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von Yvonne Tunnat

Der Begriff Hackathon setzt sich zusammen aus “Hacker” und Marathon. In der Alltagssprache verstehen wir unter einem Hacker allerdings jemanden, der unbefugt in IT-Systeme eindringt. Daher kann die Ankündigung, einen Hackathon durchführen zu wollen, mitunter auf Skepsis stoßen. Doch ist ein Hacker nicht unbedingt ein “böser Mensch”, der Schaden anrichtet – in der Szene selbst ist die Bezeichnung eher ein Ausdruck von Respekt und Anerkennung. Ein Hacker ist jemand, der mit großem Enthusiasmus und Spaß nach Lösungen für technische Probleme sucht. Eigenschaften, von denen Bibliotheken profitieren können.

Ein Hackathon ist also eine Veranstaltung mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die mit der Entwicklung von Software zu tun haben. Da in den letzten Jahren die Software-Entwicklung an Bibliotheken immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist es nicht verwunderlich, dass nun die ersten Hackathons in diesem Bereich stattfinden.

Beispiele für Hackathons an Bibliotheken und Universitäten

Kultur Hackathon Coding Da Vinci

Gemeinsam mit digiS, der Open Knowledge Foundation Deutschland und wikimedia Deutschland veranstaltete die Deutsche Digitale Bibliothek im Jahr 2014 einen groß angelegten Hackathon: Coding Da VinciHackathon für offene Kulturdaten“.

Viele Bibliotheken wie die Zentral- und Landesbibliothek Berlin und die Deutsche Nationalbibliothek beteiligten sich daran. Im Rahmen dieses Hackathons wurden 17 Projekte von Teilnehmerinnen und Teilnehmern innerhalb von 10 Wochen umgesetzt.

Hackathon zur Emulation an der Uni Freiburg

In 2012 fand an der Universität in Freiburg ein Hackathon zur Emulation statt. Emulation steht für die Nachbildung eines Betriebssyystems auf einem anderen. Im Zuge der Langzeitverfügbarkeit ist dies ein wichtiges Thema, da es ermöglicht, veraltete Programme und Architekturen, wie beispielsweise die Umgebung eines C64, auf modernen Betriebssystemen abzubilden.

In Hackathons technische Herausforderungen von Bibliotheken lösen

Hackathons eignen sich, um in einem begrenzten Zeitraum eine technische Problemlösung für eine oder mehrere Herausforderungen zu finden – vorausgesetzt dass genügend interessierte “Hackerinnen” und “Hacker” zusammenkommen.

Die in Bibliotheken zunehmend an Bedeutung gewinnende digitale Langzeitverfügbarkeit ist ein Thema, das mit vielen technischen Herausforderungen verbunden ist, etwa wenn es um das häufig verwendete PDF-Format geht. Dieses Format ist sehr komplex und die Auseinandersetzung mit ihm und mit vorhandenen Analyse- und Reparaturtools wird immer wichtiger.

Bereits in 2013 entstand daher die Idee, einen Hackathon zum Thema “PDF” zu veranstalten, gemeinsam mit der Open Preservation Foundation (OPF). Die OPF ist eine international tätige Vereinigung, die sich für die Weiterentwicklung von hilfreichen Technologien einsetzt, die für die Langzeitverfügbarkeit relevant sind. Die OPF hat auch den zuvor bereits erwähnten Hackathon zur Emulation an der Uni Freiburg im Jahr 2012 mit organisiert und veranstaltet.

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Was sollte ich bei der Hackathon-Organisation beachten?

Ein Hackathon ist eine besonders herausfordernde Veranstaltung, da die Teilnehmenden in die Lage versetzt werden sollen, möglichst reibungslos in einem definierten Zeitrahmen miteinander etwas zu erarbeiten. Die folgenden Punkte sind von zentraler Bedeutung, um ihnen ein “Rundum-Sorglos-Paket” anbieten zu können.

Internetzugang, Strom und Adapter

Egal wie viel man vorher auf USB-Sticks vorbereitet oder allen Teilnehmenden via E-Mail und Blogpost bekannt gibt – ein verfügbarer und stabil laufender Internetzugang ist unerlässlich.

Aufgrund der zeitnahen Veröffentlichung des während des Hackathons erstellten Programmcodes nutzt man gerne Dienste wie Github, um sich gegenseitig die neu entwickelten Programmteile zukommen zu lassen. Außerdem ist es oft nötig, beim Programmieren in diversen Foren und Tutorials zu recherchieren.

Entweder liegen genügend LAN-Verbindungen für alle Teilnehmenden bereit oder ein stabiles WLan ist verfügbar. Da die Teilnehmenden üblicherweise die Laptops selber mitbringen, muss es genügend Stecker geben und möglicherweise außerdem Adapter, sofern der Hackathon international ist. In unserem Fall handelte es sich um 22 Teilnehmende aus acht Ländern und mindestens die Briten hatten vollkommen andere Stecker.

Auch für die Bildübertragung müssen passende Adapter vorhanden sein. So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein modernes Laptop keinen VGA-Anschluss mehr aufweist, sondern lediglich einen HDMI-Anschluss und ein VGA-Adapter somit nicht genutzt werden kann.

Benötigte Software installieren

Da einige benötigte Softwarekomponenten in unserem Fall nur auf dem Linux-Betriebssystem laufen, musste eine virtuelle Maschine auf den mitgebrachten Windows- und Apple-Rechnern installiert werden. Aufgrund der Komplexität dieser Maschine konnte dies von den allermeisten Teilnehmenden nicht im Vorhinein erledigt werden, sondern musste vor Ort erfolgen. Dies war zeitintensiv und nicht frei von Frustration. Sofern möglich, sollten solche Situationen natürlich vermieden werden.

Ergebnisse des Hackathon

Im besten Fall gibt es nach einem Hackathon verwendbare Software. Diese sollte mindestens allen Teilnehmenden zur Verfügung gestellt werden – wenn möglich so, dass sie weiter bearbeitet werden kann. Selbst wenn keine bereits lauffähige Software ensteht, sollten die Ansätze am besten gut dokumentiert geteilt werden, so dass Interessierte sich weiter damit beschäftigen können.

Das Ergebnis eines Hackathon muss nicht unbedingt (nur) aus Software bestehen. Auch eine Wissensdatenbank, gesammelte Erkenntnisse, Sammlungen von Dateibeispielen usw. können ein gutes Ergebnis oder der Teil eines Ergebnisses sein.

Verpflegung

Als ich das erste Mal in sozialen Netzwerken bekannt gab, einen Hackathon an unserer Bibliothek zu veranstalten, kam aus dem Bekantenkreis der Hinweis, unbedingt für genügend Kaffee zu sorgen und zu wissen, wo zur Not spontan Pizza bestellt werden kann. Obwohl für das leibliche Wohl sehr gut gesorgt war, blieben dennoch die besten Hacker hungrig, da die Mittagspause zeitgleich dafür genutzt wurde, Software auf den mitgebrachten Laptops zu installieren, und sie hier sehr häufig zur Hilfe gerufen werden mussten.

Nachwirkungen – das Leben nach dem Hackathon

Mit einem erfolgreichen Hackathon ist die Arbeit meist nicht abgeschlossen, wie unser Beispiel zeigt: im Nachgang habe ich einen Blogpost zu den Ergebnissen des Hackathon auf den Seiten der Open Preservation Foundation veröffentlicht. Außerdem ist eine Arbeitsgemeinschaft zum Thema “Dateiformate in der Langzeitarchivierung mit Schwerpunkt PDF-Dateien” geplant, in der die Fortführung der während des Hackathon begonnenen Arbeit geplant ist.

Darüber hinaus planen wir – aufgrund der positiven Erfahrung – gemeinsam mit der TIB Hannover und ZB MED eine Veranstaltung in Köln im Herbst 2015, die sich mit der Langzeitverfügbarkeit von Bildformaten wie JPEG, JPEG2000 und dem TIFF-Format auseinandersetzen wird.

Alles in allem war die Durchführung des Hackathon eine bereichernde Erfahrung und hat uns bei technischen Problemen rund um das PDF-Format vorangebracht.

Die 3 wichtigsten Punkte für die Organisation eines Hackathon

Meine Empfehlungen für die Veranstaltung eines Hackathon sind:

  1. Ohne geht es nicht: Strom- und Internetzugang organisieren.
  2. Für das leibliche Wohl sorgen: Essenspausen und den leichten Zugang zu Essen und Getränken sicherstellen.
  3. Zeit einplanen für: Ergebnissicherung, Weiterverwendung der Ergebnisse und eventuelle Anschlussaktivitäten.
Autorin: Yvonne Tunnat ist in der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft seit 2011 für die Digitale Langzeitarchivierung zuständig. Sie ist besonders interessiert an der Langzeitarchivierung von PDF-Dateien und seltenen Dateiformaten. Für nestor, das deutsche Kompetenzzentrum für Langzeitarchivierung, leitet sie die Arbeitsgruppe Formaterkennung.

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