ZBW MediaTalk

Sind Sie heute aufgewacht und haben als erste Handlung Ihren Facebook- oder Twitteraccount auf dem Smartphone abgefragt? Wohl nichts Aussergewöhnliches, gehört dies doch womöglich zum täglichen Ritual für Sie und ist bereits zur Selbstverständlichkeit geworden.

Der Cisco Connected World Technology Report (2012) zeigt auf, dass “for 90% of these young people checking the smartphone belongs to the morning routine“.

Je nach Laune und Stimmung können Sie in naher Zukunft auch gerade das Kleidungsstück auswählen, dessen Farbe genau mit Ihrer momentanen Gefühlslage übereinstimmt, mehr noch, Kleidung, deren Farbe sich mit Ihren Gefühlen verändert.

Bis im Jahre 2025 werden Sie zudem Ihr Smartphone bereits implantiert haben…

Digitaler Lifestyle: Immer mehr, immer schneller?

Die digitalen Technologien mit den immer raffinierteren Geräten und Gadgets verändern das Gesellschaftsbild und das Verhalten jedes einzelnen; sie haben große Auswirkungen auf unser persönliches Umfeld und unser Handeln (Studium, Arbeit); sie vergrößern die Erwartungen und Ansprüche an unseren Lifestyle. Wir wollen all unsere Aufgaben am liebsten mit- und nebeneinander erledigen, alles im Blick und im Griff haben. Diese Gleichzeitigkeit spiegelt sich im Alltag der Studierenden wider, …”Instagrammed their selfies and Snapchatted their campus farewells before Ubering to the airport.

 

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Sind wir diesem Informationsuniversum restlos ausgeliefert, oder können wir uns den unendlichen (Informations-)Strömen noch entziehen? Diese Frage stellt sich nicht nur dem Individuum, sondern zunehmend auch den Bildungsinstitutionen.

Der aktuelle Diskurs im Bildungsbereich (PDF) dreht sich zurzeit vor allem um Digitalisierung an den Hochschulen (PDF); Themen wie Assessments und Analytics liegen im Trend. Dabei entsteht leicht der Eindruck des “Immer-Mehr” und “Immer-Schneller”, die einzelnen Hochschulen überbieten sich mit ihren Angeboten.

Die analoge Seite des (Arbeits-)Lebens rückt zunehmend in den Hintergrund. In einer Gesellschaft, in der Dinge und Menschen mit- und untereinander immer vernetzter sind, wird es ein wesentlicher Schlüsselfaktor sein, als Bildungsinstitution Strategien aufzeigen zu können, wie die (digitalen) Informationsflüsse und die rasante Beschleunigung reduziert werden können.

 

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Bibliotheken, die Kompetenzzentren in der Informationsflut

Gerade in diesem Bereich können Bibliotheken als Kompetenzzentrum auftreten, Raum und Möglichkeiten schaffen, um sich der gesamten medialen Informationsflut zumindest zeitweise entziehen zu können.

 

Wie könnte dies aussehen? Als Anregung seien folgende drei Szenarien skizziert:

  • Medienpädagoge/Medienpädagogin
  • Inspirationszimmer
  • Study Boat

 

Medienpädagoge/Medienpädagogin

Als Ergänzung zum bibliothekarischen Fachpersonal wird ein Medienpädagoge beziehungsweise eine Medienpädagogin eingestellt, als kompetenter Ansprechpartner für alle relevanten Themen rund um soziale Medien. Durch das spezielle Outfit (T-Shirt/Pullover mit der Aufschrift “Off/On”) ist diese Person für jedermann sofort erkennbar; sie bewegt sich frei in den Räumen der Bibliothek, kann von den Studierenden überall und jederzeit angesprochen werden (ähnlich dem Konzept des “Roving librarian“); so kann (auch) Einzelberatung gewährleistet werden.

 

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Inspirationszimmer

Ein speziell dafür eingerichtetes Zimmer, das Inspirationszimmer, lädt zum Aus- und Abschalten, zum Verweilen, ein. Die Innenausstattung des Zimmers ist äusserst rudimentär gehalten, ausser Büchern, die  über die Wände verteilt sind, befindet sich nichts darin. Das Spannende dabei, die Bücher enthalten ausschliesslich leere weisse Seiten.

Diese leeren (Notiz-)Bücher können in verschiedenen Einbandfarben präsentiert und aufgestellt werden, pro Wand eine bestimmte Farbe. Dies soll dazu einladen, die Seiten selbst zu füllen, der eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen; leere Seiten als Stimulator für Neues.

Diese Idee wird am CeMM, Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, mit der “Time Capsule” erfolgreich umgesetzt.

 

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Study Boat

Die “Bibliothek als dritter Ort” wird in vielen Fachpublikationen als wichtige Aufgabe gepriesen, doch wo führte es hin, wenn wir diesen Gedanken weitertragen und die  “Bibliothek als vierten Ort” entwickeln würden? Renn (2015) beschreibt die Bibliothek als vierten Ort als physischen Platz, “an dem Information Consultants, die idealerweise selbst Wissenschaftler sind, Wissenschaftler der Einrichtung beim Einsatz von Informationstechnologie beraten und fortbilden”.

Ich möchte einen Schritt weitergehen, den vierten Ort auslagern und auf einem Schiff eine “Insel der Ruhe”, “Oase der Ruhe”, fördern. In Analogie zu Coworking-Spaces, die übrigens bereits in Form von “CoBoats” auf Schiffen zu finden sind, kann die Bibliothek ganz bestimmte Dienstleistungen (Schulungen) anbieten, digitales Ausschalten auf einer Schiffsrundfahrt, sich nur auf die Tiefe des Wassers (aufs Wesentliche) konzentrieren beim wissenschaftlichen Schreiben, beim Publikationsmanagement: Leinen los fürs “Study Boat”.

Diese neuen Angebote würden selbstverständlich mit Flyern oder Plakaten sowie auf der Bibliothekswebsite beworben.

 

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Zeit für Experimente an der Schnittstelle zwischen On- und Offline?

… Und wie wäre es, einmal das Experiment zu wagen, einen ganzen Tag keinen Zugriff auf Internet- und Onlinedatenbanken zu bieten: „Wir sind heute nur analog für Sie da und beraten Sie gerne.“ Vielleicht einen Versuch wert…?

 

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Autorin: Anne-Katharina Weilenmann, MSc (freischaffende Informationsspezialistin,Dozentin für Internet- und Onlinerecherche an der Haute école de gestion de Genève – HEG).

Fehlende deutsche Übersetzung

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