ZBW MediaTalk

von Susanne Melchior und Olaf Siegert
(Fotos: Flickr / Kieluni (CC BY-NC-SA 2.0)

Die Open-Access-Roadshow ist Bestandteil der Open-Access-Strategie des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein. Eine Woche lang machte die Roadshow in Kiel, Lübeck und Flensburg halt, um unterschiedlichen Aspekten von Open Access und Open Science ein Forum zu geben. Die mit knapp 100 angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmern gut besuchte Auftaktveranstaltung fand an der Universitätsbibliothek Kiel statt.

Inhaltlich startete die Veranstaltung mit Prof. Dr. Konrad Förstner (ZB MED; TH Köln), der den großen Erfolg von Preprint-Servern zur Vorabveröffentlichung von Papern herausstellte.


 

Er betonte zudem, dass nicht die fehlenden technischen Möglichkeiten für Open Access und Open Science eine Hürde darstellen, sondern vielmehr ein kulturelles Defizit in der aktuellen Forschungslandschaft besteht. Es fehle an entsprechenden Anreizsystemen für Forschende, ihre Arbeit zu öffnen.

In ihrer Keynote gab Kai Karin Geschuhn (Max Planck Digital Library) einen Überblick über die DEAL- Verhandlungen, die als wichtigen Meilenstein die standardmäßige Implementierung von Open Access als Publikationsmodell beinhalten.


 
Nach wie vor stammen 82% der Publikationen von Subskriptionszeitschriften. Allerdings gibt es zeitgleich einen zunehmenden Wunsch nach Open Access. Die jüngste ITHAKA-Studie, eine Umfrage unter Forschenden in den USA, ergab u.a., dass 64% der Befragten ihre bestehenden Journals beibehalten wollen, aber auch wünschen, dass diese in einem Open-Access-Modell verfügbar sind.

Kulturwandel als größte Herausforderung für Open Access

In der anschließenden Podiumsdiskussion beleuchteten Prof. Dr. Konrad Förstner (ZB MED, TH Köln), Prof. Dr. Alexander Grossmann (HTWK Leipzig), Dr. Oliver Grundei (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein) und Dr. Christian Heise (Open Knowledge Foundation) aktuelle Herausforderungen im Kontext von Open Access. Die Einstellung zu Open Access sei in Deutschland stark abhängig von der individuellen Stellung im Wissenschaftssystem. So teilen insbesondere viele jüngere Forschende ihre Daten nicht, aus Angst davor, dass andere diese nutzen, um schneller Forschungsergebnisse zu publizieren und für sich zu reklamieren. Auch von Seiten des Bildungsministeriums in Schleswig-Holstein wird der Kulturwandel des wissenschaftlichen Reputationssystems als größte Herausforderung wahrgenommen.


 
Kulturstaatssekretär Dr. Grundei betonte, dass dieses Reputationssystem vergleichbar sei mit dem Beamtenrecht und es eine hohe Frustrationstoleranz sowie einen langen Atem brauche, um hier einen Kulturwandel herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund sind Open-Science-Champions und Best Practices wichtig, um Forschende zu überzeugen, ihre Forschung zu öffnen. Dr. Christian Heise forderte Forschende dazu auf, mehr zu experimentieren und neue offene Praktiken zu testen. Eine oftmals unterschätze Rolle spielt die Offenheit in der Lehre. Vor allem die sogenannten Carpentry-Ansätze, die gezielt als Praxishilfe für Forschende fungieren, sind z.B. für Bibliotheken eine Möglichkeit, gezielt Open Science und Open Access zu fördern. Um den Kulturwandel hin zur Offenen Wissenschaft zu meistern, ist es von zentraler Bedeutung, immer wieder den Bezug von Open Access und Open Science zu guter wissenschaftlicher Praxis herzustellen – so das Fazit der Podiumsteilnehmer*innen.

Von der Entwicklung eines OER Repository hin zur Open Access Strategie eines Bundeslandes – Hohe Vielfalt der Open Access Praxis in Deutschland

Die zweite Hälfte der Auftaktveranstaltung war geprägt von Vorträgen über bundesweite Open-Access- und Open-Science-Praxisbeispiele. So wurde u.a. von Michael Menzel (Universität Tübingen) die Entwicklung eines zentralen Repositoriums für Open Educational Resources in Baden-Württemberg präsentiert sowie von Jochen Schirrwagen (Universitätsbibliothek Bielefeld) die konkrete Umsetzung der ersten Open Access Policy an einer Deutschen Hochschule an der Universität Bielefeld veranschaulicht.

Orientierung an den Bedürfnissen der Wissenschaftscommunity

In Hamburg wurde auf Grundlage des Koalitionsvertrages der Regierungsparteien das Förderprogramm “Hamburg Open Science” aufgelegt, das gezielt Open-Science-Unterstützungsmodelle für Forschende entwickelt. So liefert es u.a. Forschenden Unterstützung im Bereich Forschungsdatenmanagement. Um die Angebote passgenau zu entwickeln, wurde vorab eine Bedarfsanalyse in Form einer Open-Science-Studie erhoben. Die Ergebnisse dieser Studie werden 2020 veröffentlicht.

Das genaue Verhalten der wissenschaftlichen Communities hat auch Dr. Nils Taubert (Universität Bielefeld) anhand des Open-Access-Verhaltens von Forschenden der Mathematik und der Astronomie untersucht. Für diese beiden Disziplinen spielt insbesondere die Nutzung von Preprint-Repositorien eine große Rolle. Diese Preprint-Repositorien dienen in nicht unerheblichem Maße der Qualitätskontrolle, indem Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit offeriert wird, schon früh Feedback über die Forschungsansätze zu geben. Anhand dieser Praxisbeispiele wurde deutlich, dass es bei Open Access bzw. Open Science darum geht, gezielt gemeinsam mit den jeweiligen fachspezifischen Communities Lösungen zu entwickeln.

Steigende Bedeutung von Open Access für die Wissenschaftspolitik

Parallel zu dieser Entwicklung wird die Relevanz von Open Science auch für die Wissenschaftspolitik immer stärker. Hier liegt der Schwerpunkt darin, die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung in die Gesellschaft zu transferieren und gesellschaftspolitisch nutzbar zu machen. Gezielte Open-Access-Strategien gewinnen an Bedeutung. Die Open-Access-Strategie des Landes Brandenburg zeigt, dass die High-Level Open-Science-Politik auf europäischer Ebene nun auch in den einzelnen Bundesländern an Fahrt aufnimmt. Anita Eppelin (Fachhochschule Potsdam) stellte die Entstehungsgeschichte dieser Strategie vor, die auch durch neue Formate wie einen “Booksprint” ermöglicht wurde. Sie befindet sich nun in der Umsetzungsphase. Es wurden gezielt Maßnahmen für Forschende, Hochschulleitungen und Bibliotheken festgelegt, die zusammen mit dem Land Brandenburg realisiert werden.

Open Science als Ideal und Notwendigkeit

Zum Abschluss der Veranstaltung skizzierte Dr. Hans Pfeiffenberger (Alfred-Wegener-Institut Bremerhaven) die gestiegene Bedeutung von offenen Forschungsdaten. Am Beispiel der aktuellen Mosaic-Expedition im Nordpolarmeer veranschaulichte er die großen Herausforderungen, die für Forschungsdaten aktuell bestehen. Eine große Herausforderung ist hier, Publikationen, Datensätze und Personen miteinander zu vernetzen und Infrastrukturen zu etablieren, die einfach nutzbar sind.

Insgesamt bleibt zur Veranstaltung festzuhalten, dass die Open-Access-Roadshow die Vielfalt der Open-Access- und Open-Science-Handlungsfelder abgebildet hat. Es wurde deutlich, dass Bibliotheken hier an vielen Stellen beteiligt sind. Obwohl der Kulturwandel hin zu einem Offenen Wissenschaftssystem eine große Hürde darstellt, gibt es immer mehr erfolgreiche Akteure und Initiativen, die stetig Ansätze entwickeln, um die Bedürfnisse von Forschenden und deren Probleme zu lösen.

Weitere Informationen

  • Alle Abstracts zu den Vorträgen finden Sie hier.
  • Die Fotos der Veranstaltung finden Sie auf Flickr (CC BY-NC-SA 2.0).
Autor:in

Susanne Melchior | Koordinationsassistentin des Leibniz-Forschungsverbunds Open Science (ZBW)
Olaf Siegert | Leiter der Abteilung Publikationsdienste und Open-Access-Beauftragter (ZBW)

Fehlende deutsche Übersetzung

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