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Das Teilen von Forschungsdaten beinhaltet ein großes Potential für den wissenschaftlichen Fortschritt. Zugleich wird Open Data von Forscherinnen und Forschern noch wenig praktiziert, weil es für sie oft ein soziales Dilemma bedeutet. Nur wenn Forscherinnen und Forscher bereitwillig ihre Forschungsdaten teilen, kann sich Open Data jedoch durchsetzen. Ob sie dazu bereit sind, hängt zum Teil von ihrer Persönlichkeit ab. Welchen Einfluss die Persönlichkeit hat, wurde in einer bundesweiten fachübergreifenden Studie mit 1.564 Probandinnen und Probanden im Rahmen des Leibniz-Forschungsverbundes Science 2.0 untersucht. Projektpartner waren die ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft, das DIW Berlin, das Alexander-von-Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und die Vrije Universiteit Amsterdam.

Dr. Stephanie B. Linek, Wissenschaftlerin an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und Hauptautorin der Studie “Data sharing as social dilemma: Influence of the researcher’s personality”, erläutert im Interview zentrale Erkenntnisse der Studie.

Welche Aspekte der Persönlichkeit haben Sie untersucht?

Unserer Untersuchung lag die Persönlichkeitstypisierung nach dem Fünf-Faktoren-Modell zugrunde. Das heißt, es wurden die Faktoren Extraversion beziehungsweise Neigung zu Geselligkeit, Neurotizismus beziehungsweise Neigung zu emotionaler Labilität und Verletzlichkeit, Offenheit für Erfahrungen, Verträglichkeit (das heißt Rücksichtnahme, Kooperationsbereitschaft, Empathie) sowie Gewissenhaftigkeit untersucht. Als zusätzliche Persönlichkeitsfacetten haben wir Machiavellismus (das heißt manipulative, eigennützige und instrumentelle Natur) und die Tendenz zu sozial erwünschtem Verhalten miteinbezogen. Daneben haben wir auch Alter und Geschlecht als soziodemographische Kontrollvariablen berücksichtigt.

Können Sie ein paar konkrete Beispiele geben, wie sich die unterschiedlichen Persönlichkeitseigenschaften jeweils auswirken?

Forscherinnen und Forscher, die ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit aufweisen, legen großen Wert darauf zu wissen, wofür die Daten verwendet werden und wer Zugang zu den Daten hat. Für sie kann es einen Anreiz darstellen, dass ein kommunikativer Austausch mit den Sekundärdatennutzerinnen und –nutzern ihrer Daten ermöglicht wird. Ähnlich sieht es aus, wenn wir die Persönlichkeitsdimensionen Extraversion und Verträglichkeit betrachten. Daher sollte die Sekundärnutzung transparent sein und im Rahmen des Datenteilens die Möglichkeiten bieten, sich mit den Forschenden auszutauschen, die den geteilten Datensatz für andere Fragestellungen nachnutzen.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer starken Ausprägung von Neurotizismus, die Angst vor Kritik und Datenverfälschung haben, können eher durch detaillierte Informationen über das konkrete Verfahren der Datenverteilung motiviert werden: Auch Nutzungseinschränkungen und spezifische Nutzungsvereinbarungen für die sekundäre Datenverwendung sowie ein Mitspracherecht oder eine Veto-Option in Bezug auf die sekundäre Datennutzung können interessante Anreize sein.

Für Forschende mit einem hohen Maß an Offenheit und mit einem hohen Maß an Verträglichkeit ist insbesondere die Unterstützung durch den Arbeitgeber beim Datenteilen wichtig.

Gab es für Sie überraschende Erkenntnisse in der Studie?

Überraschend fand ich, dass Machiavellismus zwar einerseits zu einer höheren Wichtigkeit von fast allen Anreizen und Barrieren führte, sich aber andererseits kein Einfluss von Machiavellismus auf das tatsächliche Teilen von Daten zeigte. Dies könnte damit zusammenhängen, dass es Forschende mit einer stärker manipulativen und instrumentellen Natur besser verstehen, sich die vorhandenen Anreize nutzbar zu machen und Barrieren zu überwinden.

Demgegenüber fanden wir für den Vergleich zwischen Frauen und Männern, dass für Frauen Anreize und Barrieren eine höhere Relevanz besitzen, und sie zugleich auch eine geringere Bereitschaft zeigen, ihre Daten zu teilen. Was diese Geschlechtsunterscheide betrifft sind wir gerade dabei, noch weitere Auswertungen durchzuführen. Unsere ersten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die gefundenen Geschlechtsunterschiede mit dem sogenannten Gender Gap und der Sichtbarkeit von Geschlechts-Stereotypen zusammenhängen könnten.

Ebenfalls bemerkenswert fanden wir, dass Menschen, die eine hohe Tendenz haben, sich in einer sozial erwünschten Art und Weise zu verhalten, eine geringere Bereitschaft zum Datenteilen aufweisen. Dies stützt die These früherer Arbeiten, dass vor allem das Publizieren von Forschungsergebnissen und weniger das Teilen von Daten das relevante beziehungsweise sozial erwünschte Verhalten in der Wissenschaft ist.

Welche Schlüsse sollten Wissenschaftspolitik und Forschungsförderung aus Ihrer Studie ziehen, um Open Data weiter zum Durchbruch zu verhelfen?

Insgesamt sollte das Teilen von Forschungsdaten mehr formale Anerkennung erfahren. Es sollten diesbezüglich entsprechende karriereförderliche Anreize eingeführt werden. Denn ebenso wie frühere Arbeiten stützen auch unsere Ergebnisse die Annahmen, dass Publikationen bislang als wichtiger erachtet werden als das Teilen von Forschungsdaten.

Daneben lassen die Ergebnisse zu Machiavellismus auf der einen Seite und zu Geschlechtsunterschieden auf der anderen Seite vermuten, dass es nicht nur um die Ausgestaltung bestimmter Konditionen (d.h. Anreize und Barrieren) geht, sondern auch um die faire und demokratische Nutzung der bereits vorhandenen Möglichkeiten.

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