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Das Interesse war groß: Mehr als 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus allen deutschen Bibliotheksverbünden trafen sich im Tagungszentrum Sternwarte der Universität Göttingen, um in Vorträgen und Workshops einen Einblick in die Entwicklung von FOLIO zu bekommen. Veranstalter waren das FOLIO-Team der Verbundzentrale des Gemeinsamen Bibliotheksverbunds (VZG) und das Hochschulbibliothekszentrum des Landes Nordrhein-Westfalen (hbz) mit freundlicher Unterstützung der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (SUB).

Die Veranstaltung startete mit einem Vortrag von Kirstin Kemner-Heek aus der VZG und Maike Osters vom hbz, in dem die beiden Referentinnen einen allgemeinen Überblick über die bisherigen Entwicklungen im FOLIO-Projekt seit 2016 boten. Als Teil der Open Library Foundation wird durch die FOLIO-Community, bestehend aus der Open Library Environment (OLE) Community, EBSCO, Index Data und weiteren Bibliotheken und Entwicklungsfirmen, ein plattformbasiertes Open-Source-Bibliothekssystem entwickelt. Funktionale Experten, Entwickler und Designer arbeiten zusammen an der Gestaltung von Anwendungen (Apps), die neben den Funktionen eines klassischen integrierten Bibliothekssystems auch die Chance bieten, zukünftige Anforderungen von Bibliotheken in das System zu integrieren.

„The Power of FOLIO is the Community“

Michael Winkler, OLE Managing Director, erläuterte im anschließenden Vortrag die Vision von FOLIO: Es soll eine Gemeinschaft von Bibliothekaren, Entwicklern, Designern, Dienstleistern und Anbietern sein, die als Partner an Technologielösungen zur Verbesserung von Bibliotheksdiensten arbeiten. Somit erhalten Bibliotheken die Möglichkeit, mit kommerziellen Anbietern auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und ihre Vorstellungen und Bedürfnisse eigenverantwortlich umzusetzen.

Einen ersten Einblick in die Technik hinter der Plattform gab es im Vortrag „Pushing Boundaries – FOLIO beyond the ILS“ (Präsentationsfolien) von Sebastian Hammer von Index Data. Es wurde das UI-Toolkit „Stripes“ für die Benutzeroberfläche und das Gateway „Okapi“ vorgestellt. Jede FOLIO-App wird für eine spezifische Aufgabe entwickelt werden – ein Workflow Management verbindet die einzelnen Apps und stellt die Kommunikation über Programmierschnittstellen (APIs) sicher. Dadurch wird keine Komponente zu groß sein, um sie zu ersetzen. So wurden mit den vorgestellten Konzepten für eine App für die Fernleihe und einer weiteren App für die Verwaltung von Forschungsdaten bereits gezeigt, wie zukünftige Anwendungen durch das modulare Konzept eingebunden werden können.

Im Vortrag zu „EBSCOs Motivation im FOLIO-Projekt“ (Präsentationsfolien) stellte Roman Piontek, EBSCO Director of SaaS Innovation, dar, welche Rolle EBSCO im FOLIO-Projekt einnimmt und welche Ziele sie damit erreichen will. EBSCO finanziert einen Teil der Entwicklung und stellt als Partner der Gemeinschaft Ressourcen bereit. In Zukunft soll FOLIO auch als EBSCO-designter Service als Software as a Service (SaaS) angeboten werden, zusammen mit weiteren integrierten EBSCO-Produkten.

Sharon Wiles-Young von der Lehigh University Library ist Mitglied im FOLIO Product Council und berichtete in ihrem Vortrag, wie die gewonnenen Erkenntnisse aus dem Vorgängersystem Kuali OLE in die Entstehung von FOLIO eingeflossen sind.

Als ein wesentlicher Aspekt kann hervorgehoben werden, dass die Bedürfnisse der Bibliotheken und deren Personal stärker berücksichtigt werden und das System designorientiert entwickelt wird. Dazu wurden auf internationaler Ebene Anforderungen gesammelt und in einer Roadmap zusammengestellt. Diese dient den Entwicklerteams als Vorlage für die Implementierung der diversen Funktionalitäten.

Zum Abschluss des Tages wurde die Demo-Installation einer frühen FOLIO-Version von Jana Maria Agne (VZG) und Martina Tumulla (hbz) präsentiert. Das anwesende Publikum bekam einen ersten Einblick in die Module aus den Bereichen Ausleihe und Erwerbung.

Im ersten Vortrag am darauffolgenden Tag stellte Felix Hemme (ZBW) das Management von Metadaten in FOLIO vor.

Aktuell wandelt sich der Bestand in Bibliotheken von reinen Printmaterialien hin zum Management und Nachweis von Online-Ressourcen. Die zurzeit genutzten integrierten Bibliothekssysteme haben jedoch den Fokus auf dem papiergestützten Bestandsmanagement, da sie teilweise bereits in den 1980er Jahren eingeführt wurden. Ein Kernaspekt im Datenmodell ist deshalb die Möglichkeit, unterschiedliche Knowledge Bases (KBs) an FOLIO anbinden zu können. Metadaten von elektronischen Zeitschriften und Büchern werden somit sehr einfach in FOLIO für alle Geschäftsabläufe und auch für die Präsentation an der Benutzeroberfläche nachnutzbar sein.

„Fischen im Datensee“

Dr. Ingolf Kuss aus dem hbz berichtete in seinem Vortrag „Fischen im Datensee – FOLIO Reporting“ (Präsentationsfolien), welche Ansätze die Special Interest Group (SIG) Reporting für das Berichtswesen in FOLIO verfolgt. Er erläuterte das Konzept des „Data Lake“, einer Variante einer Data-Warehouse-Lösung, die besser geeignet ist zur Integration externer Datenquellen in das zentrale Berichtswesen.

In seinem zweiten Vortrag über den FOLIO-Systembetrieb “Orchester in der Wolke – oder im Rechenzentrum – FOLIO Systembetrieb – SysOps” (Präsentationsfolien) stellte er unterschiedliche Möglichkeiten zur Installation und zum Betrieb des Systems vor. Über eine Container-Orchestrierung kann beispielsweise die automatische Bereitstellung, Verwaltung und Skalierung von Anwendungen ermöglicht werden. Dadurch stellen auch auftretende Lastspitzen kein Problem dar, denn das Cluster wird automatisch an die aktuelle Systemlast angepasst.

Die ersten Einblicke in die technische Entwicklung vom Vortag wurden von Julian Ladisch (VZG) und Alfons Seelen (hbz) in ihrem Vortrag “Technik – Systemtests – Entwicklung” (Präsentationsfolien) ausgebaut und vertieft.

Die Technologien hinter FOLIO tragen Namen wie React/Redux, vert.x, RAML und PostgreSQL und wurden zur Sicherstellung eines langfristigen Betriebs von Vertretern aus der OLE-Community und EBSCO evaluiert. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass FOLIO technisch auf dem richtigen Weg ist. Um auch in Zukunft die Qualität des Codes sicherzustellen, engagieren sich die beiden deutschen Verbundzentralen VZG und hbz innerhalb der Community für nachhaltigen Code.

Über den Stand der Entwicklung einer Anwendung zum Management elektronischer Ressourcen (ERM) berichtete Ian Ibbotson von Knowledge Integration in seinem Vortrag “Background and Progress Update” (Präsentationsfolien). Er beschrieb, dass die aktuell als Stand Alone genutzten ERM-Systeme als Silos existieren, und Daten wie bisher über Tabellen und in anderen Formaten ausgetauscht werden. Schnittstellen zwischen KBs, Bibliotheks- und Haushaltssystemen und bibliothekarischen Discovery-Systemen sind oft nicht vorhanden und erschweren den Datenaustausch. Indem die ERM-Komponente direkt als Kernbestandteil von FOLIO implementiert wird, kann die bereits vorhandene Infrastruktur wie Authentifizierung, Autorisierung und Reporting nachgenutzt werden. Dadurch können sich die Entwickler auf die eigentlichen Anforderungen konzentrieren und diese in das System einbauen.

Den Abschluss der Infotage bildeten mehrere Workshops, in denen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren konnten, wie die Arbeit in den SIGs abläuft. Die Moderatorinnen und Moderatoren hatten aktuelle Fragestellungen aus den Arbeitsgruppen mitgebracht, die zusammen diskutiert wurden. Im Bereich Metadatenmanagement ging es darum, wie in FOLIO Hierarchien zwischen Datensätzen hergestellt werden sollten, um den Anforderungen der deutschen Verbundbibliotheken gerecht zu werden. Das international genutzte Regelwerk Resource Description and Access (RDA) bietet den Anwendern dafür unterschiedliche Ansätze.

Die Mini-SIG Resource Access beschäftigte sich mit Materialarten und ihrem Einfluss auf die Ausleihe. Die Kolleginnen und Kollegen trugen Materialarten und damit verbundene Funktionalitäten für die Ausleihe zusammen. Daraus entwickelte sich eine angeregte Diskussion zum Thema und verschiedenste Erfahrungen wurden ausgetauscht.

Im Workshop zu Erwerbung/ERM wurden Fragestellungen zur Lizenzierung und deren Abbildung im System sowie Detailfragen zur Rechnungsbearbeitung diskutiert.

Im technischen Workshop nahmen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die REST-Schnittstellen der bereitgestellten Demo-Installation unter die Lupe und spielten darüber Datensatzänderungen im JSON-Format ein. Auch das Zusammenspiel der als Docker-Container gekapselten Module konnten sie bei Start- und Stopp-Übungen ausprobieren. Sie erörterten tiefergehende Fragen zur Architektur und den verwendeten Technologien mit den FOLIO-Softwareentwicklern Julian Ladisch (VZG) und Alfons Seelen (hbz).

Weiterführende Informationen:

Fehlende deutsche Übersetzung

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