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Die Bibliothek steht in Newport Beach, einem kleinen Städtchen mit rund 86.000 Einwohnern, das direkt an der kalifornischen Pazifikküste liegt. Der Ort leidet wie viele anderen unter den massiven Sparmaßnahmen des Staates (alleine 15 Millionen Dollar wurden im Bibliothekssektor gestrichen), weshalb die Stadtoberen nun eine Lösung für das Problem ins Auge gefasst haben. Die Pläne: aus der Bibliothek soll ein “Community-Center” werden. Konkret bedeutet das, dass vor Ort früher oder später sowohl das Personal als auch die Bücher weichen sollen. Die Kunden werden dann in einem Theken-Kiosk empfangen, wo sie per spontaner Videokonferenz die zuständige Bibliothekarin oder den Bibliothekar erreichen können. Bücher lassen sich ausschließlich per Fernleihe ordern und werden dann in speziellen Schließfächern zur Abholung bereit gestellt.

Die Reformpläne seien das Ergebnis einer längeren Untersuchung des Kundenverhaltens, teilte die Stadt mit. Besucher würden heute hauptsächlich die Bibliothek aufsuchen, um dort zu lernen oder ihre Notebooks anzuwerfen – kaum jemand gehe noch zum Buchregal, es sei denn, um hinter den Buchrücken in Ruhe per Handy telefonieren zu können.

Das sind schon radikale Änderungen. Erwartungsgemäß hat die Ankündigung zu einem ordentlichen Aufschrei in der Bevölkerung geführt, die Gemeindevorsteher werden wüst beschimpft, eine Bibliothekarin bezeichnete die Pläne als “fucking insane“.

“Viele Menschen wollen noch immer ein Buch berühren, es halten, es riechen”, sagt auch Cynthia Cowell, die Servicebeauftragte der Newport Beach Public Library. “Das taktile Moment ist den meisten von uns noch immer sehr wichtig.” Dem entgegnet Dave Kiff, einer der Urheber der Pläne, ziemlich energisch: “Die Leute verbinden Bücherstapel mit der Bibliothek. Doch sollte die moderne Bibliothek nicht lieber abbilden, wie die Menschen heute arbeiten – anstatt Dienste anzubieten, die vor zwanzig oder dreißig Jahren gebraucht wurden?” Einwände kommen hingegen auch von der Wissenschaft: Die Sammlungen lokaler Bibliotheken spiegeln die Demografie einer Gemeinde wider, sagt Christine Borgman, die als Informatik-Professorin an der UCLA lehrt. Das kulturelle Gedächtnis des Ortes stehe damit auf der Kippe.

Mit diesem Sturm der Entrüstung konfrontiert, beißt sich die Stadtführung derzeit unschlüssig auf die Unterlippe. In einem hastig formulierten Statement (“Newport Beach Loves Books”) bezieht sie Stellung zu den Vorwürfen:

During a planning meeting for the Marina Park Project last week, the idea of moving the Balboa Branch Library in 2014 into a brand new community center complex was raised. This would reduce staffing and maintenance costs, and would get us out of a building that’s 82 years old and needs to be updated. (…) Visitor data from the Balboa branch indicates that residents use the branch primarily for reading, using the internet and studying. (…) The City of Newport Beach, like many communities, is reducing expenditures, privatizing, and looking at new ways of delivering services in light of increased personnel costs. Making sure that our libraries, like this specific branch, are tailored to the needs of the community is an important part of that review.

Meine Fragen dazu: Ist das die richtige Entscheidung? Die meisten Kunden werden wohl über einen Internetanschluss zuhause verfügen – gibt es also noch ein Alleinstellungsmerkmal für durchdigitalisierte Bibliotheken, die ihre Waren nun komplett outsourcen? Oder ist dies der unvermeidliche logische nächste Schritt?

Bild: Flickr – Fotograf: skewgee

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