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wir sprachen mit Dr. Michela Bertero and Dr. Luiza Bengtsson

ORION ist ein vierjähriges Projekt (von Mai 2017 bis April 2021), in dem untersucht wird, wie Organisationen in den Lebenswissenschaften und der Biomedizin ihre Finanzierungs-, Organisations- und Forschungsaktivitäten öffnen können. Das Projekt wurde aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 der Europäischen Union im Rahmen des Arbeitsprogramms „Science with and for Society“ (SWAFS) finanziert. Neun Institutionen nehmen am Projekt ORION teil, das vom Centre for Genomic Regulation, Spanien, koordiniert wird.

Wir haben Dr. Michela Bertero und Dr. Luiza Bengtsson nach den Zielen, Maßnahmen und Erfahrungen des Projekts zur Förderung von Open Science und Responsible Research and Innovation (RRI) gefragt.
 
 
 

Welches sind die Ziele des ORION-Projekts?

Ziel von ORION ist es, Open Science in all ihren Facetten zu fördern, um die Zusammenarbeit, das Engagement und die Transparenz in der wissenschaftlichen Praxis zu erhöhen. Unsere Vision ist es, mehr Wissenschaft in die Gesellschaft und mehr Gesellschaft in die Wissenschaft zu bringen. Wir konzentrieren uns auf lebenswissenschaftliche Forschungseinrichtungen und Forschungsfördereinrichtungen, was ein ehrgeiziges Ziel und ein Experiment ist, das noch nicht in dieser Größenordnung durchgeführt wurde.

Die Forschung, die wir betreiben, ist hochspezialisiert, konzentriert sich auf sehr grundlegende molekulare Mechanismen, die dem Leben zugrunde liegen, und nutzt sehr komplexe Technologien. Für die Laienöffentlichkeit oder andere Interessengruppen, die keine Expertinnen und Experten in den Biowissenschaften sind, ist es oft schwierig zu verstehen, worüber wir forschen und wie relevant dies ist, da diese Forschung oft nicht zu kurzfristigen Auswirkungen in unserem Leben führt. ORION will herausfinden, welche Teile unserer Forschungsprozesse wir öffnen können, und dann verschiedene Akteure einbeziehen, sie in verschiedenen Konzepten trainieren, sie nach ihren Inputs und Meinungen zu fragen und sie manchmal sogar direkt in Experimente einzubeziehen. Die Grundlagenforschung hat enorme langfristige Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, und deshalb stellt sich ORION der Herausforderung, die Forschenden in einen gemeinsamen und fruchtbaren Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern einzubinden.

Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um Open Science und RRI in Forschungspolitik, -praktiken und -prozessen zu verankern?

Im ersten Schritt galt es zu ermitteln, wie viel Bewusstsein für Open Science in den beteiligten Institutionen vorhanden ist und wie viel und welche Beteiligung an der Forschung die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich wollen. Die Ergebnisse werden als Leitfaden für mehrere Experimente zur Ko-Kreation in verschiedenen Instituten und Ländern dienen.

Wir werden öffentliche Dialoge über disruptive Technologien wie die Genombearbeitung führen, um die Ansichten von Citizen Scientists zu verstehen und darüber nachzudenken, wie Forschende und politische Entscheidungsträger sie in ihre Arbeit einbeziehen können. Die forschungsfördernden Einrichtungen werden partizipative Prozesse bei der Entscheidung über oder Bewertung von Projektanträgen, in denen es um die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen geht, fördern. Wir haben auch interessante bürgerwissenschaftliche Projekte gestartet, die Bürgerinnen und Bürger in die wissenschaftlichen Experimente einbeziehen, damit sie auch mit ihren Ideen und Fähigkeiten zur Weiterentwicklung des Wissens beitragen können. Alle genannten Maßnahmen sind nicht möglich, wenn die Forschenden und das unterstützende Personal nicht an Bord sind. Eine der zentralen Aktivitäten des ORION-Projekts ist daher auch die Schulung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu Open-Science-Tools und -Konzepten.

Wie gehen Sie mit den verschiedenen Anspruchsgruppen um?

Wir definieren, welche Interessengruppen wir für jedes ORION-Experiment ansprechen wollen. Die ORION-Partner vertreten bereits unterschiedliche Positionen, darunter nicht nur Expertinnen und Experten für Forschung und Finanzierung, sondern auch Expertinnen und Experten für Öffentlichkeitsarbeit (VA), Patientenvertreterinnen -und Vertreter, sowie Ärztinnen und Ärzte (ANT) und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler (CRECIM). Wir verfügen zudem über ein reichhaltiges Netzwerk assoziierter Partnerinnen und Partner, die uns helfen, sehr unterschiedliche und relevante Interessengruppen in Europa zu erreichen.

Das Projekt zielt darauf ab, Forschungseinrichtungen zu öffnen, um sie für Beiträge externer Interessengruppen durchlässiger zu machen. Wie verfolgen Sie dieses Ziel?

Wir haben bereits die verschiedenen Maßnahmen zur Co-Kreation erwähnt, die wir planen. Sie alle genießen die Unterstützung und die Selbstverpflichtung der Leitungen der teilnehmenden Institute. Die Ergebnisse werden als Leitlinien für die Entwicklung neuer Strategien für das öffentliche Engagement in unseren Institutionen dienen. Indem wir Möglichkeiten schaffen und die direkte Zusammenarbeit zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern fördern, erwarten wir nachhaltige Auswirkungen darauf, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre Arbeit denken. In einem der von uns bereits durchgeführten Projekte, der Zusammenarbeit von Kunst und Wissenschaft als Auftakt zum öffentlichen Dialog, konnten wir den Einstellungswandel in Echtzeit bei allen Protagonisten beobachten. In diesem Projekt verbrachte die Künstlerin Emilia Tikka drei Monate in unseren Forschungslabors und arbeitete gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an ihrem Kunstwerk zur Genombearbeitung. Der anfängliche Kampf der Kulturen verwandelte sich in gegenseitiges Verständnis und Respekt vor den Perspektiven der anderen, während ihr Kunstwerk das Publikum weiterhin inspiriert, sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der CRISPR-Forschung auseinanderzusetzen

Welche Rolle spielen Bibliotheken und andere Forschungsinfrastrukturorganisationen in diesem Projekt?

Für das Training von Forschenden arbeiten wir eng mit lokalen Bibliotheken zusammen. Schließlich finden wir hier die Expertinnen und Experten für Forschungsdatenmanagement und Publikationen, an die sich die Forschenden mit spezifischen Fragen wenden können.

Wir binden auch Forschungsinfrastrukturorganisationen ein, da diese wirklich im Mittelpunkt unserer Forschung stehen. Wir werden das European Genome Phenome Archive einbeziehen, wenn wir in Barcelona einen öffentlichen Dialog über medizinische Genomik führen, wir werden eine spezielle Infrastruktur nutzen, wenn wir mit der Datenerhebung aus unseren bürgerwissenschaftlichen Projekten beginnen, und so weiter.

Welche Lehren konnten bisher aus dem Projekt gezogen werden?

Die Forschungsgemeinschaft sehnt sich nach Open Science. Das Interesse an unserem Training und dem neu gestarteten Podcast zeigt, dass gerade Nachwuchsforschende das Interesse und den Willen haben, sich mit Open-Science-Praktiken auseinanderzusetzen. Zurzeit gibt es hierfür jedoch keine Anreize in der Form, dass es ihre Karriere fördern würde. Leider können wir das im Rahmen des ORION-Projekts nicht ändern. Was wir tun können, ist, die einzelnen Forschenden auf die Zeit vorzubereiten und dafür zu gewinnen, in der es nicht mehr notwendig sein wird, extra über Open Science zu sprechen, da sie das Synonym für qualitativ hochwertige Wissenschaft sein wird.

Wir stellen auch fest, dass die Bürgerinnen und Bürger großen Wert darauf legen, in die Forschung einbezogen zu werden. Unsere europaweite Umfrage zeigt deutlich, dass die Öffentlichkeit bereit ist, sich persönlich in die Biowissenschaftsforschung einzubringen, wenn dies einen Beitrag zu mehr Wissen für alle bedeutet.

Diese ersten Schritte zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und dass unsere vielfältigen Experimente zu interessanten Ergebnissen führen werden, die wir mit der Gesellschaft teilen wollen.

Weitere Information
ORION Open Science Podcast

Unsere Fragen wurden beantwortet von: Dr. Luiza Bengtsson und Dr. Michela Bertero

Dr. Luiza Bengtsson ist Biochemikerin und mittlerweile zur Wissenschaftskommunikatorin geworden. Sie ging von der Life-Science-Forschung mit der Entdeckung von Kommunikationskanälen in Zellen über zur Schaffung neuer Kanäle für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Luizas Arbeit, vor allem am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft, steht im Zeichen ihres Mottos: Mehr Wissenschaft in die Gesellschaft und mehr Gesellschaft in die Wissenschaft, das sie lebt, indem sie große Events organisiert, die die Wissenschaft in die Gesellschaft tragen, indem sie Gymnasiallehrerinnen und -lehrer trainiert und die Zusammenarbeit zwischen Kunst und Wissenschaft sowie mit Citizen Scientists ermöglicht. Im ORION-Projekt leitet Luiza das Team, das für die Entwicklung von Open-Science-Trainingsmaßnahmen verantwortlich ist. Sie ist außerdem Mitbegründerin von Trekstones, einer Firma für berufliche Weiterentwicklung, und Geschäftsführerin von BesserWissen e.V., einer gemeinnützigen Organisation, die sich der Entwicklung und Verbreitung von Werkzeugen für kritisches Denken widmet.

Dr. Michela Bertero ist Molekularbiologin mit mehrjähriger Erfahrung in den Bereichen Forschungsmanagement, Strategie und Politik. Derzeit ist sie Leiterin der Abteilung für internationale und wissenschaftliche Angelegenheiten am Centre for Genomic Regulation (CRG) in Barcelona (Spanien). Die Mission ihrer Abteilung besteht darin, die internationale und interdisziplinäre Dimension des Instituts zu stärken und neue Möglichkeiten für die wissenschaftliche Gemeinschaft zu kreieren, indem sie neue strategische Partnerschaften und Allianzen fördert, internationale Kooperationsprojekte koordiniert, den Direktor strategisch berät und unterstützt sowie wissenschaftliche Talente durch integrierte Trainingsprogramme fördert. Sie spielte eine grundlegende Rolle bei der Gründung der Europäischen Allianz für Biowissenschaften, genannt EU-LIFE, die sie nun in der European Open Science Policy Platform vertritt, die Kommissar Moedas berät. Sie koordiniert auch das H2020-Projekt ORION zu Open Science. Vor ihrem Eintritt in die CRG arbeitete sie als Postdoc in der Molekular- und Strukturbiologie und promovierte in Molekularbiologie.

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