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im Interview mit Olaf Siegert

Seit dem Jahr 2018 hat das Thema Open Access auch bei Monographien an Fahrt gewonnen, nachdem bereits ein beträchtlicher Anteil von Zeitschriftenaufsätzen im Open Access verfügbar ist. Unter anderem wurde kürzlich eine Reihe neuer Reports zu Open-Access-Monographien veröffentlicht:

Olaf Siegert, Open-Access-Beauftragter und Leiter der Abteilung Publikationsdienste der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, hat unter anderem an dem „Stakeholder Workshop on Open Access and Monographs“ und an der Erstellung des Reports „Towards a Roadmap for Open Access Monographs“ mitgewirkt. Er ist zum Thema Open Access auch für die Leibniz-Gemeinschaft aktiv und repräsentiert den Leibniz-Arbeitskreis Open Access in externen Gremien, wie bei der Allianz der Wissenschaftsorganisationen in der AG Wissenschaftliches Publikationssystem, bei LIBER und bei Science Europe. Wir haben mit ihm über den aktuellen Stand von Open Access bei Monographien gesprochen.

Welche Rolle spielen Monographien heutzutage in der Wissenschaft?

Monographien spielen nur noch eine kleine Rolle. So wurden laut einer jüngsten Studie 2013 schätzungsweise 86.000 Monographien publiziert. Demgegenüber stehen rund über 2,4 Millionen Journalartikel. Demnach entfallen nur etwa 3,5 Prozent des jährlichen Publikationsoutputs auf Monographien, mit fallender Tendenz.

Je nach Disziplin unterscheiden sich der Anteil und die Bedeutung von Monographien allerdings sehr. Während Monographien in den Natur- und Lebenswissenschaften kaum eine Rolle spielen, machen sie in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften schätzungsweise einen höheren einstelligen Prozentsatz des Publikationsoutputs aus, und in den Geisteswissenschaften ist dieser noch einmal deutlich höher. Von den buchstarken geisteswissenschaftlichen Disziplinen kommt gleichzeitig auch der höchste Druck gegen Open Access.

Anders als bei Journals bestehen Autorinnen und Autoren bei Monographien oft noch auf eine Druckausgabe. Gründe dafür sind zum einen der allgemeine Status eines gedruckten Werks in geisteswissenschaftlichen Disziplinen, zum anderen auch die von vielen als angenehmer empfundene Rezeption von gedruckten Werken. So hat auch die Springer-Studie “The future of scholarly books is open (access)” gezeigt, dass 70 bis 80 Prozent der Autorinnen und Autoren weltweit weiterhin eine gedruckte Fassung des Buches haben möchten.

Die Märkte für Monographien und Zeitschriften unterscheiden sich auch hinsichtlich des Sprachraums sehr: Journals, die nicht auf Englisch veröffentlichen, haben massive Probleme, weshalb mittlerweile einige auf Englisch umgeschwenkt sind. Bei Monographien ist dies nicht zu beobachten. Hier wird nach wie vor der Austausch in der eigenen Sprache gepflegt, insbesondere in größeren sprachlichen Regionen, wie zum Beispiel auch dem deutschen Sprachraum.

Wie weit ist Open Access bei Monographien derzeit verbreitet?

Von den circa 86.000 Monographien, die pro Jahr veröffentlicht werden, erscheinen vielleicht 2.000 bis 3.000 im Open Access, also etwa 2,3-3,5%. Der Open-Access-Anteil hinkt hier deutlich dem des Journal-Marktes hinterher. Von den Zeitschriftenartikeln sind je nach Studie und Berechnung bis zu 28 Prozent im Open Access verfügbar.

Figure 4: Percentage of different access types of a random sample of WoS articles and reviews with a DOI published between 2009 and 2015 per NSF discipline (excluding Arts and Humanities). DOI

Gibt es bereits Maßnahmen, die aktiv Open Access bei Monographien unterstützen?

Ja, in der Tat. So entstehen zum Beispiel derzeit in Deutschland diverse Förderfonds speziell für Open- Access-Monographien. So haben etwa die drei Berliner Universitäten, FU Berlin, Humboldt-Universität und TU Berlin, eigene Förderfonds für Monographien aufgesetzt, aber auch die Leibniz-Gemeinschaft fördert über dieses Instrument seit Anfang des Jahres die Open-Access-Stellung von Büchern ihrer Autorinnen und Autoren.

Welche Akteure haben nach deiner Einschätzung die besten Möglichkeiten, Open Access für wissenschaftliche Bücher durchzusetzen?

Hauptkäufer von Monographien sind Bibliotheken; ein Großteil der Verlagsfinanzierung läuft direkt über Bibliotheken. Anders als bei einem Großteil der Zeitschriften, deren Subskriptionen sich weltweit aufsummieren, werden Monographien oftmals nur im nationalen Kontext beziehungsweise innerhalb einer Sprachregion verkauft. Daher beträgt die gedruckte Auflage zumeist nur wenige hundert Exemplare. Zudem existieren (anders als im Zeitschriftenmarkt) weniger globale Verlagskonzerne, sondern eine Vielzahl oftmals sprachlich und disziplinär verorteter kleinerer und mittelständischer Verlage. Daher haben Bibliotheken prinzipiell eine gute Chance, in Kooperation mit den jeweiligen Verlagen, Open-Access-Geschäftsmodelle auf den Weg zu bringen. Denn sie können hier bereits durch den Zusammenschluss in kleinen Konsortien Erfolg haben.

Wie können Bibliotheken Open Access bei Monographien konkret voranbringen?

Bibliotheken sollten wie bereits erwähnt Förderfonds für Open-Access-Monographien für ihre eigenen Autorinnen und Autoren aufsetzen. Zudem spielen Bibliotheken eine bedeutende Rolle im Hinblick auf die Sichtbarkeit von Open-Access-Monographien. Sie sollten diese gut sichtbar in ihren Katalogen nachweisen. Ihre Metadaten sind zudem wichtig für die Auffindbarkeit in Suchmaschinen.

Interessant sind auch Crowdfunding-Modelle, mit denen Bibliotheken kollaborativ Monographien fördern. Das wohl bekannteste Modell dafür ist die privatwirtschaftliche Initiative Knowledge Unlatched. Knowledge Unlatched überzeugt einerseits Verlage, dass diese Open-Access-Monographien anbieten, und sammelt andererseits die dafür notwendigen Finanzierungsbeiträge von Bibliotheken ein.

Ein weiterer Ansatz für Bibliotheken wäre es, Open-Access-Bücher als normalen Teil des Erwerbungsetats zu betrachten. Bei E-Book-Paketen könnten Bibliotheken zum Beispiel Open-Access-Optionen verhandeln. Wird ein Buch zum Beispiel oft genutzt beziehungsweise heruntergeladen, könnte etwa darüber nachgedacht werden, mit dem Verlag über dessen Open-Access-Stellung zu verhandeln.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, Open Access Backlists an Büchern freizukaufen. Diese Möglichkeit hat unter anderem die ZBW in der Vergangenheit genutzt. Der Open Access für Backlists von Monographien ist deutlich günstiger als bei Neuerscheinungen. Im Moment sind wir da, wie viele andere auch, am Experimentieren.

Zudem sollten Monographien explizit in institutionelle Open Access Policies aufgenommen werden. Auch das Academic Publishing könnte für Bibliotheken diesbezüglich eine Aktivität darstellen. Über 20 deutsche Universitäten verfügen zum Beispiel bereits über einen Universitätsverlag, und dort werden überwiegend Monographien (zumeist gedruckt und als Open Access) veröffentlicht. Auch die Chancen der Distribution via Repository, des Autorensupports und des Autorentrainings sollten genutzt werden. Das Monitoring ist ebenfalls wichtig und gibt schließlich Aufschluss darüber, wie viele Publikationen im Open Access vorhanden sind und wie stark sie genutzt werden.
Ergänzend dazu sollten Bibliotheken Querschnittsthemen wie die Kompetenzentwicklung ihrer Beschäftigten im Bereich wissenschaftliches Publikationssystem und Autorensupport ausbauen. Zudem ist die Anpassung bibliotheksinterner Arbeitsabläufe notwendig, um so wichtige Bereiche wie das Lizenzmanagement und die Publikationsdienste miteinander zu vernetzen.

Wie sieht eine europäische Roadmap für Open-Access-Monographien aus?

Für eine europäische Roadmap für Monographien ist es noch ein langer Weg. Wir sind noch weit von dem entfernt, was es bei den Journals beispielsweise mit Plan S bereits gibt, auch weil es nicht diesen einen Markt der Monographien gibt, sondern viele verschieden sprachliche Märkte, die stark voneinander abgegrenzt sind. Förderorganisationen müssten Open Access bei Monographien auch erst einmal verstärkt in ihre Förderprogramme aufnehmen.

Weiterführende Informationen:

Fehlende deutsche Übersetzung

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