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Messaging ist eines der Trendthemen 2016. Messaging Apps boomen. Ihr Wachstum übertrifft das von sozialen Netzwerken, und die vier meistgenutzten Messenger Apps weisen bereits mehr Nutzerinnen und Nutzer auf als die vier meistgenutzten sozialen Netzwerke.

WhatsApp oder der Facebook Messenger gehören weltweit zu den meistgenutzten Apps. Alleine WhatsApp weist bereits mehr als eine Milliarde Nutzerinnen und Nutzer auf.

 

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Messaging wandelt den Kommunikationsstil

Wie stark Messaging Apps genutzt werden, veranschaulichen die „Apps in Echtzeit“. Neben den in Deutschland stark verbreiteten Messaging Apps erfreuen sich weitere wie WeChat, QQMobile oder LINE weltweit großer Beliebtheit. Auch Snapchat springt auf den Zug auf und positioniert sich deutlicher als Messaging App. Aufgrund der Fortschritte auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz gewinnen Chatbots derzeit deutlich an Beliebtheit. Dieses Thema wollen wir später in einem eigenen Beitrag vertiefen.

Die weite Verbreitung von Messaging Apps prägt die Kommunikationskultur. Sehr schnelle Antworten in einem informellen Kommunikationsstil erfreuen sich bei den Messaging-Nutzerinnen und -Nutzern großer Beliebtheit. Wer sich daran gewöhnt, per Chat unkompliziert eine direkte Antwort zu bekommen, findet es alsbald nicht mehr akzeptabel, mehrere Tage darauf warten zu müssen. Sofortige Reaktion wird zunehmend erwartet.

 

Messaging als neue Kundenplattform

Messaging Apps können zudem heute weit mehr, als lediglich Text-Chats abzuwickeln. Bilder, Videos und finanzielle Transaktionen können darüber versendet werden. Manches innovative Unternehmen nutzt Messaging Apps bereits, um darüber den kompletten Kundenkontakt zu gestalten. Messaging ist überall und wird teilweise als die zentrale zukünftige Schnittstelle zu Kundinnen und Kunden gehandelt. Was in Asien schon etabliert ist, strebt nun auch WhatsApp an: der Einsatz von Messaging im Kundenservice.

 

 

Kundenservice per Live-Chat

So nutzt die Modefirma Everlane den Facebook Messenger, um Bestellungen entgegenzunehmen und Rücksendungen abzuwickeln. Rare Pink, ein Londoner Juwelier, setzt WhatsApp und WeChat für die Kommunikation mit Kundinnen und Kunden ein. Das LINQ Hotel setzt WeChat für das schnelle Einchecken sowie das Anpassen von Licht und Zimmertemperatur ein. Das Sheraton Airport Hotel setzte als erstes Hotel WhatsApp im Kundenservice ein und Gäste des Aloft Manhattan Downtown Hotels können per Emoji beispielsweise Essen bestellen.

Mit Pockettour gibt es das erste Reisebüro, das komplett aus einer Messaging App heraus agiert. Als erste Fluglinie wird KLM weltweit den Facebook Messenger in die Kundenkommunikation integrieren. Reisende haben mit dem Messenger alle wichtigen Informationen und Dokumente, wie die Boardingkarte, zu ihrem Flug auf einen Blick und können bei Fragen oder Umbuchungen sofort direkten Kontakt zur Airline aufnehmen, was ihnen ein stressfreies Reiseerlebnis sichern soll. An der kompletten Abschaffung von E-Mail arbeitet derzeit Uber, das seinen Kunden-Support ausschließlich auf Messaging umstellt.

Auch chat-basierte Verkaufs-Apps wie Shopo erscheinen zunehmend am Markt. Chatshopper nimmt Wünsche von Kundinnen und Kunden, die auf der Suche nach bestimmten Produkten sind, per WhatsApp oder Facebook Messenger entgegen, recherchiert für diese und meldet ihnen ein passendes Produkt zurück. Verdient wird an den Verkaufsprovisionen der Händler, oder es wird eine Servicepauschale erhoben. In eine ähnliche Richtung gehen auch Butler-Services via WhatsApp oder SMS; sie bieten zugleich einen guten Einblick in das Zukunftspotential von Messenger-basiertem Kundenservice.

Bildung und Nachrichten im Messaging-Stil

In anderen Branchen hält Messaging ebenso Einzug. Im Februar 2016 neu an den Start gegangen ist die Quartz App, die Nachrichten informell im Chat-Stil übermittelt.

Auch im Bildungsbereich verbreiten sich WhatsApp und Co: Die Universität Hohenheim bietet seit April 2015 eine Studienberatung per WhatsApp an. Unterricht in der App erteilt die im Dezember 2015 in Nigeria gestartete ChatClass App. Der Schulunterricht findet einzeln oder in Gruppen kostenpflichtig via WhatsApp statt. Die Lehrenden setzen Texte, Voice Notes, Bilder und Videos während der 60-minütigen Schulstunden ein.

 

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Von der Chat-Auskunft zur kompletten Messaging-Plattform?

Einzelne Bibliotheken setzen wie die Universitätsbibliothek der TU München auf den Auskunftsdienst per WhatsApp. Ebenso bietet die Stadtbibliothek Erlangen einen WhatsApp-Service an. Sie macht dabei deutlich, was aus rechtlicher Sicht und in Bezug auf Sicherheitsaspekte bei der Nutzung von WhatsApp beachtet werden sollte und dass bei sensiblen Themen daher eine Kommunikation per E-Mail bevorzugt werden sollte.

Bei allen Chancen, die Messaging im Kundenservice bieten mag, ist zu bedenken, dass sich Bibliotheken damit, insbesondere was den Datenschutz betrifft, in einer rechtlichen Grauzone bewegen. Bibliotheken sollten sich nach derzeitigem Stand daher gut überlegen, ob sie trotzdem auf Messaging setzen wollen.

Generell beinhaltet die verstärkte Messenger-Nutzung aber ein großes Potential für Bibliotheken. Wenn sie ihren Kundenservice darüber anbieten, könnte es ihnen beispielsweise helfen, sich ihren Platz im Forschungszyklus zurückzuerobern. Bibliotheken könnten hierbei auf ihre ureigenen Stärken zurückgreifen, umso mehr wenn sie bereits eine Chat-Auskunft betreiben und dafür entsprechende Workflows und eine Infrastruktur beziehungsweise Kooperationen etabliert haben. Damit könnten sie sogar anderen Anbietern gegenüber einen Startvorteil haben.

Allerdings gilt es, einige Herausforderungen zu meistern. Denn der Messaging-Trend geht dahin, einen umfassenden Kundenservice per App abzubilden. Dafür müssten Bibliotheken ihr vorhandenes Modell der Chat-Auskunft aufbohren und zu einem allumfassenden Service-Interface weiterentwickeln. Der Auskunftsservice per Chat müsste mit anderen Bibliotheksdienstleistungen enger verknüpft werden, um dem Trend der Messaging-Kultur zu entsprechen. Dagegen spricht bislang, dass heutige Chat-Auskünfte viel Wert auf Anonymität der Nutzerinnen und Nutzer legen. Dies erschwert es, ihnen weitergehende Services über die Kundenschnittstelle Messaging anzubieten. Die direkte Verfügbarmachung oder Vormerkung von im Beratungsgespräch empfohlener Literatur innerhalb der Messaging-App wäre ein denkbares Szenario.

Birgit Fingerle ist Diplom-Ökonomin und beschäftigt sich in der ZBW unter anderem mit Innovationsmanagement, Open Innovation, Open Science und aktuell insbesondere mit dem "Open Economics Guide". (Porträt: Copyright

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