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protocols.io ist eine Open-Access-Plattform für das Teilen und Finden von Forschungsmethoden, die auf dem neuesten Stand sind.
Der CEO und Mitgründer Lenny Teytelman berichtet im Interview von seinen Erfahrungen.

Gab es ein ähnliches Repository wie protocols.io vorher bereits?

Das Bestreben, ein Quelle für zeitgemäße Forschungsmethoden zu schaffen, ist mindestens mehrere Jahrzehnte alt. 1999 starteten Chris Yoo und seine Mitgründer die Plattform bioprotocol.com mit einer Millionen-Dollar-Risikokapitalinvestition. Unglücklicherweise war dies vor dem Platzen der Dotcom-Blase, und die Investoren liquidierten die Firma. Ein paar Jahre später gründeten Forscher OpenWetWare, einen Vorgänger von protocols.io, aber auch das war seiner Zeit voraus und für Forschende, die nicht Informatiker waren, zu schwierig zu nutzen. 2006 brachte die Nature Publishing Group Protocol Exchange als ein Open Access Repository für Forschungsmethoden auf den Markt.

Mit protocols.io haben wir 2012 gestartet und dabei aus den Lücken und Fehlern der vorherigen Versuche lernen sowie von der neuen Web- und Mobiltechnologie profitieren können.

Wie funktionieren protocols.io und seine mobilen Apps?

Jedes angelegte Protokoll startet nicht-öffentlich und kann mit Individuen oder Gruppen beziehungsweise Organisationen geteilt werden, mit denen zusammengearbeitet wird. Wenn es fertig ist, können die Autorinnen und Autoren es per Knopfdruck öffentlich machen, um es mit aller Welt zu teilen. Die nativen iOS- und Android-Apps sind besonders nützlich für praxisbezogene Laborprotokolle, da sie es ermöglichen, irgendein privates oder öffentliches Protokoll “durchzuführen”, indem man der Anleitung Schritt für Schritt folgt und Änderungen im Experiment nachverfolgt.

Viele der öffentlichen Protokolle werden dann geteilt, wenn Forschende ihre Papers mit Link zu der detaillierten Anleitung auf protocols.io im Methodenverzeichnis ihres Manuskripts veröffentlichen. Dies hilft, die Reproduzierbarkeit der veröffentlichten Forschungsergebnisse zu erhöhen und das gebräuchliche, aber wenig hilfreiche “Kontaktieren Sie den Autor für Details” oder “Wir haben eine leicht veränderte Version des Protokolls, das in Paper XYZ beschrieben ist, verwendet”, zu reduzieren.

Die Plattform ist Open Access und sowohl das Lesen als auch das Veröffentlichen sind kostenlos. Unser Geschäftsmodell basiert darauf, nicht-wissenschaftliche private Gruppen und Abonnements von aggregierten und anonymisierten Auswertungen rund um die Nutzung von Protokollen und enthaltenen Reagenzien kostenpflichtig anzubieten.

Wer steckt hinter protocols.io?

Die Gründer sind neben mir Alexei Stoliartchouk (CTO) und Irina Makkaveeva (CFO), die seit 2003 sehr enge Freunde sind. Die Idee für die Gründung der Plattform kam zum Teil durch meine Erfahrungen als Postdoc-Forscher am MIT 2009 zustande. Ich habe die ersten eineinhalb Jahre damit verbracht, einen einzigen Schritt eines zuvor in “Nature Methods” veröffentlichten Protokolls zu korrigieren. Das Verrückte daran ist, dass dies keine neue Methode und kein neues Paper war, sondern eine Korrektur von etwas, das bereits veröffentlicht wurde. Daher hatte ich keine Möglichkeit, eine Anerkennung für meine Arbeit zu erhalten, und alle anderen, die die Methode benutzen, würden entweder irreführende Ergebnisse bekommen oder müssten ein bis zwei Jahre damit verschwenden, die Korrektur selbst neu zu entdecken.

Zusätzlich zu uns Gründern gibt es ein Kollegenteam aus den Bereichen Entwicklung, Design, Öffentlichkeitsarbeit, Wissenschaft und Wirtschaftsexpertise. Das hilft, protocols.io zu verbessern und wachsen zu lassen. Die Finanzierung stammt von einem Kern aus zehn privaten Unternehmensengeln, Stiftungen (Moore Foundation, OPP, CZI) sowie 500 Geldgebern, die 2014 an uns geglaubt haben und zu unserem Kickstarter beigetragen haben.

Wer beteiligt sich bereits mit ihren oder seinen Forschungsmethoden an protocols.io?

Jeden Monat sehen sich 20.000 bis 30.000 Forschende die öffentlichen Protokolle an und greifen dabei laut Google Analytics aus 160 bis 170 verschiedenen Ländern zu. Wir haben über 2.000 öffentliche und 5.000 private Protokolle, die dank der Hunderten von Zeitschriften, die jetzt protocols.io in ihren Autorenvorschriften haben, um 400 bis 500 neue Protokolle im Monat wachsen.

Von den 500 Gruppen auf protocols.io gehören Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen MeeresvirenProtisten- und Genforschung, Pflanzenbiologie und in letzter Zeit Forschende, die am Human Cell Atlas Konsortium teilnehmen, zu den aktivsten.

Welche Barrieren erlebt ihr oder die Forschenden?

Eine der größten Herausforderungen für jedes Startup wie unseres ist es, dass einfach nicht genügend Menschen wissen, dass es uns gibt. Man kann die schönste und kostenlose Ressource für Forschende entwickeln, aber niemand davon weiß, ist es nutzlos. Daher sind Öffentlichkeitsarbeit und Partnerschaften von zentraler Bedeutung, um die Sichtbarkeit zu erhöhen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dabei zu unterstützen, protocols.io zu entdecken.

Eine noch größere Barriere ist der Mangel an Zeit. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehören zu den geschäftigsten Menschen auf der Welt, und sich 20 Minuten Zeit zu nehmen, um ein Protokoll aus ihrem Notizbuch oder MS Word in protocols.io einzugeben, ist für die meisten nicht belanglos. Das bedeutet, dass man einen klaren und starken Mehrwert braucht, damit sie sich die Zeit nehmen, um protocols.io kennenzulernen und es zum Teilen ihres Wissens zu nutzen.

Wie sehen eure nächsten Schritte aus?

Es gibt unzählige Aspekte, die wir bei protocols.io gerne verbessern möchten und viele Mitgliederanfragen sind in unserer Entwicklungswarteschlange. Unseren Nutzerinnen und Nutzern zuzuhören und die Features und Verbesserungen zu liefern, die sie brauchen, ist unser wichtigstes Ziel für dieses und nächstes Jahr.

Wir sind außerdem darum bemüht, die Protokolle direkt mit den Geräten zu verbinden, die die Forschenden nutzen. Stell dir vor, du musst deine Zellen für 30 Sekunden schleudern, aber die Zentrifuge ist aus Versehen auf drei Minuten eingestellt. Unsere App sollte in der Lage sein, sich mit dem Gerät zu verbinden, die Forschenden über die falsche Einstellung zu informieren und zu fragen, ob so wirklich fortgefahren werden sollte.

Unsere Fragen beantwortete: Lenny Teytelman.

Computer- und experimenteller Biologie. Sein weiterführendes Studium hat er an der UC Berkeley absolviert, und es waren Schwierigkeiten, auf die er bei der Korrektur einer veröffentlichten Forschungsmethode als Postdoc am MIT stieß, die ihn dazu gebracht haben, protocols.io mitzugründen. Die protocols.io-Plattform ist eine Open-Access-Ressource für das Teilen und Finden von Forschungsmethoden, die auf dem neusten Stand sind. Bei protocols.io bring Lenny seine Leidenschaft für Open Access, das Teilen von Wissen und die Verbesserung der Forschungseffizienz durch Technologie ein.

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