ZBW MediaTalk

Dr. Stephanie B. Linek, Wissenschaftlerin an der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft und federführende Autorin der Studie “It’s All About Information? The Following Behaviour of Professors and PhD Students in Computer Science on Twitter”, gibt Auskunft:

Sie haben untersucht, aus welchen Motiven heraus, sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei Twitter gegenseitig folgen. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dies zu untersuchen?

Die Idee entstand im Rahmen des Forschungsprojektes “Netiquette und Profile in Science 2.0“, bei dem es um die Umgangsformen, Kommunikation und Selbstdarstellung von Forschenden im Social Web geht. Für Forschende ergibt sich dabei die Problematik, dass soziale Medien sowohl privat als auch wissenschaftlich genutzt werden können, und es so zu einer Konfundierung von sozialen Rollen (als Privatperson und als Forschende) kommen kann. Insofern war für uns von Interesse, welche Motive jeweils mit den unterschiedlichen Nutzungsarten von sozialen Medien verbunden sind. Der Microblogging-Dienst Twitter war für uns dabei auch deshalb besonders interessant, weil hier – anders als bei sozialen Netzwerken wie Facebook – verschiedene Relationen zwischen den Nutzerinnen und Nutzern möglich sind: einseitiges Folgen oder gegenseitiges Folgen. Da unser Projekt stark interdisziplinär geprägt war, konnten wir diese Relationen sowohl mit sozialwissenschaftlichen als auch computerwissenschaftlichen Methoden untersuchen, was uns neue Möglichkeiten der Analyse eröffnet hat.

Was genau haben Sie in Ihrer Studie untersucht?

In der Untersuchung ging es um die Twitter-Nutzung von Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern. Einerseits wollten wir wissen, ob die akademische Twitter-Nutzung tatsächlich rein durch die Suche nach Information motiviert ist. Andererseits wollten wir auch analysieren, inwieweit sich die akademische Hierarchie von Account-Inhabern und Followern auf das Folgeverhalten auswirkt; ob man beispielsweise Professoren aus Höflichkeit folgt. Um diese Fragestellungen untersuchen zu können, analysierten wir nicht nur die Quantität von Information, das heißt die Anzahl von Tweets eines Accounts, sondern auch die subjektiv wahrgenommene Qualität von Information, indem wir den akademischen Grad des Account-Inhabers als (subjektiven) Indikator für wissenschaftliche Expertise mit berücksichtigten. Mit Hilfe von varianzanalytischen Methoden konnten wir hypothesengeleitet testen, inwieweit das Informationsmotiv vorherrschend ist, oder ob auch Aspekte der Karriereplanung eine Rolle spielen.

Wie wird Twitter also von den untersuchten Forschenden genutzt? Welche Motive spielen dabei eine zentrale Rolle?

Das Informationsmotiv ist bei der Twitter-Nutzung von Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern tatsächlich ganz zentral. Zusätzlich beeinflusst jedoch auch Karriereplanung das Folgeverhalten auf Twitter. Dies zeigt sich insbesondere in Form von strategischen Höflichkeitseffekten: Twitter-Accounts von Professorinnen und Professoren haben auch im Falle von niedriger Aktivität eine relativ hohe Anzahl von akademischen Followern, die sich nicht alleine durch die Quantität oder subjektiv wahrgenommene Qualität von Information erklären lassen.


Figure 1: Visualisation of the following relationships between professors (blue nodes) and PhD students (green nodes). The edges between professors and PhD students are coloured: reciprocal edges are red, unilateral edges from PhD students to professors are green, and unilateral edges from professors to PhD students are blue. All other edges (between individuals of the same status) are grey. The visualisation shows an imbalance in the coloured relationships: the share of green edges (2,585) is larger than the share of red edges (1,088), which in turn is larger than the share of blue edges (298).

Daneben enthalten unsere Daten auch Hinweise auf Peer Networking unter Professorinnen und Professoren, das heißt, Professorinnen und Professoren vernetzen sich untereinander beziehungsweise folgen sich gegenseitig. Unter PhD-Studentinnen und -Studenten zeigt sich dies interessanterweise nicht.

Mit welchen Methoden haben Sie herausgefunden, welche Rolle akademische Hierarchien bei der Twitter-Nutzung spielen?

Diese Frage betrifft sozusagen das Herzstück unserer interdisziplinären Zusammenarbeit. Da wir einen sehr großen Datensatz (von über 1.400 Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern auf Twitter) analysierten, waren zwei wesentliche Schritte nötig, um den Einfluss der akademischen Hierarchie untersuchen zu können. Zum einen mussten die Twitter-Profile mit computerwissenschaftlichen Methoden analysiert werden, um die notwendige Information zur akademischen Hierarchie zu erhalten. (Die händische Analyse der Profile ist bei einem so großen Datensatz nur schwer realisierbar). Zum anderen mussten wir den resultierenden Datensatz mit varianzanalytischen statistischen Methoden aus den Sozialwissenschaften analysieren, um das Informationsmotiv, Höflichkeitseffekte und andere Beweggründe anhand der reinen Nutzungsdaten differenzieren zu können.

Ihr Forschungsprojekt ist interdisziplinär angelegt. Wie haben Sie die interdisziplinäre Zusammenarbeit organisiert?

Die allgemeine inhaltliche Abstimmung und die zeitliche Arbeitsaufteilung erfolgten zumeist über Gruppen-Skypes. Einzelne konkrete Arbeitsschritte wurden häufig im Zweiergespräch oder per E-Mail geklärt. Gerade für die Datenaufbereitung und Datenanalyse waren dabei engmaschige gegenseitige Kontrollen nötig. Es war teilweise eine echte Herausforderung, die verschiedenen Ansätze von Psychologie, Kommunikationswissenschaft und Computerwissenschaft miteinander abzustimmen. Zudem mussten auch die verschiedenen örtlichen Standorte und die zeitliche Verfügbarkeit der einzelnen Partner berücksichtigt werden. Doch letztendlich hat sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit als sehr fruchtbar erwiesen. Eine Disziplin alleine hätte die Untersuchung in dieser Form nicht durchführen können.

Welche Forschungsfragen sind aus Ihrer Sicht noch offen geblieben?

Bislang haben wir nur Computerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler auf Twitter untersucht. Insofern ist es natürlich interessant, ob sich die Ergebnisse auch für andere Disziplinen wiederfinden, insbesondere bei Disziplinen mit einem höheren Frauenanteil und einer weniger technikaffinen Orientierung. Zudem basierte diese Untersuchung auf reinen Verhaltens- beziehungsweise Nutzungsdaten. In Ergänzung dazu sind wir gerade dabei, eine weitere Fragebogenstudie zur subjektiven Sicht auszuwerten.

Eine weitere offene Forschungsfrage für zukünftige Untersuchungen betrifft die zeitliche Entwicklung des Folgeverhaltens, insbesondere bei gegenseitigem Folgen. Auch die Frage, ob, wann und wie oft „Ent-Folgt“ wird, ist ein wichtiger Aspekt für weitere Studien.

Eine interessante Frage ist auch, inwieweit sich durch die Open-Science-Bewegung der Einfluss der akademischen Hierarchie und auch der Nutzungsmotivationen in Zukunft ändern werden; ob beispielsweise Forschende, die eine höhere Affinität zur Open-Science-Bewegung zeigen, auch ein anderes akademisches Nutzungsverhalten von Social Media aufweisen.

Weiterführende Informationen:

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