Trend-Monitoring, Teil 1: Trends finden und erkennen

von Birgit Fingerle

Das neue Jahr wirft seine Schatten voraus. Was wird dann wichtig sein? Relevante Trends zu identifizieren und zu beobachten, trägt dazu bei, mit dem eigenen Angebot wettbewerbsfähig zu bleiben. Sich mit Trends zu beschäftigen hilft, verschiedene Optionen durchzuspielen, im Kopf flexibel zu bleiben und gut auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können, selbst wenn nicht alles so eintritt, wie vermutet.

Wie lässt sich das Trend-Monitoring mit oft sehr begrenzten Ressourcen also organisieren? Hier einige Empfehlungen:

Augen auf!

Das Wichtigste: Augen offen halten! Alles, was einem im täglichen Leben über den Weg läuft, könnte eine Innovation sein, und verwirklichte Innovationen stellen Spuren zu Trends dar. Daher lautet der Rat, vor allem zu beobachten, was Unternehmen an Innovationen auf den Markt bringen:

“Watch businesses first, customers second.”
(Mason et al; Trend Driven Innovation, ; Wiley, Hoboken/NJ, 2015, S. 46)

Warum ist es sinnvoll, den Fokus auf Unternehmen zu legen? Zum einen findet ein Erwartungstransfer statt. Was Bibliotheksnutzerinnen und –nutzer (oder auch Nichtnutzerinnen und -nutzer) bei Unternehmen beobachten, das prägt ihre Erwartungen. Diese Erwartungen transferieren sie auch auf andere, nichtkommerzielle Anbieter, wie eben Bibliotheken. Was ein Unternehmen als Innovation auf den Markt bringt, stellt zudem eine Wette auf die Zukunft dar, die es aufgrund seiner Kundenkenntnisse abschließt.

Die gesammelte Weisheit der Business Crowd mit ihren Wetten auf die Zukunft, was sie als zukunftsfähig betrachtet, stellt eine wertvolle Ressource dar. In den Innovationen sind Informationen über Trends verdichtet. Sie zu beobachten ist also schlichtweg einfacher und effizienter zu bewerkstelligen, als Kundinnen und Kunden bei ihrem Verhalten zu beobachten.

Offen sein für wertvolle “verrückte” Ideen

Alleine die Augen offen zu halten, genügt aber nicht; auch im Kopf offen zu sein, ist gefordert. Sonst würden wir ein Beispiel wie Morioka schnell beiseite schieben, obwohl es uns vielleicht wertvolle Hinweise geben kann: Morioka ist ein Buchladen, der 2015 in Tokio eröffnet wurde und pro Woche nur einen Buchtitel zum Verkauf anbietet. Während dieser Tage werden allabendlich Veranstaltungen angeboten, bei denen das Buch diskutiert wird, oder es die Möglichkeit gibt, mit dem Autor oder der Autorin zu sprechen.

frame-chrome-morioka

Für eine Bibliothek mag die Idee, nur einen Titel pro Woche anzubieten, abwegig erscheinen. Aber was spiegelt sich darin? Möglicherweise der Trend zur Exklusivität oder auch zur Kuration, zur Vorauswahl von Content und damit auch Vereinfachung innerhalb der Informationsflut und Zeitersparnis für die Kundin oder den Kunden?

Jedenfalls sollte eine Innovation nicht gleich als Quatsch abgetan werden, sondern es sollte überlegt werden, warum es diese Innovation wohl gibt, wie sie sich auf Kundenerwartungen auswirken wird und wie sich die Innovation auf die eigene Branche übertragen ließe. Auch scheinbar bizarre Nischeninnovationen könnten wertvolle Hinweise liefern und sollten nicht ignoriert werden. Sie können auch bei Kundinnen und Kunden mit weniger extremen Wünschen zu einer Verlagerung ihrer Erwartungen führen. Beispiel Snapchat, dessen Hype für viele Erwachsene unverständlich erscheint.

Eine Innovation macht noch keinen Trend

Eine beobachtete einzelne Innovation allein bildet aber noch keinen Trend! Es gilt, Cluster von mehreren Innovationen zu bilden, um Trends zu finden. Konsum- und Social Media-Trends sind dabei besonders interessant, prägen sie doch stark die Erwartungshaltung von Nutzerinnen und Nutzern.

Um Trends von kurzlebigen Hypes abzugrenzen: Was wir tun, ist ein Trend. Wie wir es tun, kann eine Modeerscheinung sein. Trends entstehen, wenn externer Wandel neue Möglichkeiten eröffnet, grundlegende menschliche Bedürfnisse auf neue Art und Weise zu befriedigen. Das spezifische Angebot, das die Menschen nutzen, kann allerdings eine Modeerscheinung sein.

So ist zum Beispiel MySpace gescheitert, aber nicht Soziale Netzwerke insgesamt, wie etwa Facebook beweist. Auch dass die anfängliche Euphorie rund um Pokémon Go nun abgeschwächt ist, bedeutet nicht, dass der Einsatz von Augmented Reality in Apps, Produkten oder Services am Ende wäre. Im Gegenteil, die Technologie wird langsam massentauglich!

Wenn einzelne Innovationen scheitern, ist dies kein Beleg für das Scheitern eines Trends. Das Scheitern kann verschiedenste Ursachen haben, zu denen eine schlechte Umsetzung oder mangelnde Finanzierung gehören können.

Informationsquellen für die Trendbeobachtung

Als mögliche Quellen für das Trend-Monitoring sind spezielle Trendreports für Bibliotheken, aber auch für den Bildungs- oder Wissenschaftsbereich, zu nennen, wie:

NMC Horizon Report Library Edition

“Top Trends in Academic Libraries” der Association of College and Research Libraries.

Spezielle Trend-Monitoring-Services wie Trendwatching.com, Springwise.com oder Trendhunter.com beschäftigen sich insbesondere mit Konsumtrends.

Technologiereports wie Gartner Hype Cycles helfen, über neue Technologien auf dem Laufenden zu bleiben.

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Auch der Besuch von Veranstaltungen, etwa Barcamps, Social Networks, RSS-Feeds, Forschungsergebnisse, Crowdfunding-Websites sowie Vordenkerinnen und Zukunftsforscher sind als Quellen für das Trend-Monitoring geeignet.

Darüber hinaus gibt es natürlich noch eine Vielzahl weiterer Quellen, die das Entdecken von Trends unterstützen. Welche würden Sie besonders empfehlen?

Weiterführende Informationen:

Über die Autorin:
Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem “Open Economics Guide”. Birgit Fingerle ist auch auf LinkedIn zu finden.
Porträt, Fotograf: Northerncards©

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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