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Nach unserer kleinen Reihe zum Trend-Monitoring stellt sich zum Auftakt des Jahres die Frage, welche Trends in 2017 für Bibliotheken und Informationszentren wichtig werden. Dabei haben die aus 2016 bekannte Trendthemen nichts an Aktualität verloren.

Neue Trends gesellen sich 2017 hinzu, von denen einige besonders interessante im Folgenden vorgestellt werden. Zur Auswahl dieser Trends wurden der kostenpflichtige 2017 Trend Report von Trendwatching.com genutzt sowie eine Übersicht über andere Trend- und Technologiereports für 2017.

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Künstliche Intelligenz für die Selbstoptimierung nutzen

Viele Menschen streben danach, sich selbst zu optimieren. Mitunter mangelt es ihnen dabei an Willenskraft. Ein Trend in 2017 besteht darin, dass künstliche Intelligenz zur Selbstoptimierung eingesetzt wird, um an sich zu arbeiten und ein besserer Mensch zu werden. Willenskraft, Planung und Coaching werden damit an die künstliche Intelligenz digitaler Services ausgelagert.

Mit Google Now, Siri und Amazon Echo stehen nun digitale Sprachassistenten zur Verfügung, die im Hintergrund mitlaufen, Daten sammeln, mittels künstlicher Intelligenz personalisierte Informationen zur Verfügung stellen und im Alltag Aufgaben ihrer Nutzerinnen und Nutzer übernehmen. Gewinnen sie breite Akzeptanz, wird dies dazu führen, dass der Trend, künstliche Intelligenz für die Selbstoptimierung einzusetzen, an Bedeutung gewinnt.

Ein Beispiel dafür ist das Wearable Vi, das mithilfe künstlicher Intelligenz personalisierte Fitnesspläne erstellt.

Google Goals hingegen stellt Fragen und identifiziert geeignete Zeitfenster für das Erreichen von Zielen im Kalender der Nutzerin beziehungsweise des Nutzers.

Es sind die Tech Giganten, denen es wohl am besten gelingen wird, auf diesen Trend zu reagieren, schließlich haben sie große Mengen an Daten über uns gesammelt. Es gilt daher für andere Anbieter, Wege zu finden, wie sie in dem Technologie-Ökosystem ihrer Kundinnen und Kunden dennoch eine Rolle spielen können. Einen Vorteil haben sie: So sehr Kundinnen und Kunden automatisierte Services zu schätzen wissen, so wird dennoch persönliche Unterstützung, insbesondere durch Expertinnen und Experten, immer wertgeschätzt. Künstliche Intelligenz kann nun dazu beitragen, diese Kontakte und Interaktionen auszuwählen und anzureichern. Wie könnten also künstliche Intelligenz und Rat von echten Expertinnen und Experten gewinnbringend miteinander verknüpft werden?

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Virtuelle Erfahrungen vermitteln

Ein weiterer neuer Trend für 2017 ist die Virtual Experience Economy: Digitale Erlebnisse, etwa in der Augmented Reality und Virtual Reality, werden in 2017 vermehrt zur Selbstdarstellung genutzt. Nachdem sich in 2016 Augmented Reality mit Pokémon Go als massentauglich erwiesen hat, kommen nun teilweise auch kostengünstige Endnutzergeräte auf den Markt, wie beispielsweise Zappar. Digitale Erfahrungen bekommen damit einen größeren Stellenwert.

Möglicherweise bewegen wir uns von einem Internet der Informationen mehr hin zu einem Internet der Erfahrungen. In diesem kann man einerseits an universell zugänglichen Erfahrungen teilhaben, andererseits aber auch einzigartige und personalisierte Erlebnisse haben.

Einige Beispiele:

Die von Google im November 2016 zeitgleich mit dem VR Headset und Controller “Daydream View” gelaunchte Arts & Culture VR App, mit der User Details von Kunstwerken in virtuellen Galerien auf der ganze Welt betrachten können und dazugehörige Audio Guides von Museumskuratoren anhören können. Dazu gehören mehr als 1.200 Museen und Galerien auf der ganzen Welt.

Ebenfalls von Google wurde im Mai 2016 Tilt Brush veröffentlicht, eine App für das HTC Vive VR Headset, die es erlaubt, in 3D in der virtuellen Realität zu malen und die Kunstwerke als animierte GIFs zu teilen.

Mit neuartigen Spielen wie Astroneer können User gemeinsam das Universum erkunden. Das herkömmliche Gewinnen im Spiel spielt hier nur eine untergeordnete Rolle. Es geht vor allem darum, erstaunliche Erfahrungen zu sammeln und diese mit anderen zu teilen.

Wie könnte dieser Trend aufgegriffen werden? Digitale Erlebnisse sollten nicht rein als Tools oder Unterhaltung betrachtet werden. Vielmehr sollte darüber nachgedacht werden, wie sie nützlich eingesetzt werden könnten, und so gestaltet, dass sie wertgeschätzt und gerne geteilt würden.

Neue Technologien für Bildung zu ethischen Fragestellungen

Nach Themen wie Fitness, Ernährung und Produktivität lenken neue Automatisierungsmöglichkeiten und künstliche Intelligenz nun den Fokus von Selbstoptimierern vermehrt auf die Kernfrage, was uns als Menschen eigentlich ausmacht. Zunehmende Bedenken hinsichtlich der großen Macht dieser Technologien und unserer Fähigkeit, damit gut umzugehen, führen dazu, dass ein technologiegetriebener Fokus auf ethische Fragen entsteht. Antworten darauf versprechen sie sich von neuen Tools, Plattformen und Erfahrungen.

So arbeitet die National Football League (NFL) gemeinsam mit Stanford University’s Virtual Human Interaction Lab daran, Virtual Reality-Technologie einzusetzen, um Vorurteile und davon geprägte Verhaltensweisen zu reduzieren.

Die US Juwelenmarke Lokai hat zusammen mit Charity: Water den Facebook Messenger Walk With Yeshi Chatbot geschaffen, der den langen Weg mancher Frauen in Äthiopien zum Wasserholen simuliert, gespickt mit GIFs, Videos und Maps, sowie Informationen über ihre Zukunft.

Ein weiteres Beispiel ist die App EquiTable, die es unterstützt, eine Restaurantrechnung so aufzuteilen, dass sie die unterschiedliche Bezahlung je nach Geschlecht und Hautfarbe widerspiegelt, um so Diskussionen über Einkommensungleichheit anzustoßen.

Die Google Cardboard App Educational Dementia Immersive Experience erlaubt es, die Welt aus der Erfahrung einer an Demenz erkrankten Person wahrzunehmen, um so etwa das Verständnis bei Betreuungspersonen zu erhöhen.

Internet of Citizens

Das “Internet der Bürger” ist ein weiterer Trend, der 2017 Fahrt aufnimmt. Denn Bürgerinnen und Bürger, die in der digitalen Ökonomie schon lange nicht mehr nur Konsumenten, sondern selbst Produzenten und Verkäufer sind, und denen Plattformen die verteilte Zusammenarbeit erleichtert, werden auch mehr Macht von ihren Regierungen einfordern, um ihre Gesellschaften, Verwaltungen und den öffentlichen Dienst mitzubestimmen und umzubauen. Nachdem der Einfluss von Social Media und Smartphones bei politischen und gesellschaftlichen Ereignissen groß ist, erwarten sie, dass alle Informationen genutzt werden, um den öffentlichen Raum zu verbessern. Smarte öffentliche Einrichtungen werden darauf antworten, indem sie sich von sich aus öffnen, bevor sie dazu gezwungen werden.

Ein Stichwort dafür ist Open Government. So hat die Regionalregierung in Mexiko City per Crowdsourcing Ideen für die nächste Verfassung gesammelt, über die anschließend abgestimmt wurde.

Hawa Badlo – #Changetheair, wiederum ist eine App, die die Einwohner von Neu Delhi dabei unterstützt, die Luftqualität zu verbessern. Dafür können sie Zwischenfälle melden, die die Luft verschmutzen, und später eine Rückmeldung darüber erhalten, was aufgrund ihrer Meldung unternommen wurde.

Zu diesem Trend passen auch die Themen Citizen Science, Open Science, Open Innovation und Open Data, die in Bibliotheken bereits eine Rolle spielen.

Anonym – das Internet aus einem anderen Blickwinkel entdecken

Das Bewusstsein von Konsumenten über die polarisierende Wirkung von Algorithmen, die über die Anzeige von Content in Social Networks und anderen Online-Services oder auch über die Preisgestaltung entscheiden, ist gewachsen. Dadurch wächst auch das Interesse daran, was es auf der anderen Seite der “Mauer” zu sehen gibt. Tools und Plattformen, die es ermöglichen, online Inkognito unterwegs zu sein, liegen daher im Trend. Als Reaktion darauf könnten weitere Dienste angeboten werden, die ein Loch in die Wand reißen, und so durch Anonymität oder die Möglichkeit, die Perspektive einer anderen Person einnehmen zu können, erlebbar machen, wie das Internet für sie aussieht.

Menschliche Fähigkeiten neu erfinden

Die Angst vor Jobverlust durch die zunehmende Automatisierung ist das Gegenstück der um sich greifenden technologischen Revolution. Andererseits gehen damit neue, bislang ungeahnte Chancen für die Arbeit, Freizeit und Kreativität einher. Smarte Unternehmen werden in 2017 zeigen, dass sie verstehen, wie die Technologie uns helfen kann, uns als Menschen neu zu erfinden. So werden unter anderem vollkommen neue Berufe entstehen, Fähigkeiten erneuert werden und Expertise ganz neu aufgeladen werden.

Beispiele: Die Softwarefirma X²AI hat mit Karim einen mit künstlicher Intelligenz hinterlegten Chatbot für die psychologische Unterstützung syrischer Flüchtlinge im Libanon auf Arabisch vorgestellt. Um den Menschen mit ihren emotionalen Problemen zu helfen, verarbeitet Karim natürliche Sprache, um den emotionalen Zustand der Person zu analysieren und maßgeschneiderte Kommentare, Fragen und Empfehlungen geben zu können.

Zenbo von der Technologiefirma ASUS ist ein lustig aussehender Roboter für zu Hause, der dazu beitragen kann, das immer mehr Menschen zu Hause Unterstützung durch Technologie als normal ansehen beziehungsweise erwarten. Zenbo hört auf Stimmbefehle, bewegt sich durch den Haushalt und kann unter anderem Angehörige alarmieren, wenn jemand gestürzt ist, und lässt sich per App aus der Ferne bedienen.

Wie geht es weiter?

2017 dürfte also wieder ein sehr interessantes Jahr werden. Dabei gilt es auch zu beobachten, wie sich etwa Bedenken hinsichtlich der Sicherheit digitaler Systeme und des Datenschutzes oder die geopolitische Lage auf die weitere Entwicklung dieser Trends auswirken werden.

Wie können Sie angesichts dessen die neuen Technologien zum Nutzen von Menschen einsetzen? Wie könnten die neuen Technologien Sie dabei unterstützen, produktiver, flexibler oder besser ausgebildet zu sein?

→ Weiterführende Informationen:

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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