Gamification – Spielen in (wissenschaftlichen) Bibliotheken?

Gamification, auch Gamifizierung beziehungsweise Spielifizierung genannt, bezeichnet die Anwendung von Designprinzipien und Spielemechaniken auf andere Anwendungen und Prozesse, beispielsweise zur Erreichung von betrieblichen Zielen. Mit der Gamification sollen in der Regel Probleme gelöst oder Teilnehmende für eher monotone Aufgaben, wie das Ausfüllen langer Berichte, motiviert werden. Eine ansprechende Gestaltung von Techniken und der Interaktion mit Anwendungen sind weitere mögliche Motive, ebenso wie die Übernahme erwünschter Verhaltensweisen und die Nutzung für Innovationsprozesse. Gamification setzt auf die Tendenz von Menschen, sich gerne an Spielen zu beteiligen, und eignet sich gleichermaßen, um das Engagement von Kundinnen und Kunden zu gewinnen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzusprechen. Große Unternehmen wie SAP nutzen Gamification, um die Motivation und Leistung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu steigern.

Vielfältige Anwendungspotentiale von seriösen Spielen

Für die Zukunft wird eine weitere Zunahme der Gamification des Alltags erwartet . Zu den spieltypischen Elementen zählen unter anderem Erfahrungspunkte, Fortschrittsanzeigen, Ranglisten, Preise oder Auszeichnungen. Neben einer gesteigerten Motivation können sie zu einem größeren Lernerfolg, stärkerer Kundenbindung oder höherer Datenqualität beitragen.

siehe S. 90, Gamification – Persuasive Games in immer mehr Lebensbereichen

Neben dem Einsatz im Werbe- und Unterhaltungsbereich findet Gamification daher unter anderem im Weiterbildungsbereich und im Schul- und Ausbildungssystem Anwendung. Dies passt auch insofern gut, als dass Spielen die natürliche Art des Lernens darstellt. Diese wird den Menschen ab dem Schuleintritt allerdings häufig abtrainiert, da oft eine Trennung von Lernen und Spielen praktiziert wird. “In neuen Ansätzen kreativer Lernmethoden oder auch „serious games“ liegt gleichzeitig die Chance, flexible Instrumente zu schaffen, die lebenslanges Lernen in der sich schnell verändernden Arbeitswelt ermöglichen”, siehe S. 90 “Gamification – Persuasive Games in immer mehr Lebensbereichen”. Neugierde zu wecken ist sowohl Bestandteil des Gamification-Ansatzes als auch wichtig fürs Lernen. Dieser Gedanke steckte wohl auch hinter der Musiktreppe, mit der Passanten dazu verleitet werden sollten, anstatt der Rolltreppe die Treppe zu benutzen – mit erfreulichem Ergebnis.

Von der Gamification gibt es eine Verbindung zum Trend zur Citizen Science und zum Crowdsourcing. Zudem profitiert die Wissenschaft von kreativen Beiträgen großer “Spielermassen”. “Die oben genannte intrinsische Motivation wird in der Wissenschaft häufig zur Probandenmotivation eingesetzt und kann damit auch den Trend Bürgerforschung verstärken.” Siehe “Gesellschaftliche Veränderungen 2030”, S. 90. Darin stecken weitere Chancen für Bibliotheken. Bibliotheken könnten Gamification für die Erstellung ihrer Angebote ebenso wie für das Nutzungserlebnis einsetzen, sowohl für ihre Nutzerinnen und Nutzer wie für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

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Gamification im Kundenkontakt

Gaming-Elemente könnten beispielsweise Informationskompetenz-Schulungen und Bibliotheksführungen anreichern. Das “Level”-Denken ist dafür gut geeignet, insbesondere, weil die Teilnehmenden dadurch ständig Feedback erhalten (“du hast bestanden, Level weiter”…). Zwei fiktive Szenarien könnten so aussehen:

Szenario 1: Informationskompetenz-Online-Kurs (Selbststudium). Der Studierende muss zuerst Level 1 schaffen (und bekommt dafür Goldtaler), um in Level 2 und später noch weiter aufzusteigen. Man könnte dieses Level-Spiel auch so ausbauen, das die Spielenden gegen ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen antreten, oder extra Punkte gesammelt werden können, wenn kollaboriert wird.

Szenario 2: Bibliotheksführung: Für Level 1+2 sind Aufgaben im analogen Raum zu bestehen. Ab Level 3 muss zusätzlich die Online-Recherche einbezogen werden.

Gamification kann allgemein bei der Gestaltung von Online-Plattformen und –Anwendungen eingesetzt werden. Dabei können Sharing-Elemente ein Bestandteil sein: Die Leserin eines Buches wird aufgefordert, zum Thema des Buches ein relevantes YouTube-Video zu suchen und den Link dazu mit QR-Code ins Buch zu kleben. So bekommt der nächste Leser eine kostenlose Zusatzquelle (deren Qualität allerdings zunächst einmal nicht überprüft ist), und der Bibliothekscontent wird weiter angereichert. Ebenfalls mit einem Spiel hat die National Library of Finland in Finnland sein OCR-Programm gefüttert. Wörter aus alten Schriften wurden von der Öffentlichkeit mit einem Spiel richtig transkribiert. Mit Crowdsourcing und Gamification-Ansätzen lassen sich also Content generieren und Bibliotheksservices anreichern. Zum Beispiel auch, indem Nutzerinnen und Nutzer untereinander Fragen beantworten und dafür Punkte sammeln können.

Auch Zeiten des Wartens lassen sich durch Gamification abmildern: In Bibliotheken mit langen Warteschlangen können Minigames beim Warten eingebaut werden. So wie im schwedischen Vergnügungspark Liseberg, der im Juni 2014 eine App begleitend zur neuen Achterbahn Helix Roller Coaster einführte. Die in der Schlange Wartenden konnten sich die App mit dem kostenlosen Helix Game herunterladen und mehrere Minigames gegeneinander spielen, während sie für die Achterbahn anstanden. Nach jeweils 15 Minuten durfte der Spieler mit dem höchsten Punktestand an der Warteschlange vorbeiziehen.

Gamification zum Wohle der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Online wie offline lässt sich durch entsprechende spielerische Gestaltung von Arbeitsumgebungen Motivation steigern. Auch für Weiterbildungen von Bibliotheksmitarbeiterinnen und -mitarbeitern ist Gamification ein interessanter Ansatz.
Innovationen lassen sich mit spielerischen “Gamestorming” –Elementen fördern. Spätestens seit dem Erscheinen von Gamestorming: A Playbook for Innovators, Rulebreakers, and Changemakers im Jahr 2010 breitet sich die spielerische Herangehensweise an innovative Prozesse immer weiter aus. Gamestorming-Methoden ermöglichen es, schneller zu Ergebnissen zu kommen, die Kommunikation zu optimieren, langweilige Arbeitsroutinen und Meetings aufzupeppen.








Autorinnen: Birgit Fingerle (ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft; Soziale Medien, Stabsstelle Innovationsmanagement), Petra Redmond (Innovationsbeauftragte der Universitätsbibliothek Bern)

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Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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