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Der Leuchtfeuer 4.0 MOOC lief in der Zeit vom 19.04. bis 03.05.2017 als Live-MOOC. Wer es, wie die Autorin dieser Zeilen, nicht schaffte, in diesem Zeitraum am Ball zu bleiben, kann sich die Videoaufzeichnungen auch nach seinem Ende auf der MOOC-Plattform “mooin” als On-Demand-Kurs ansehen.

Ebenso bleiben die Foren und die “Basislager-Küche” bei Facebook für Beiträge und Diskussionen weiter geöffnet und die Diskussion kann bei Twitter unter #feuer40 weiter verfolgt werden.

MOOC verkörpert Prinzipien von Arbeit 4.0 und Lernen 4.0

Initiiert wurde der MOOC von Anja C. Wagner, Joachim Sucker und Nina Oberländer. Aber eine Vielzahl an Unterstützerinnen und Unterstützern trug dazu bei, ihn mit Leben zu füllen. Denn der MOOC ist eine kollaborative Veranstaltung; er lebt Prinzipien der in ihm behandelten Themen Lernen 4.0 und Arbeit 4.0 sozusagen vor, indem er einen Raum der Möglichkeiten für den Austausch auf Augenhöhe, die gemeinsame Entwicklung neuen Wissens, Collaboration und Community-Bildung eröffnet. Er gibt Freiheit für die einzelnen Beteiligten und schreibt nicht den einen “richtigen” Weg vor, wie der MOOC durchzuarbeiten ist. Alle Interessierten konnten beziehungsweise können sich ko-kreativ einbringen, etwa in den Diskussionsforen und mit selbst geführten Video-Interviews mit Betreibern von Spaces.

Der Grundgedanke hinter dem MOOC ist, dass ein radikaler Wandel der Arbeitswelt dazu führt, dass das Bildungssystem des 20. Jahrhunderts nicht mehr funktioniert und daher neue Ansätze gebraucht werden. Andererseits wird das Problem schrumpfender ländlicher Regionen, aus denen Menschen wegziehen, mit dem MOOC adressiert.

Motivation: Impulse für Community und Praxisprojekte setzen

Der Leuchtfeuer 4.0-MOOC ist der erste Teil des zweistufigen Projekts “Regionale Bildung 4.0”. Der MOOC dient dabei als “Basislager”, in dem thematische Impulse gesetzt, die neuen Themen gemeinsam kartographiert werden und eine Community Interessierter entsteht. Mit dem MOOC soll das Nachdenken darüber angeregt werden, wie man persönlich die Transformation anstoßen könnte und welche konkreten Projekte man bottomup lokal vor Ort aufbauen möchte. Diese Projekte sollen in einer zweiten Phase in einer kleineren Community of Practice in Modellregionen in die Praxis umgesetzt werden und die Lessons Learned daraus ausgetauscht werden.

Technologische Entwicklungen ermöglichen neue Formen von Lernen und Arbeit

Als Ausgangspunkt für diese Entwicklungen wurden in dem Online-Kurs zu Beginn technologische Entwicklungen wie Blockchain, Big Data, Drohnen, Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge, Roboter und 3D-Druck vorgestellt sowie ihre (potentiellen) Auswirkungen auf die Gesellschaft und soziokulturelle Bewegungen wie die Maker-Bewegung thematisiert. Daran schloss sich die Frage an, welche neuen Berufe entstehen werden; Ideen dazu wurden in einer weiterhin erweiterbaren Liste von neuen Berufen gesammelt. Hierauf baute das Thema der neuen Räume, die für das Lernen und Arbeiten gebraucht werden, auf.

Was ist das Besondere an den neuen Initiativen und Räumen?

Die vorgestellten Initiativen gehen von einzelnen Menschen aus, die sich zusammentun und etwas auf die Beine stellen. Sie entspringen nicht der Politik oder ökonomischen beziehungsweise institutionellen Kontexten. Der Aspekt der gemeinschaftlichen Verantwortung spielt dabei eine zentrale Rolle.

Dafür werden neue, offene Räume gebraucht. Dies sind Räume, in denen sich Communities bilden und Menschen selbstbestimmt lernen können, was und wie sie wollen. Hier gibt es keine Trennung mehr zwischen Lernenden und Lehrenden. Jede und jeder ist mal das eine, mal das andere.

Zu den offenen Räumen für selbstbestimmtes CoLearning zählen beispielsweise Makerspaces, CoWorking-Spaces und TechShops, die es bislang vor allem in den USA gab. Interviews mit Betreiberinnen und Betreibern von CoWorking-Spaces oder Makerspaces beispielsweise dem Cloudsters Lübeck, dem FabLab Lübeck, KALLE, Co-Kreativ Werkstatt, Bremen und dem Betahaus Hamburg gaben einen Einblick in die Communities, Arbeitsweisen, Organisationsstrukturen, Rechtsformen und Finanzierungen dieser offenen Räume.

Bibliotheken als Vorreiter offener Räume

Im MOOC wurde Bibliotheken, insbesondere Öffentlichen Bibliotheken, mit der Einrichtung eigener Makerspaces eine Vorreiterrolle zugesprochen. Mehrere Videointerviews wurden mit Vertreterinnen und Vertretern von Vorreiterprojekten aus Bibliotheken geführt:

Offene Räume für Bildung – Rollenwandel für Bildungsanbieter

Die neuen ko-kreativen Räume sind für eine Vielzahl an Stakeholdern von Nutzen und können einen Beitrag zur Regionalentwicklung leisten. Im MOOC-Forum wurde dazu eine Liste mit 21 (potentiell) interessierten Stakeholdern erarbeitet, unter anderem Freelancer, Unternehmen, Kommunen und Barcamps

Unter Bildungsaspekten interessant ist das Angebot von Workshops und Trainings in CoWorking-Spaces und Makerspaces. Zu den Anbietern gehören etwa das Betahaus Hamburg mit seiner Betahaus-Academy oder eben Stadtbibliotheken, wie die Stadtbibliothek Köln mit ihren Workshops. Möglicherweise könnten so ähnlich auch neue Rollen von Volkshochschulen aussehen, wenn sie selbst entsprechende Räume einrichten würden.

Neue Formen des Lernens – Was geschieht mit dem „traditionellen“ Lernen?

Arbeit 4.0 und Bildung 4.0 beinhalten selbstbestimmtes, praxisbezogenes Lernen. Die Maker-Bewegung macht dies vor. Die bislang vorherrschende Trennung zwischen Lernenden und Lehrenden wird aufgelöst. Wie geht das traditionelle Bildungssystem mit diesem Rollenwandel um? Wie wird sich Arbeiten und Lernen durch diese Entwicklungen verändern? Sind angesichts dessen in Zukunft formalisierte Bildungsgänge und -abschlüsse mit Prüfungen überhaupt noch sinnvoll? Fragen, denen sich auch Hochschulen stellen müssen.

In diesen Kontext passt das Beispiel der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Frauke Godat vom Projekt “PerLe – Projekt erfolgreiches Lehren und Lernen der CAU” schildert im Interview, wie in Kiel CoWorking-Spaces, Makerspaces und FabLab in unmittelbarer Nähe der Universität beziehungsweise aus ihr heraus entstanden sind. Zudem stellt sie das von der CAU initiierte Reallabor Kiel vor.

Reallabore arbeiten meist zu einem abgegrenzten Thema und können als eine pädagogische Methode im weitesten Sinne angesehen werden. Sie bieten einen Gestaltungsraum, in dem Studierende, Wissenschaft und Praxisakteure aus der Gesellschaft zusammenkommen können und Experimente in der realen Welt durchführen können. Dadurch sollen aktuelle Erkenntnisse sowohl für die Praxis als auch für die Wissenschaft gewonnen werden.

Parallelen von Lernen und Arbeiten 4.0 und Open Science

Auch sonst lässt der MOOC eine Vielzahl thematischer Parallelen zu Open Science erkennen; obgleich die damit einhergehende Öffnung und der Wertewandel im MOOC radikaler erscheinen, als sich dies vermutlich viele im Wissenschaftssystem bislang vorstellen. Dies betrifft etwa die Auflösung trennender hierarchischer Rollen von Lehrenden und Lernenden. Vor allem kulturelle Barrieren könnten eine schnelle Durchsetzung von Arbeit 4.0 und Lernen 4.0 ebenso wie von Open Science behindern. So könnte es passieren, dass viele zwar gerne Arbeit 4.0 und Lernen 4.0 im Wissenschaftssystem leben würden, aber noch längere Zeit in zwei Welten unterwegs sein müssen, weil sie sich gezwungen sehen, sich an das noch vorherrschende, traditionelle System mit seinen Machtstrukturen und Belohnungsmechanismen anzupassen.

Interessant bleibt zudem, welche weiteren Auswirkungen sich für Bibliotheken abzeichnen werden, ob es beispielsweise zu einer flächendeckenden Ausstattung von Bibliotheken, auch wissenschaftlichen, mit Makerspaces kommen wird, ob vermehrt CoWorking-Räume eingerichtet werden oder auch von Bibliotheksangestellten genutzt werden.

Ende des MOOCs – Start frei für eigene Projekte

Das Ende des MOOCs stellt aus Sicht seiner Macherinnen und Macher erst den Anfang dar. Als Auftakt für die Umsetzung eigener Projekte liefert er jede Menge Inspiration, bietet Beispiele von einzelnen Personen, die einfach loslegen und machen, und legt Zeugnis ab über die Power der Community.

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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