Open-Access-Tage 2025: Ziel erreicht – oder wie kann es (jemals) gelingen?

von Dr. Juliane Finger, Ronja Kuhlwilm, Olaf Siegert, Helene Strauß

Die diesjährigen Open-Access-Tage fanden vom 17.-19.09.2025 an der Universität Konstanz statt und standen unter dem Motto: “Mission Accomplished? Open Access und die Re/pro/duktion von Ungleichheit im wissenschaftlichen Publikationswesen“. Mehr als 400 Teilnehmer:innen hatten dabei die Auswahl aus drei Keynotes, 33 Vorträgen, 27 Workshops und einer umfangreichen Poster-Session. Die Folien und Poster finden sich auf Zenodo.

Im Folgenden stellen wir einige Sessions und Workshops vor, die wir als ZBW-Team besucht oder aktiv gestaltet haben:

Identifizieren und Kennzeichnen

In der Session unter dem Motto “Identifizieren und Kennzeichnen” wurden drei Open-Access-Projekte in Einzelvorträgen vorgestellt. Zunächst berichtete Colin Sippl (UB Regensburg) in seinem Vortrag “Diamond-OA in der EZB: Verborgene Schätze sichtbar machen” über die Weiterentwicklung der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB) von einem Tool zur Anzeige der Zugangsberechtigung von digitalen Journals hin zu einem Service, der auch einen sehr guten Überblick über die Landschaft von Open-Access-Journalen gibt. Mittlerweile stellt er auch den Markt von Diamond Open Access Journals gut aufbereitet dar. So listet die EZB insgesamt 120.000 Journals, von denen 20.000 als Gold Open Access Journals und 5.000 als Diamond Open Access Journals ausgewiesen sind. Zudem besteht ein regelmäßiger Datenaustausch mit dem Directory of Open Access Journals (DOAJ).

Der zweite Vortrag “Gleiche Bedingungen für Open-Access-Journals schaffen – offene Forschungsinformationen in OJS-Journals” von Zeynep Aydin und Christian Hauschke (TIB Hannover) beleuchtete das BMFTR-Projekt KOMET. In dessen Kontext wird die Publikationssoftware OJS um verschiedene Funktionen ergänzt, die für die Erfassung und Veröffentlichung von strukturierten Zitationsinformationen und von persistenten Identifiern (IGSN, ORCID, PIDINST, ROR) relevant sind.

Der dritte Vortrag wurde gemeinsam von Lea Ferguson (Helmholtz Open Science Office), Bernhard Mittermaier (Forschungszentrum Jülich) und Joshua Shelley (UB Potsdam) vorgetragen. Diese berichteten vom DFG-Projekt Transform2Open, bei dem verschiedene Aspekte der finanziellen und organisatorischen Umsetzung von Open Access untersucht und weiterentwickelt werden. Unter anderem wurde dabei ein Leitfaden für Entscheider:innen an wissenschaftlichen Einrichtungen mit spezifischen und operationalisierbaren Empfehlungen zum Monitoring von Publikationskosten erstellt. Zudem wurde im Projekt ein modulares Referenzmodell für das Informationsbudget erarbeitet und durch Empfehlungen für die organisatorische Umsetzung ergänzt. Darüber hinaus wurden Open-Access-Workflows analysiert und daraus Handlungsempfehlungen zu deren Optimierung abgeleitet. Außerdem untersuchte Transform2Open die Rolle von Open Access in der bibliothekarischen Ausbildung und entwickelte eine Kompetenzmatrix für verschiedene Karriere- und Ausbildungsstufen. Insgesamt eine beeindruckende Summe an Arbeitsergebnissen für ein einzelnes DFG-Projekt!

Open Access als organisatorische und institutionelle Herausforderung

Der Workshop “Open Access als organisatorische und institutionelle Herausforderung” beschäftigte sich mit der Nachhaltigkeit von wissenschaftsgeleiteten Open-Access-Infrastrukturen. Diese spielen oft eine wichtige Rolle im wissenschaftlichen Publikationssystem, stehen aber vor der Herausforderung einer nachhaltigen Finanzierung, insbesondere, wenn sie durch Drittmittel entstanden sind, die auslaufen. Im Rahmen des Workshops gab es zunächst kurze Impulsreferate zur Allianz-Studie Open-Access-Infrastrukturen, zu SCOSS und DeepGreen, der EZB, dem Open-Acccess-Monitor und open-access.network. Danach wurden in Kleingruppen die Aspekte “Finanzierung”, “Governance” und “Kommunikation“ behandelt. Es zeigte sich, dass eine dezentrale Finanzierung durch Wissenschaftseinrichtungen einen Weg in die Nachhaltigkeit von OA-Infrastrukturen darstellen kann. Dafür sind allerdings Anstrengungen vor allem in den Bereichen Governance und Kommunikation notwendig.

Diamond Open Access: Perspektiven

Die Session Diamond Open Access: Perspektiven wurde moderiert von Daniela Hahn und beinhaltete drei Vorträge, die Perspektiven von Diamond Open Access vorstellten. Im ersten Vortrag unter dem Titel „Der Deutschland-Fonds Diamond Open Access (DeFDOA). Ein Vorschlag“ stellte Bernhard Mittermaier ein neues Konzept zu Finanzierung für Diamond Open Access vor: den Deutschland-Fonds Diamond Open Access (DeFDOA). Dieser Fond sieht eine freiwillige Beteiligung von Einrichtungen und Konsortien vor. Ausgegangen wird von 2% des Umsatzvolumens von Transformationsverträgen für teilnehmende Einrichtungen, die dann für Diamond Open Access für Zeitschriften und Bücher verwendet wird. Diese Mittel würden von einer zentralen Stelle gesammelt und ausbezahlt werden. Über die Mittelvergabe entscheidet ein Gremium nach festgelegten formalen Kriterien; die Bewerbung von Zeitschriften und Büchern erfolgt über einen Antrag. Wie die Durchführbarkeit des Fonds gelingen kann und die weiteren Details ausgestaltet werden könnten, befindet sich noch in der Klärungsphase.

Der zweite Vortrag unter dem Titel „Diamond Open Access – Bericht aus der Linguistik“ war ein Erfahrungsbericht von Miriam Butt aus der Linguistik. Dort wurden schon vor 30 Jahren bei CSLI Publication die ersten Diamond-Open-Access-Publikationen veröffentlicht (genannt wurden hier die LFG Proceedings). Zudem stellte Miriam Butt heraus, dass CSLI Publication ein gutes Beispiel für einen Verlag sei, der Geld erwirtschaften musste, um Mitarbeitende zu bezahlen, sich jedoch ansonsten auch für geringe Kosten für Autor:innen und Lesende einsetzte und Open-Access- Publikationen ermöglichte. Das KIM übernimmt zudem diverse Publikationen von CSLI Publication, teilweise auch im bibliothekseigenen Verlag PubliKon.

Beim dritten Vortrag stellte Thomas Stäcker unter dem Titel „Servicestelle Diamond Open Access (SeDOA): Zum Aufbau eines deutschen Diamond Capacity Centres“ das DFG-geförderte Projekt vor. Als Teil des europäischen EDCH-Netwerks ist SeDOA das deutsche Diamond Capacity Centre. An SeDOA sind 15 Einrichtungen beteiligt, die die verschiedenen Arbeitspakete untereinander aufgeteilt haben. Zu Beginn des Vortrags nannte Thomas Stäcker die Probleme des kommerziellen Open Access und betonte die Notwendigkeit der Servicestelle, die als beratende und unterstützende Instanz dienen soll. Er betonte dabei, dass SeDOA den Service zu den Leuten und nicht die Leute zum Service bringen soll.

Was Open Access verspricht – Was Open Access kostet – Was von Open Access erwartet werden kann

Ein spannender Workshop zum Thema „Was Open Access verspricht – Was Open Access kostet – Was von Open Access erwartet werden kann“ fand am Donnerstag, 18.09.2025, statt. Er wurde initiiert von Clara Ginther (Veterinärmedizinische Universität Wien), Jasmin Schmitz (ZB MED), Andreas Ferus (Akademie der bildenden Künste Wien) und Bernhard Mittermaier (Forschungszentrum Jülich). Im geschützten Raum boten die Workshop-Initiator:innen die Möglichkeit, über die Zielsetzung, die Wirklichkeit und den Wunschvorstellungen von Open Access zu diskutieren. Dabei wurde mit der Provokationstechnik gearbeitet, um gezielt mit überspitzen Thesen neue Blickwinkel zu eröffnen. Es kam in Kleingruppen zu lebhaften Diskussionen und Ergebnissen, über die in der größeren Runde intensiv diskutiert werden konnte. Einig waren sich am Ende alle Teilnehmenden, dass Open Access ein wichtiger Bestandteil der Publikationskultur sei, jedoch die Bibliotheken allein den Wandel nicht schaffen würden. Gerade in Bezug auf ein Umdenken bei der Reputationskultur müssten Forschende in das Gespräch mit einbezogen werden. Aufgrund dessen gaben die Workshop-Initiator:innen bekannt, dass die Mailingliste wisskomm wieder aktiviert werden solle.

Von Konsortium zu Konsortium? Erfolgreiche Nachnutzung und Weiterentwicklung von konsortialen Finanzierungsmodellen für Diamond OA

Im Workshop zur Nachnutzung konsortialer Finanzierungsmodelle für Diamond OA stand das KOALA-Modell im Mittelpunkt, das seit 2023 erfolgreich an der Technischen Informationsbibliothek im Rahmen des Projekts „Konsortiale Open-Access-Lösungen aufbauen“ (kurz KOALA) erprobt wird und inzwischen auch an der SLUB Dresden weitergeführt wird. Diskutiert wurde, wie dieses Modell auf unterschiedliche institutionelle und nationale Kontexte übertragen werden kann und welche Anpassungen dafür nötig sind. In Kleingruppen wurden Chancen, Herausforderungen und Szenarien für die Nachnutzung gesammelt – von Einzelinstitutionen bis hin zu länderweiten Konsortien. Deutlich wurde, dass gemeinschaftlich getragene Finanzierungsmodelle eine vielversprechende Grundlage bieten, um Diamond-OA-Publikationen langfristig nachhaltig abzusichern.

Dimensionen von Ungleichheit

Im Rahmen des IDAHO-Projekts der Technischen Informationsbibliothek wurden Barrieren für schwach-affiliierte Forschende untersucht – also für Autor:innen, die außerhalb privilegierter Institutionen publizieren. Die im Rahmen einer Session vorgetragene Studie ergab, dass diese Gruppe besonders häufig von Ausschlüssen betroffen ist, was zu epistemischer Ungerechtigkeit führt. Auf Basis einer Mixed-Methods-Analyse wurden Maßnahmen abgeleitet, wie Journals inklusiver agieren können. Dazu gehören unter anderem: Transparenz und Flexibilität bei Publikationsgebühren, die Anerkennung vielfältiger Affiliationen, Unterstützung in mehreren Sprachen sowie die Vereinfachung von Einreichungsprozessen. Auch die gezielte Schulung von Editorial Teams wurde als zentraler Hebel genannt, um unbewusste Biases zu vermeiden.

Offene Infrastruktur – mit Ihrer Unterstützung

Die Keynote von Marco Tullney, “Offene Infrastruktur – mit Ihrer Unterstützung” betonte die zentrale Bedeutung offener Infrastrukturen für Open Access (OA) und Diamond Open Access (DOA) als gemeinsame Kernaufgabe von Wissenschaftseinrichtungen – und nicht als Nebenprojekt engagierter Einzelner. Trotz vieler Appelle mangele es noch an nachhaltigen, institutionell verankerten Lösungen. Entscheidend sei ein nutzerorientiertes, dezentrales Vorgehen, das bestehende Dienste weiterentwickelt und auf Kooperation zwischen Einrichtungen setzt. Besonders hob er die Herausforderung einer langfristigen und nicht projektbasierten Finanzierung hervor. Offene Infrastruktur erfordere Transparenz und Kommunikation, aber auch Experimente und agile Entwicklung kleiner Bausteine, deren voller Nutzungsumfang vorab nicht immer bekannt sein kann. Neben dem Problemaufriss zeigte Tullney verschiedene Ansatzpunkte zur Verbesserung auf. Möglichkeiten zur Mitwirkung für offene Infrastrukturen bestehen auf verschiedenen Ebenen – von der Nutzung und dem Geben von Feedback bis zur aktiven Beteiligung in Konsortien oder Gremien. Der Vortrag machte deutlich: Auch kleine Schritte und Beiträge tragen dazu bei, offene Infrastrukturen nachhaltig zu stärken – entscheidend ist das gemeinsame Handeln.

Fazit

Insgesamt waren die diesjährigen Open-Access-Tage wieder ein sehr informatives Event, das zudem viele Möglichkeiten der Vernetzung und des beruflichen Austauschs bot. Im nächsten Jahr findet die Tagung in Österreich an der Johannes-Kepler-Universität in Linz statt.

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Über die Autor:innen:
Dr. Juliane Finger ist Open-Access-Beauftragte und -Referentin an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Sie ist Produktmanagerin der Open Library Economics und leitet das BMFTR-Projekt OLEKonsort zum Aufbau eines Finanzierungskonsortiums für Diamond Open Access. Sie ist auf ORCiD zu finden.
Porträt: Juliane Finger©

Ronja Kuhlwilm ist Projektmitarbeiterin des BMFTR-Projekts OLEKonsort an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft.
Porträt: Ronja Kuhlwilm©

Olaf Siegert leitet die Abteilung Publikationsdienste der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Er ist zudem für das Thema Open Access in verschiedenen Gremien und Netzwerken aktiv, unter anderem bei der Leibniz-Gemeinschaft, der Allianz der Wissenschaftsorganisationen und bei LIBER.

Helene Strauß ist Projektmitarbeiterin des DFG-geförderten Projekts SeDOA an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft. Zuvor gestaltete sie im Projekt open-access.network Videos, Online-Kurse und Leitfäden zum Thema Open Access. Sie ist auf ORCiD zu finden.

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