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von Dr Maike Weisspflug

Die offene Plattform für Wissenschaftspolitik

Das Mandat der seit zwei Jahren bestehenden Open Science Policy Platform (OSPP) besteht darin, die Kommission bei der Weiterentwicklung und praktischen Umsetzung einer Open-Science-Politik zu beraten, um Qualität und Impact der europäischen Wissenschaft radikal zu verbessern, die Gestaltung und Umsetzung von politischen Rahmenbedingungen zu unterstützen und bewährte Praktiken für Open Science darzulegen. Als ein von Stakeholdern getragenes Beratungsgremium, das europäische Universitäten, Forschungseinrichtungen, Akademien, Verlage, Förderorganisationen, Bibliotheken, junge Forschende, offene Wissenschaftsplattformen und Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vertritt, zielt die OSPP darauf ab, die Kommission sowie die Stakeholder und Mitgliedstaaten direkt zu beraten. Ihre Arbeit steht in engem Zusammenhang mit den anderen hochrangigen Expertengruppen zur European Open Science Cloud, Next-Generation Metrics, Rewards and Incentives, Education and Skills, und Altmetrics and Rewards, die ihre Berichte bereits zuvor veröffentlicht haben.

Die Europäische Open Science Agenda entwickeln

Die Gesamtempfehlungen der OSPP (OSPP-REC) wurden beim Europäischen Rat für Wettbewerbsfähigkeit im Mai vorgestellt. Basierend auf den Berichten und Empfehlungen der Arbeitsgruppen, die die OSPP in den letzten zwei Jahren erarbeitet und veröffentlicht hat, deckt es die acht von Kommissar Moedas definierten Open-Science-Bereiche ab:

Neu denken, wie wir Wissenschaft betreiben

Ausgehend von der Annahme, dass Open Science nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie tief in alle wissenschaftlichen Bemühungen eingebettet ist, betrachtet die OSPP Open Science nicht als eine gesonderte Form der Wissenschaft, sondern als die Zukunft der Wissenschaft selbst. Konsequenterweise zielen viele der Empfehlungen auf einen kulturellen Wandel innerhalb des Wissenschaftssystems ab, der Annahme folgend, dass Open Science die Qualität, den Mehrwert und den Impact einer von Neugier getriebenen Forschung steigern kann.

Die traditionelle akademische Laufbahnstruktur, die Forscherinnen und Forscher in erster Linie für ihren Publikationsoutput belohnt, erschwert Open-Science-Verhaltensweisen. Die Umwandlung in ein System, das verschiedene Formen von Leistungen und auch unterschiedliche Laufbahnrichtungen belohnt, ist wichtig. Eine Möglichkeit, diesen Wandel in Gang zu setzen, könnte darin bestehen, Forscherinnen und Forschern, Projekten und Institutionen, die Open-Science-Elemente in ihre Forschung integrieren, zusätzliche Anerkennung zu gewähren. Dies erfordert auch neue Formen von Forschungsindikatoren (die OSPP nennt sie “Next Generation Metrics”), die entwickelt werden müssen.

Die wichtigste Botschaft ist, dass ein kultureller Wandel nur mit den gemeinsamen Kräften aller Beteiligten stattfinden kann – und mit ein wenig Hilfe der Politik.

Wissenschaftspolitik

Obwohl ein Großteil des Übergangs zu einer offenen Wissenschaft als Bottom-up-Prozess gestaltet ist, enthält die OSPP auch einige sehr starke Empfehlungen für politische Entscheidungsträger:

  1. Die Mitgliedstaaten sollten nationale Koordinatorinnen oder Koordinatoren benennen, um nationale Open-Science-Agenden zu fördern und umzusetzen. Dies ist bereits in den Niederlanden geschehen, deren Open-Science-Koordinator Karel Luyben ebenfalls Mitglied der OSPP ist.
  2. Der zweite Bereich, in dem die OSPP Top-down-Politikunterstützung empfiehlt, sind Infrastrukturen wie die EOSC. Für Open Science ist es entscheidend, die hohe Interoperabilität wissenschaftlicher Infrastrukturen zu gewährleisten, damit Forscherinnen und Forscher Metadaten und Daten zwischen Systemen, Disziplinen, Ländern und mit der Öffentlichkeit austauschen können.
  3. Der dritte Bereich ist die Aus- und Weiterbildung: Diese Empfehlungen richten sich eindeutig an die europäischen Mitgliedstaaten und fordern sie auf, Lehrpläne für eine Open-Science-Ausbildung auf allen Ebenen ihrer Bildungssysteme zu entwickeln.

Diskussion: Offene Wissenschaft und öffentliches Engagement in Horizon Europe

Obwohl sich OSPP-REC nicht direkt an Horizon Europe wendet, hilft es, einige wichtige Aspekte für die Entwicklung von Open Science in Europa zu diskutieren, insbesondere im Hinblick auf Wissenschaftskommunikation und öffentliches Engagement.

Wie die OSPP feststellt, macht Open Science die Forschung für Bürgerinnen und Bürger transparenter und zugänglicher und bezieht sie möglicherweise in die Forschungsaktivitäten ein. Nach dieser Vision stärkt Open Science die Verbundenheit und das Zusammenspiel von Wissenschaft und Gesellschaft. Dafür sind Open-Science-Praktiken und -Fähigkeiten wie die gemeinsame Schaffung von Wissen oder Community-Management entscheidend. Die OSPP identifiziert wissenschaftliche Institutionen wie Bibliotheken als führend bei der Entwicklung der entsprechenden Koordinations- und Kommunikationsinfrastrukturen.

Einige Akteure haben Bedenken geäußert, dass neue Formen des öffentlichen Engagements in Horizon Europe nicht stark genug unterstützt werden. Das Budget ist in drei Hauptbereiche unterteilt: Open Science, globale Herausforderungen/industrielle Wettbewerbsfähigkeit und Open Innovation. Dennoch gibt es keinen spezifischen Bereich für öffentliches Engagement wie in den früheren Rahmenprogrammen. In der Vergangenheit wurden einige erfolgreiche bürgerwissenschaftliche Projekte wie Doing it together Science – DITOs durch das Programm “Wissenschaft mit und für die Gesellschaft” (“Science with and for Society” – SwafS) gefördert. Das europäische Netzwerk von Wissenschaftszentren und Museen, Ecsite, befürchtet, dass das wissenschaftliche Engagement auf die Kommunikation von oben nach unten reduziert wird und empfiehlt, einen spezifischen Schwerpunkt auf „Wissenschaft mit und für die Gesellschaft“ wie in Horizon 2020 beizubehalten.

Das Netzwerk der nationalen Kontaktstellen für SwafS in Horizon 2020 (SiS.net) hat sogar eine Petition herausgegeben, um die Finanzierung eines spezifischen Programms für Wissenschaft, Gesellschaft und Bürgerinitiativen sicherzustellen.

Die OSPP-Empfehlungen weisen auch in eine andere Richtung: neue Formen des öffentlichen Engagements wie Citizen Science in allen Bereichen der Wissenschaft umzusetzen. Dieses Mainstreaming von Open Science erfordert eine breite Einbeziehung von Praktiken des öffentlichen Engagements und der Wissenschaftskommunikation. Horizon Europe scheint sich in diese Richtung zu bewegen. Ob das neue Rahmenprogramm dies auch tatsächlich leistet, muss genau beobachtet werden.

Autorin: Dr. Maike Weisspflug ist Politikwissenschaftlerin und Postdoc am Museum für Naturkunde Berlin. Ihre Forschungsinteressen umfassen neben Open Science auch Citizen Science und Naturbegriffe. Auf Twitter ist sie zu finden unter @maikeweisspflug.

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