Open Science: Forschungsdatenmanagement mit dem ZBW Journal Data Archive

Forschungsförderer im In- und Ausland, aber auch die Europäische Kommission fordern im Kontext von Open Science vermehrt einen offeneren Zugang zu Forschungsdaten. Qualitätsgesicherte Forschungsdaten bilden einen Grundpfeiler wissenschaftlicher Erkenntnis und können unabhängig von ihrem Erhebungszweck auch Grundlage weiterer Forschung sein. Doch auch wissenschaftliche Qualitätssicherung und Forschungsintegrität bilden zentrale Motive für derartige Empfehlungen: Empirisch-basierte Forschung sollte replizierbar sein – die publizierten Ergebnisse, angewendete Methoden und die Berechnungswege also nachvollziehbar und überprüfbar sein. Die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft unterstützt mit ihrem neuartigen Journal Data Archive wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschriften bei dieser Aufgabe.

Eine Lehre für Fachzeitschriften: Richtlinien zum Umgang mit verwendeten Forschungsdaten

Die Bedeutung von Open Science und der öffentlichen Bereitstellung verwendeter Forschungsdaten für die Qualitätssicherung und Forschungsintegrität unterstreicht beispielhaft der Fall der US-Top-Ökonomin Carmen Reinhart und des US-Top-Ökonomen Kenneth Rogoff: Deren Forschungsergebnisse zum Zusammenhang von Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum schlugen 2010 hohe Wellen in der Politik, wurden aber nach einer zufälligen Überprüfung der Excel-Datei mit den Zahlen und Berechnungen der beiden Ökonomen durch einen Studenten in massive Zweifel gezogen.

Die Debatte um Rogoffs und Reinharts Paper zum Zusammenhang von Staatsverschuldung und Wirtschaftswachstum war nicht der erste Fall in dem fehlerhafte Berechnungen in Wissenschaft und Öffentlichkeit für Diskussionen sorgten – und sie werden gewiss nicht der letzte Fall bleiben.

Dennoch ist es speziell für Fachzeitschriften unschön, wenn ein publizierter Artikel später aufgrund fehlerhafter Berechnungen zurückgezogen werden muss. Auch wenn solche Berechnungsfehler in Wissenschaft und Forschung nicht die Regel sind, so zeigen sie dennoch auf, wie bedeutsam es ist, Berechnungscodes und verwendete Datensätze in der wissenschaftlichen Debatte offenzulegen, wo immer dies rechtlich möglich ist. Fachzeitschriften nehmen hierbei eine wichtige Rolle ein und können der ‚guten wissenschaftlichen Praxis‘ mit einfachen Maßnahmen Geltung verschaffen. Ein weiterer positiver Nebeneffekt: Publizierte Forschungsergebnisse werden durch die Autorinnen und Autoren genauer geprüft, wenn Daten und Berechnungswege mit dem Artikel veröffentlicht werden.

Data Availability Policy
It is the policy of the American Economic Association to publish papers only if the data used in the analysis are clearly and precisely documented and are readily available to any researcher for purposes of replication.

Zeitschriften sollten daher zunächst Richtlinien entwickeln und implementieren, die die Autorinnen und Autoren von empirischen Arbeiten, von Simulationen oder experimenteller Wirtschaftsforschung dazu verpflichten, die verwendeten Daten (so rechtlich möglich), den Berechnungs- beziehungsweise Programmcode ihrer Berechnungen sowie weitere Informationen und Beschreibungen (z.B. ein Codebook oder zumindest ein aussagekräftiges Readme-File) vor der Publikation eines akzeptierten Artikels bei der Fachzeitschrift einzureichen. Ein gutes Beispiel für eine derartige Richtlinie ist bei den Journals der American Economic Association zu finden.

ZBW-Datenarchiv erleichtert Datenbereitstellung und Replikationen

Ist eine Richtlinie zum Umgang mit Daten und Programmcode durch eine Fachzeitschrift erstmal beschlossen, stellt sich als nächstes die Frage, wo diese Daten gespeichert und zur Verfügung gestellt werden können. Hierfür bietet die ZBW mit dem Journal Data Archive eine kostenfreie Lösung für vornehmlich wirtschaftswissenschaftliche Fachzeitschriften an. Das ZBW Journal Data Archive ist das zentral informationstechnologische Ergebnis des DFG-geförderten Projekts EDaWaX (“European Data Watch Extended”).

Der Workflow, wie Daten, Programmcode und Beschreibungen ins digitale Archiv einer Zeitschrift gelangen, ist für Fachzeitschriften einfach und zeitsparend gehalten: Zunächst registriert die Redaktion nur die E-Mailadresse der Autorinnen beziehungsweise Autoren im System. Diese werden anschließend automatisch darüber informiert, dass ein Nutzerkonto für sie angelegt wurde. Sie können in der Folge die Replikationsdaten zu ihren Artikeln im Journal Data Archive speichern und mit eigenen Beschreibungen versehen.

Sind alle diese Dateien gespeichert, informiert das System die Redaktion darüber, dass die Replikationsdaten hinterlegt wurden. Die Redaktion oder ein Reviewer prüft nun die hinterlegten Daten und Metadaten auf Plausibilität und eruiert, ob die Anforderungen der Forschungsdatenrichtlinien erfüllt wurden. Ist dies der Fall, muss die Redaktion nur noch die Seitenzahlen des Artikels, die Nummer der Ausgabe und URL bzw. DOI des Artikels in den Metadaten ergänzen. Abschließend erhalten die von den Autorinnen und Autoren eingestellten Daten selbst noch einen DOI und sind somit zitierbar und leicht auffindbar.

Redaktionen müssen keinen eigenen Datenserver betreiben

Für Fachzeitschriften bietet die Nutzung des ZBW-Datenarchivs verschiedene Vorteile: Es muss kein eigener Server für das Datenarchiv durch die Redaktionen aufgesetzt und betrieben werden oder entsprechende IT-Dienstleistungen eingekauft werden. Stattdessen können sich die Redaktionen um ihre Kernaufgaben kümmern und überlassen den technischen Part den Informationsexperten der ZBW. Alle Fachzeitschriften erhalten vor der operativen Nutzung des Datenarchivs ausführliche Informationsmaterialien und auf Wunsch eine intensive Schulung. Handbücher und Dokumentationen zur Benutzung der Software liegen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch für Autorinnen und Autoren beziehungsweise Redaktionen vor.

Fachzeitschriften fördern damit Open Science und Forschungsintegrität

Durch die Einführung von Richtlinien zum Umgang mit Forschungsdaten und die Etablierung eines Datenarchivs zeigen Fachzeitschriften ferner, dass sie die aktuellen wissenschaftspolitischen Debatten um Forschungsintegrität und Open Science ernst nehmen: So forderte die Europäische Kommission bereits 2012 die EU-Mitgliedsstaaten dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um “Datensätze einfach identifizieren zu können und diese mit anderen Datensätzen und Publikationen zu verlinken.” Das ZBW Journal Data Archive stellt eben dies sicher.

Artikel mit zugehörigen Replikationsdateien spiegeln auch den hohen wissenschaftlichen Standard einer Fachzeitschrift wider. Nicht ohne Grund sind viele Journals mit entsprechenden Richtlinien unter den Top-Journals zu finden.

Studien aus anderen Wissenschaftsdisziplinen verweisen ferner darauf, dass Artikel mit vorliegenden Replikationsdaten häufiger zitiert werden. Darüber hinaus wird die Sichtbarkeit der Zeitschrift und der publizierten Artikel gesteigert, da nun mehr Quellen auf den Artikel verweisen. Zudem können die im Data Archive vorgehaltenen Replikationsdaten in disziplinären Portalen nachgewiesen und dort direkt mit dem Artikel verlinkt werden.

Das seit Herbst 2016 bestehende ZBW Journal Data Archive wird bislang von den beiden renommierten Fachzeitschriften German Economic Review und den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik: Journal of Economics and Statistics produktiv genutzt. Weitere Fachzeitschriften haben ihr Interesse an der Nutzung dieses Services bereits bekundet.

Diesen Blogpost teilen:

Fehlende deutsche Übersetzung

Das Openness Profile von Knowledge Exchange: Was können Infrastruktureinrichtungen tun? Digitale Open-Science-Tools: mehr Offenheit durch inklusives Design Anleitung für Open Science: Wie Universitäten die Umsetzung in der Praxis fördern

View Comments

Monitor Digitale Bildung Hochschulen: Digitalisierung ja, Open Education nein
Nächster Blogpost