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Das Waterkant StartupSH Festival (#waterkant17) fand 2017 zum zweiten Mal statt. Vom 15.-16.06.2017 trafen sich auf dem ehemaligen Marinefliegergelände in Kiel nicht nur Mitglieder der Start-Up-Szene aus Schleswig-Holstein und anderen Teilen Deutschlands, sondern auch internationale Gäste, insbesondere aus Skandinavien. Genauso waren auch Vertreterinnen und Vertreter aus länger bestehenden Organisationen, Politik und Bildung bei der von OpenCampus und StarterKitchen organisierten Veranstaltung mit Festivalcharakter.

Shanty trifft Roboter – Tradition und neue Technologien müssen kein Gegensatz sein

Zwischen Keynote- und Vortragssessions, interaktiven Workshop-Sessions und Ausprobierangeboten im Ausstellungsbereich wurde ein umfangreiches Programm geboten, dass die Palette aktueller Trend- und Technologiethemen wie Augmented Reality, Blockchain, Chatbots und Design Thinking bot. Zwischen den Besucherinnen und Besuchern umherfliegende Drohnen und ein auf Befehle wartender Roboter sowie weitere Mitmachangebote sorgten für Technologie „zum Anfassen“. Dass Tradition und neue Technologien keine Gegensätze darstellen müssen, zeigten gemeinsam vom Shantychor Albatros mit dem Roboter gesungene Shantys.

Dass klassischer Einzelhandel und Digitalisierung ebenso wenige Gegensätze darstellen müssen, verdeutlichte die Bummelbude, die online zeigt, was es regional in den Geschäften gibt und somit die Innenstädte unterstützt.

Die Begrüßung am Donnerstagabend fand durch den Kieler Oberbürgermeister Ulf Kämpfer statt, der unter anderem die im September 2017 stattfindende Digitale Kieler Woche, das Gegenstück zu der in diesen Tagen stattfindenden Kieler Woche, vorstellte.

Bildung für Start-ups auf dem Land

In dem Workshop Startup auf dem Land, organisiert von Ulrich Bähr von der Heinrich-Böll-Stiftung Schleswig-Holstein, wurden ländliche CoWorking-Initiativen und Fördermöglichkeiten vorgestellt. Dazu gehört das Projekt Grüne Werkstatt Wendland, vorgestellt von Michael Seelig, bei der der Landkreis Lüchow-Dannenberg, Lehrstühle verschiedener Hochschulen sowie Partner aus der regionalen Wirtschaft kooperieren. In der Grünen Werkstatt werden beispielsweise Design Camps mit Studierenden unterschiedlicher Hochschulen durchgeführt, die in interdisziplinären Gruppen Fragestellungen regionaler Betriebe bearbeiten.

Im Anschluss daran wurden in Arbeitsgruppen Forderungen formuliert, die erfüllt sein müssen, damit Startups in ländlichen Regionen gedeihen können. Zu den Ergebnissen der Arbeitsgruppe „Bildung“, die thematisch gut eine Fortsetzung des Leuchtfeuer 4.0 MOOCs hätte darstellen können, zählten:

  • Bedarfsbezogene Weiterbildung, vor allem auch zu Gründerthemen, Beratung,
    Coworking auf dem Land
  • Ein (selbstfahrender) Makerspace, analog zu den Bücherbussen der Fahrbibliotheken
  • Das Angebot einer Bildungstournee“, die einen Kurs plus mobilem Makerspace umfasst
  • Online- und vor-Ort-Angebote der Volkshochschulen

Von Wacken Open Air lernen

Eine weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannte Marke ist das Wacken Open Air Festival. Im Keynote Talk schilderte der Wacken Open Air Mitgründer Thomas Jensen, wie aus der ursprünglich defizitären Veranstaltung ein großer Publikumserfolg wurde und was andere Unternehmen von ihrem „Startup Thinking“ lernen könnten. Dass der Erfolg von Wacken vor allem eine Frage der Haltung ist zeigen neben der konsequenten Kundenorientierung die folgenden Zitate:

  • “Die Frage war nicht, ob wir weitermachen, sondern wie wir weitermachen!”
  • “Vertrauen war am wichtigsten”, auf die Frage, ob er Vertrauen in die anderen Beteiligten oder rechtssicheren Verträgen den Vorzug gegeben hätte.

Coworking Spaces etablieren

Um Coworking ging es in mehreren Sessions. Dazu zählte die Session “How do we want to work”, in der Coworking-Expertin Daniela Marzavan die Elemente von Coworking-Spaces wie Open Space, private Räume, formelle und informelle Meetingräume vorstellte und aus Coworking-Projekten in Konzernen berichtete. Die Schwierigkeit dieser Projekte besteht darin, dass Kernelemente von New Work #newwork wie Spontaneität und Coworking in Konzernen unbekannt sind.
Anschließend stellte Ingrid Wernecke Fleet 7 vor, den kurz vor der Eröffnung stehenden Coworking Space der Kieler Nachrichten, für die das Engagement im Coworking einen der Bausteine bildet, um angesichts des Medienwandels am Puls der Digitalisierung zu sein.

Der Frage “How to set up a coworking space?” widmeten sich Christian Cordes, Leiter des Schiller40 Coworkingspace in Wolfsburg, und Tobias Schwarz, Coworking Manager St. Oberholz, in ihrer Session. Dabei gingen sie darauf ein, dass es sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle von Coworking Spaces gibt und dass es in einem Coworking Space verschiedener Rollen bedarf. Bei einem kleinen Coworking Space sind diese Rollen wie Coworking Manager, Community Manager, Event Manager und Coffee Manager im Zweifel aber in einer Woche in einer Person vereint. Dass die Rolle des Coworking Managers nicht jedem liegt, weil ein Coworking Space so wenig Strukturen vorgibt, war eine ihrer Erfahrungen. Und schließlich stellte Tobias Schwarz fest: “Librarians are very well educated when it comes to running an Open Space”

Hack your education

Welche Möglichkeiten für das Erreichen selbstbestimmter Lernziele es abseits formalisierter (Fort) Bildungsangebote gibt, stellte Nicole Driemeier von Goodwerk in ihrer “Hack your education” Session dar.

Ihre Tipps:

  • Sprich‘ es aus, was du lernen möchtest, mach‘ einen Plan, und pass‘ ihn wieder an.
  • Suche dir das Wissen, den Content und das Netzwerk, das dir hilft. Da Content im Internet oft oberflächlich ist, hält sie sehr viel von Büchern, die tiefgründige Erkenntnisse ermöglichen. „Es lohnt sich wirklich, einen Tag frei zunehmen und in die Bibliothek zu gehen.“
  • Als Tools, um Lerncontent zu sammeln empfahl sie unter anderem Keeeb, Trello und Evernote.
  • Ebenso wichtig für ein gelungenes Lernerlebnis findet sie es, dass man selbst aktiv wird und das Thema praktisch erlebt und
  • dass man Networking betreibt und von den Expertinnen und Experten eines Themas lernt, wie sie arbeiten.

Gleichzeitig war es Nicole Driemeier ein Anliegen, auf die dunklen Nebeneffekte des Lernens einzugehen, um diese bei der eigenen Lernkurve zu berücksichtigen: Wenn man etwas Neues lernt, so trifft man irgendwann auf andere Menschen, die nicht die gleiche Lernerfahrung teilen. Dann wird es unweigerlich schwierig. Aber wenn man diese Phase gemeistert hat, zeigt die Lernkurve anschließend steil nach oben.

Visuelle Wissenschaftskommunikation

Um visuelle Wissenschaftskommunikation ging es in Tom Duschers „Starting Up Visual Science Communication“ Session. Hier wurde ein innovatives interaktives Poster zum Thema „Erdbeben“ vorgestellt.

Augmented und Virtual Reality

Bei Wondarplay konnte man beim Waterkant-Festival eine Augmented Reality-Lösung testen, mit der sich Sterne und Sternebilder leicht mittels einer kleinen Wonderplay-„Kiste“ (erinnert an Google Cardboard) und Android-App (iOS-App ist in Planung) am Himmel erkennen lassen.
Am Stand von Cap3 konnten auf Papier ausgedruckte Muster mit einer Augmented Reality-App auf dem Smartphone zum Leben erweckt werden. Hier ließen sich sofort interessante Anwendungsszenarien für Bibliotheken und Wissenschaftskommunikation vorstellen.

Richtig aktiv werden konnte man beim Malen in der Virtuellen Realität am Stand der Firma „Studio Creality“. Zurzeit arbeitet die Firma an der Umsetzung eines Mixed-Reality-Livestreams auf der Plattform Twitch. Beim Waterkant Festival konnte man selbst kreativ werden und mit Virtual Reality-Brille und Handgelenk-Steuermodul ausgerüstet das Tool „Tilt Brush“ testen. Anfangs noch etwas planlos, entwickelt man schnell ein Gefühl für das Handling der Steuerelemente und findet Spaß an der neuen Art „in die Luft“ zu zeichnen. Dieses Beispielvideo gibt einen kleinen Eindruck von der virtuellen Farbpalette, den Pinseln und Effekten, die das Tool „Tilt Brush“ bietet.

Nützliche Roboter

Roboter waren das Thema einer Keynote: Marius Aabel aus Norwegen von No Isolation berichtete, wie sie in einen Telepresence Roboter für die Betreuung chronisch kranker Kinder entwickelt haben: „How we developed a production ready telepresence in 10 months

In einer weiteren spannenden Session in der Robotics-Area des Waterkant Festivals berichtete Hannes Eilers von der Entwicklungsgeschichte von Roboter „Emma“: „Die Akzeptanz für Technik oder ein technisches Produkt steigt enorm, wenn man die technikfernen Leute rechtzeitig mit einbindet.“ Der später in der Pflege einzusetzende Roboter soll einmal zeitraubende einfache Aufgaben übernehmen, die Pflegequalität verbessern und Pflegekräfte unter anderem bei ihrer Dokumentationspflicht unterstützen, damit wieder mehr Zeit für die Menschen da ist. Roboter, die mit Menschen agieren, sollten möglichst dem „Hündchen-Schema“ entsprechen, das heißt lieb aussehen und einfach und direkt interagieren. Denn (alte) Menschen würden viel mehr auf Laute, Mimik und Gestik reagieren. Wenn man „Emma“ den Kopf tätschelt, dann kichert sie etwa. Auf ihrem vor dem Bauch angebrachten Touchpad kann man zwischen verschiedenen Menüpunkten wählen, wie Zaubern, Tiere imitieren, Lieder singen wie „An der Nordseeküste“ und „Gangnam Style“ tanzen.

Eine lohnenswerte Veranstaltung an der Waterkant – wir sind gespannt auf 2018

Das Waterkant-Festival 2017 war eine sehr interessante Veranstaltung rund um aktuell angesagte Technologien,Trends und Gründungsthemen, und das definitiv über Startups hinaus auch für Menschen aus anderen Unternehmen und Organisationen. Die tolle Location direkt an der Kieler Förde und ein stimmiges Rahmenprogramm rundeten das Erlebnis ab. Das Programm war so umfangreich, dass es so vieles mehr zu sehen und zu hören gab, dass sich dies leider gar nicht alles in einen Blogpost fassen lässt.

Weiterführende Links:

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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