ZBW MediaTalk

von Birgit Fingerle und Dr. Willi Scholz

Der Bericht „Mutual Learning Exercise – Open Science: Altmetrics and Rewards” wurde Ende April veröffentlicht. Über den Zeitraum eines Jahres kamen die teilnehmenden Länder zusammen, um voneinander zu lernen, die besten Wege zur Bewältigung der identifizierten Herausforderungen und zur Umsetzung politischer Instrumente zur Förderung von Open Science zu finden.

Der Aufruf zur Teilnahme an der Mutual Learning Exercise (MLE) brachte 13 Länder zusammen: Armenien, Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Frankreich, Lettland, Litauen, Moldawien, Portugal, Slowenien, Schweden und die Schweiz. Die Teilnehmenden fokussierten sich auf drei Themen:

  • Potenzial von Altmetrics zur Förderung von Open Science
  • Anreize und Belohnungen für Forschende, sich an Open-Science-Aktivitäten zu beteiligen
  • Leitlinien für die Entwicklung und Umsetzung nationaler Politiken für Open Science

Der Bericht zeigt, dass jedes Land ganz andere Ausgangsbedingungen für Open Science hat. Aufgrund dieser Vielfalt erscheint es notwendig, mit modularen Ansätzen für Open Science zu arbeiten, die die nationalen Kontexte und Forschungskulturen berücksichtigen.

Lehren aus der Mutual Learning Exercise

Wie im Bericht festgestellt wurde, waren sich die MLE-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer darin einig, dass die Umsetzung einer offenen Wissenschaft einen systemischen und umfassenden Wandel in der Steuerung und Bewertung von Wissenschaft erfordert, insbesondere in den Anreiz- und Belohnungssystemen. Derzeit werden vor allem Quantität, Schnelligkeit und Patentierbarkeit belohnt. Altmetrics haben das Potenzial, eine solche Veränderung zu fördern, da sie eine breitere Sicht auf den Impact und die Art und Weise, wie er entsteht, einbeziehen können. Somit können Altmetrics helfen, sich von den traditionellen Indikatoren zu lösen. Gleichwohl müssen noch einige inhaltliche Fragen zum Einsatz von Altmetrics beantwortet werden.

Derzeit werden in den teilnehmenden Ländern nur wenige Arten von Anreizen und Belohnungen für eine offene Wissenschaft eingesetzt. Darüber hinaus identifizierten die Teilnehmer die Notwendigkeit, unterschiedliche Anreize für verschiedene Stakeholder zu entwickeln. Da die Unterstützungs- und Evaluierungsstrukturen es den Forschenden erschweren, offene wissenschaftliche Praktiken anzuwenden, ist ein breiter institutioneller Wandel erforderlich. Er sollte radikale Veränderungen in den Einstellungs- und Beförderungsverfahren beinhalten.

Bisher haben sich die meisten Geldgeber auf die Implementierung von Open Access konzentriert, insbesondere auf die Open Access-Archivierung. In Großbritannien, den Niederlanden und Moldawien ist zum Beispiel die offene Archivierung für Publikationen, die im Rahmen staatlicher Bewertungsverfahren gezählt werden sollen, obligatorisch geworden, was dazu führt, dass die meisten Universitäten eigene Repositorien entwickeln. Bislang ist die Mehrheit der europäischen Geldgeber eher zögerlich, Open-Access-Publikationen als obligatorisch zu deklarieren. Diese Situation lässt sich zum Teil durch ungelöste Fragen in Zusammenhang mit den Kosten und durch anhaltende Streitigkeiten mit Verlagen und anderen Interessensgruppen erklären.

Aufruf der Kommission zum Handeln – Nationale Agenden zu Open Science

Die Teilnehmenden waren sich weitgehend einig, dass nationale Agenden zu Open Science für die Entwicklung und Koordinierung von Strategien zur Umsetzung durch Förderorganisationen, Forschungseinrichtungen, Fachgesellschaften und Verlage von entscheidender Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für Länder, in denen der Staat eine bedeutende Rolle bei der Verwaltung von Forschungseinrichtungen spielt, wie zum Beispiel Kroatien, Lettland, Slowenien, Moldawien und Italien.

In stark föderalen Ländern haben Forschungseinrichtungen tendenziell einen höheren Grad an Autonomie gegenüber der Zentralregierung und spielen somit eine wichtige Rolle bei der Förderung offener wissenschaftlicher Entwicklungen auf nationaler Ebene. Aber auch in diesen Ländern (zum Beispiel Schweden und den Niederlanden) sowie in eher dezentralen Bottom-up-Systemen wie in der Schweiz erleichtert das Vorhandensein einer nationalen Agenda die Koordination zwischen den Akteuren.

Die Ergebnisse des Berichts “Mutual Learning Exercise – Open Science: Altmetrics and Rewards” passen gut zu der am selben Tag veröffentlichten Empfehlung der Kommission über den Zugang zu und die Erhaltung von wissenschaftlichen Informationen.

Damit versucht die Kommission, die Agenda so zu gestalten, dass die verschiedenen Mitgliedstaaten innerhalb der nächsten 18 Monate erste nationale Open Science-Agenden erstellen. Enthalten sind weitere Einzelheiten darüber, wie die Forschungs- und Karrierebewertungssysteme durch die Einführung zusätzlicher Indikatoren und Metriken bereichert werden können, die die Bewertung der Offenheit, einschließlich – aber nicht nur – der breiteren sozialen Auswirkungen der Forschung und auf der individuellen Ebene eines Forschers, beinhalten

Die entscheidende Rolle der Bibliotheken

Der Bericht zeigt auch, dass Bibliotheken eine wichtige Rolle bei der Förderung von Open Science und bei der Entwicklung nationaler Open Science-Agenden in mehreren europäischen Ländern spielen. Hier einige Beispiele aus dem Bericht.

Österreich

In Österreich hat das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) die Initiative “Austrian Transition to Open Access – AT2OA” durch die Förderung von 21 Universitäten zur Erarbeitung einer nationalen Open Access-Strategie unterstützt.

Das Österreichische Akademische Bibliothekskonsortium (KEMÖ) und der Wissenschaftsfonds (FWF) waren Vorreiter bei der Aushandlung von Open Access-Verträgen mit Verlagen, und erst kürzlich wurde der weltweit erste Vertrag unterzeichnet, der alle Kosten, Konditionen und Leistungen vollständig transparent macht. Der Wissenschaftsfonds (FWF) hat eine verpflichtende Open Access-Politik für Publikationen, die auch Monographien umfasst, und zu den wirkungsvollsten Verpflichtungen durch Förderorganisationen weltweit zählt.

Belgien

In Belgien gibt es ein föderales offenes Wissenschaftsmandat, das vom belgischen Amt für Wissenschaftspolitik (BELSPO) koordiniert wird. Dies beschränkt sich jedoch auf die staatlich geführten Forschungsinstitute. Universitäten und verschiedene andere Forschungseinrichtungen werden auf regionaler Ebene geleitet und sind nicht Teil der Bundespolitik. In der Bibliothek der Universität Gent wurde ein National Open Access Desk (NOAD) eingerichtet.

Lettland

Die Bibliothek der Universität Lettland hat begonnen, die Open Access-Bewegung in Lettland zu unterstützen. Die Bibliothek verbreitet zudem aktiv Informationen über den freien Zugang zu Wissenschaft und Forschung. Sie hat sich zu einem der wichtigsten Informationszentren und Vorreiter bei der Förderung und Unterstützung von Open Access-Initiativen in Lettland entwickelt und ermutigt andere akademische Einrichtungen, sich an Open-Access-Aktivitäten zu beteiligen.

Schweden

Schweden ist dabei, seine nationale Open Science-Agenda fertigzustellen. Die Schwedische Nationalbibliothek und der Schwedische Forschungsrat haben den Auftrag erhalten, Open Access zu Publikationen und Forschungsdaten auf nationaler Ebene zu koordinieren. Die Schwedische Nationalbibliothek ist seit 2006 der Motor für die Einführung von Open Access in Schweden. Mit dieser neuen nationalen Koordinierungsaufgabe hat die Nationalbibliothek über einen Beirat eine Reihe von Arbeitsgruppen eingesetzt, die die im Entwurf für nationale Leitlinien aufgezeigten Probleme und Hindernisse weiter untersuchen sollen. Ziel ist es, Empfehlungen an die Beratergruppe und die Nationalbibliothek zu richten, die wiederum Empfehlungen an die Regierung aussprechen.

Schweiz

In der Schweiz hat der Bund den Schweizerischen Universitäten in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Nationalfonds SNF einfach den Auftrag erteilt, eine nationale Open Access-Strategie zu entwickeln. Der SNF spielt auch eine führende Rolle, indem er die Debatte um Open Access und Open Data fördert, nicht zuletzt durch die Unterstützung der Entwicklung der Nationalen Open-Access-Strategie und die Forderung nach Datenmanagementplänen (DMPs) für alle ab Oktober 2017 geförderten Projekte.

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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