Open Access auf dem Bibliothekartag 2017: Vom großen DEAL bis zur alltäglichen Arbeitsebene

von Olaf Siegert

Vom 30.05.-02.06.2017 fand in Frankfurt am Main der 106. Bibliothekartag statt, das jährliche zentrale Branchentreffen im deutschsprachigen Bibliothekswesen. Unter dem Motto „Medien – Menschen – Märkte“ trafen sich etwa 3.800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Das Angebot erstreckte sich über fast 400 Vorträge (zu vielen davon gibt es die Vortragsfolien online). Die verschiedenen Aspekte von Open Access standen bei knapp 20 Vorträgen im Fokus, außerdem wurde das Thema noch in einer Podiumsdiskussion, mehreren Workshops und Firmenpräsentationen sowie verschiedenen Posterpräsentationen adressiert.

Kurzfristiges Podiumsgespräch zu DEAL

Der Dienstag startete gleich sehr spannend mit dem kurzfristig anberaumten GeSIG-Podiumsgespräch zum Thema „Bibliothekarische Standpunkte zu DEAL“ (PDF zur Ankündigung). Dabei ging es um die Initiative DEAL, der Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen, die das Ziel verfolgt, bundesweite Lizenzverträge mit Open-Access-Komponente mit den großen Wissenschaftsverlagen abzuschließen. Das Podiumsgespräch kreiste dabei um die Fragen: Wie ist der Status Quo der Verhandlungen? Und was bringt DEAL den Bibliotheken?

Auf dem Podium diskutierten dazu:

  • Susanne Goettker (Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf)
  • Dr. Hildegard Schäffler (Bayerische Staatsbibliothek München)
  • Dr. Frank Seeliger (Bibliothek der TH Wildau)
  • Dr. Franziska Wein (Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt/Gotha)

Es gab mehrheitlich positive Rückmeldungen zur DEAL-Initiative, die insgesamt aus Bibliothekssicht begrüßt wird. Zudem wurden diverse Detailfragen beantwortet, wie z.B. dass es keine Verpflichtung einzelner Bibliotheken zur Teilnahme gibt und der Umstieg auf ein Open-Access-Transformationsmodell nicht von heute auf morgen, sondern erst in einer mehrjährigen Übergangsphase angedacht ist.

Unterschiedliche Zwischenstände zu Open-Access-Länderstrategien

Ebenfalls am Dienstag gab es zwei ebenso sehr gut besuchte vertiefende Open-Access-Vortragssessions in den großen Veranstaltungssälen. Dabei ging es zunächst um die Session „Open Access: Strategien und Policy” mit vier Vorträgen. Hier diskutierten zu Beginn Beate Rusch (Zuse- Institut Berlin) und Jürgen Christof (UB der TU Berlin) zum Thema „Open Access als Haltung“, bei der es u.a. um die Frage ging, wie Verbünde Bibliotheken bei der Open-Access-Transformation noch stärker unterstützen können. Danach beleuchtete Isabella Meinecke (Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg) die Hamburger Open-Access-Strategie und kam vor dem Hintergrund der diversen Untiefen des Politikbetriebs zu einem eher vorsichtigen Zwischenfazit.

Direkt im Anschluss stellte Andreas Hübner vom Open-Access-Büro Berlin die Berliner Open-Access-Strategie vor und konnte dabei neben der detaillierten Ausgestaltung auch schon von ersten kleinen Umsetzungserfolgen wie dem Zuwachs an Open-Access-Beauftragten in den Berliner Hochschulen oder der Erstellung einer Studie zum Publikationsverhalten berichten. Im abschließenden Vortrag der Session stellte Torsten Reimer von der British Library die „Scholarly Communications Licence“ (Folien) vor. Dabei handelt es sich um ein interessantes Modell für Zweitverwertungsrechte aus Sicht der Wissenschaftsorganisationen, das aber sehr eng an das angloamerikanische Urheberrecht gekoppelt ist.

Berichte aus der Open Access-Praxis

Die nachfolgende Session “Open Access in der Praxis” beinhaltete ebenfalls vier Vorträge, die sich vor allem aus der bibliothekarischen Praxis heraus mit dem Thema Open Access beschäftigen. Hier stellten Martin Blenkle und Manfred Nölte von der Staats- und Universitätsbibliothek Bremen in ihrem Vortrag „Open-Access-Medien in den Bibliothekskatalog! Chancen & Risiken“ (Folien) vor, wie mithilfe der Suchmaschine BASE Open-Access-Publikationen in ein lokales Discovery-System integriert werden können. Danach berichtete Lambert Heller von der TIB Hannover über das DFG-Projekt „Nachnutzung von Open-Access-Abbildungen (NOA)“, bei dem ein Verfahren zum automatischen Harvesting, zur Erschließung und zur Bereitstellung wissenschaftlicher Abbildungen aus Open-Access-Journals entwickelt wird. Die Texte und Abbildungen der Artikel sollen dabei mittels Wikisource, Wikimedia Commons und Wikidata abgelegt und beschrieben werden.

Dem Thema „Open Access Grey“ (Folien) widmete sich dann Susanne Maier (Staatsbibliothek zu Berlin) und analysierte in ihrem Vortrag die verschiedenen Rahmenbedingungen für die Bereitstellung von amtlichen Druckschriften im Internet und verglich dabei u.a. die Situation in der EU, den USA und Deutschland.

Der finale Vortrag in der Praxissession kam von Evelinde Hutzler von der Universitätsbibliothek Regensburg. Sie adressierte die Open-Access-bezogenen Dienste der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (Vortragsseite) und berichtete hier u.a. ebenfalls von einer Kooperation mit der Bielefelder Suchmaschine BASE. Außerdem kooperiert die EZB auch mit dem Projekt DeepGreen, bei dem es um die Zweitverwertungsrechte aus Allianz- und Nationallizenzen geht.

Offsetting-Modelle und -Praxis

Der Mittwoch beinhaltete aus Open-Access-Sicht zunächst eine interessante Firmensession von Taylor und Francis, bei der neben den verschiedenen Offsetting-Modellen (bzw. offset agreements) des Anbieters auch ein Praxisbericht aus Österreich vorgestellt wurde, den Susanne Tremmel vom österreichischen Bibliothekskonsortium KEMÖ vorstellte. Dabei wurde deutlich, welche Aspekte erfüllt sein müssen, damit ein Offsetting-Vertrag für beide Seiten zufriedenstellend umgesetzt werden kann – hier müssen sowohl Verlage als auch Bibliotheken langjährige Geschäftsabläufe überprüfen und den Open-Access-Gegebenheiten anpassen. Im Anschluss daran berichtete Alexandra Jobmann vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel, welche Rolle Open Access im Arbeitsalltag einer kleinen Institutsbibliothek spielt.

In der Session „Alles Open?“ ging es direkt weiter mit dem Thema Offsetting: In seinem sehr interessanten Vortrag zum Thema Offsetting-Verträge (Folien) ging Bernhard Mittermaier (Forschungszentrum Jülich) der Frage nach, welche Rahmenbedingungen erfüllt sein müssen, damit diese Verträge nicht nur eine Verstetigung des Subskriptionsmodells darstellen, sondern tatsächlich im Sinne der Open-Access-Transformation einen Umstieg der Finanzierung nach dem Publikationsaufkommen initiieren.

Wie verändert Open Access Bibliotheken und wie kann man auf dem Laufenden bleiben?

Am Nachmittag organisierte Jasmin Schmitz von der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin (ZB MED) einen Workshop zum Thema „Open-Access-Beratung konkret: Welche Tools kann ich nutzen? Wie halte ich mich auf dem Laufenden?“ (Folien). Dabei wurden unter anderem Tools wie SHERPA/RoMEO oder OpenDOAR vorgestellt und ausprobiert, die zur Beantwortung von Anfragen konsultiert oder als Informationsquelle an Nutzerinnen und Nutzer weitergegeben werden können.

Am Donnerstagmorgen beschäftigte sich die öffentliche Arbeitssitzung der dbv-Kommission für Erwerbung und Bestandsentwicklung mit Open Access als einem Thema für die Erwerbung. Dabei ging es um die Frage, wie sich Erwerbungsprozesse in Bibliotheken in Zeiten von Open Access ändern und welche Chancen und Risiken damit verbunden sind. Dazu gab es zwei Praxisberichte aus Universitätsbibliotheken, zum einen von Dirk Pieper (Universitätsbibliothek Bielefeld) und zum anderen von Anke Rautenberg (KIM der Universität Konstanz). Ergänzt wurde die Session um einen Vortrag von Sven Fund (Knowledge Unlatched), der sich mit den Möglichkeiten des Open Access bei geisteswissenschaftlichen Monographien auseinandersetzte.

Disziplinäre Besonderheiten

Am Nachmittag folgte dann eine Session zum Thema „Open Access in Kunst- und Museumsbibliotheken“, die von der AKMB (Arbeitsgemeinschaft der Kunst- und Museumsbibliotheken) organisiert wurde. Dabei ging der Autor dieses Blogbeitrags auf den Stand der Entwicklung und die disziplinären Besonderheiten bei Open Access ein. Um hier insbesondere die Publikationskulturen in den Geisteswissenschaften zu berücksichtigen, sei es unumgänglich, die Möglichkeiten für Open-Access-Monographien durch geeignete Förderprogramme und Publikationsinfrastrukturen verstärkt auszubauen. Der zweite Vortrag der Session „Open Access geht uns alle an! Zum aktuellen Publikationsverhalten in der Kunstgeschichte“ wurde von Maria Effinger (Universitätsbibliothek Heidelberg) vorgetragen und beleuchtete die beeindruckende Vielfalt an Unterstützungsdiensten für Open-Access-Publikationen durch die Universitätsbibliothek.

Ein weiterer Einzelvortrag in einer anderen Donnerstagssession beschäftigte sich ebenfalls mit der Situation in Heidelberg und wurde mit dem Titel „E-Publishing und Open Access im Kontext der Fachinformationsdienste“ von Veit Probst (Universitätsbibliothek Heidelberg) präsentiert. Dabei ging es vor allem um die drei von der UB Heidelberg in Kooperation betriebenen Fachinformationsdienste (FID) Altertumswissenschaften (Propylaeum) mit der BSB München, Kunst (arthistoricum.net) mit der SLUB Dresden und Asien (CrossAsia) mit der Staatsbibliothek zu Berlin. In allen drei FIDs übernimmt Heidelberg als Kernaufgabe die Bereitstellung einschlägiger Open-Access-Publikationsplattformen.

Fazit

Auch wenn manche Zungen behaupten, dass Open Access kein relevantes Thema im Sinne von „hip“ und „modern“ für die wissenschaftspolitische Debatte mehr ist, so belegt die starke Präsenz auf dem Bibliothekartag, dass Open Access jetzt massiv auf der Arbeitsebene angekommen ist und die Bibliotheken zunehmend in ihrem Arbeitsalltag beschäftigt (vgl. dazu auch den Blogbeitrag von Jürgen Christof). Dabei ist die Themenpräsenz auf dem Bibliothekartag umso beachtenswerter, als sich ja bereits seit einigen Jahren mit den Open-Access-Tagen eine Praktikertagung etabliert hat, die mit Besucherzahlen von mittlerweile 300-400 Teilnehmenden ebenfalls viele Personen aus dem Bibliotheksumfeld anzieht.

Fotos: K.I.T. Group GmbH© / Jose Poblete

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