Verwendung von Drittmaterialien in Open-Access-Monografien.
  • Förderfonds für Open-Access-Monografien sollten idealerweise nur solche Werke fördern, bei denen keine Einschränkungen der Creative-Commons-Lizenz vorliegen.

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  • über die Autor:innen:

    Ralf Flohr ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Publikationsdienste und Content Manager von EconStor an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Er ist auch auf LinkedIn zu finden.

    Olaf Siegert leitet die Abteilung Publikationsdienste der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und engagiert sich als ihr Open-Access-Beauftragter. Für die Leibniz-Gemeinschaft repräsentiert er den Leibniz-Arbeitskreis Open Access in externen Gremien: So ist er bei der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in der AG Wissenschaftliches Publikationssystem und bei Science Europe für die Leibniz-Gemeinschaft aktiv.

    Stefanie Richter ist seit 2010 in der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft im Lizenzmanagement tätig und verhandelt und betreut in diesem Rahmen Lizenzverträge für die ZBW sowie überregionale Konsortien, die zunehmend auch eine Open Access Publish-Komponente enthalten.

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